„Wir waren gelähmt“In den 2000ern plagen Streit und Trennung die Paveier

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Micky Brühl, Bodo Schulz, Detlef Vorholt, Bubi Brühl, Klaus Lückerath und Johnny Gokus (v.l.) vor einem roten Vorhang

Die Band 2007 im Smoking

Ein Wechsel an der Gitarre führte die Paveier schließlich in ein neues Kapitel ihrer Bandgeschichte.

Zu Beginn der 2000er Jahre ging ein Ruck durch die Kölner Musikszene: Die Rockband Brings hatte schwere Zeiten hinter sich gebracht und beschlossen, eine Karriere im Karneval zu versuchen. Das 2000 erschienene „Superjeile Zick“ wurde ein sensationeller Erfolg, den auch so mancher angewidert wegschauende Präsident nicht verhindern konnte.

Die Energie, mit der Brings ihre Songs in die Karnevalssäle brachten, war neu und wurde begeistert vom Publikum aufgenommen. Dagegen sah manch eher betulicher Auftritt der etablierten Bands alt aus. Die Paveier hatten ihre ganz eigenen Probleme. „Wir waren gelähmt“, gesteht Keyboarder Detlef Vorholt rückblickend. „Es gab so viele Nebenschauplätze, dass man sich eigentlich auf das Wesentliche, die Musik, nicht mehr konzentrieren konnte“, sagt Johannes „Johnny“ Gokus, seit 2003 als zusätzlicher Schlagzeuger bei den Paveiern.

Köln: Paveier in den 2000ern von Streit geplagt

Er sollte Frontmann Micky Brühl entlasten, der bis dato auch getrommelt hatte und dem der Stress der Doppelbelastung zu groß wurde. Beim kreativen Proben der Band im Westerwald stellte sich der Sauerländer vor. „Die Jungs saßen draußen in der Sonne,“ erzählt Gokus, „und Micky mit Sonnenbrille begrüßte mich: ‚Hi, ich bin der Micky, kennst mich wahrscheinlich aus dem Fernsehen, den Rest wohl eher nicht.‘“ Der Schlagzeuger, auf Empfehlung seines WG-Kumpels Martin „Stoecki“ Stoeck (der mittlerweile verstorbene Pur-Schlagzeuger hatte bei den Paveiern ausgeholfen) vor Ort, kannte gar keinen der Musiker.

Aber er konnte Noten in Steno schreiben. Also trommelte Micky Brühl vor, Gokus schrieb mit und man legte los. „Ach, sagte ich, das Lied ist von Euch? Und das auch? Die kannte ich fast alle“, erinnert sich Gokus heute. Mittlerweile ist er seit 20 Jahren Mitglied der Gruppe. „Wenn man neu in so eine etablierte Band einsteigt, muss man schon Respekt an den Tag legen“, sagt er. Ohne eine Mütze voll Demut laufe man vor die Wand. „Detlef, Bubi und Klaus haben das allerdings auch sehr gut gemacht, sind auf die Neuen zugegangen. Auch später bei Sven. Klar, mit Mitte 30 hast du andere Probleme als mit Mitte 50, aber zusammen funktioniert das trotzdem.“

Sven Welter kommt als Gitarrist

Egoistische Alleingänge Einzelner könne sich aber unabhängig von der Altersstruktur keine Band leisten, das funktioniere nicht, sagt Gokus. Dazu gehört es auch, Aufgaben jenseits der Musik zu übernehmen. Bei Gokus ist das das operative Geschäft wie Termin- oder Finanzabwicklung, das er von Vorholt übernommen hat. Er macht, aber letztendlich entscheidet das Kollektiv. Aber zurück zu den Problemen, die immer wieder von guten Momenten übertüncht wurden. Klaus Lückerath erinnert sich an ein kreatives Arbeitswochenende auf Vorholts Boot: „Der Detlef summte oben auf Deck eine Melodie und Micky, der in der Kombüse Frikadellen briet, grölte direkt „Schön ist das Leben …“. Ich dachte nur o Gott, Hochdeutsch.“

Sven Welter mit E-Gittare und ein anderer Mann mit Akustik-Gitarre auf der Bühne

Sven Welter (r.) kam als Gitarrist und wurde Frontmann.

Aber es war so ein Augenblick, wo die alten Freunde ihr Hitpotenzial lässig aus dem Ärmel schüttelten. Dennoch blieben Unstimmigkeiten. Ende der 2000er Jahre reagierte man auf die sich intern schon seit Jahren abzeichnenden Differenzen zwischen Sänger Micky Brühl und dem Rest der Band, die sich immer wieder auch in schwachen Live-Auftritten manifestiert hatten. Um den Frontmann zu unterstützen, holte man 2010 Sven Welter als zweiten Sänger und zusätzlichen Gitarristen in die Band.

Da hatte ich wirklich die Hosen voll vor Nervosität.
Sven Welter

Der Zwei-Meter-Mann aus Hürth, Jahrgang 1980, kam über BAP zum Musikmachen: „Mit 14 sah ich Major Heuser und Wolfgang Niedecken den Song ‚Do kanns zaubere‘ spielen und war völlig hin und weg. Ich hatte bis dahin nur Grunge und Rockmusik gehört. Ich kaufte mir meine erste Akustik-Gitarre und nahm Unterricht.“ Die Paveier hatte er Jahre später das erste Mal 2003 in Mainz getroffen. „Die spielten wie Räuber und Höhner in der großen Rheingoldhalle, ich damals mit „De Junge“ im Foyer.“

Micky Brühl mit Cowboyhut und Gitarre.

Micky Brühl verabschiedete sich 2012 aus der Band.

Später war er dreieinhalb Jahre bei „De Stroßefäjer“. Am 1. Juni 2010 hatte Welter seinen ersten Paveier-Auftritt beim Festival „Kölle Olé“ am Fühlinger See – vor 30000 Leuten. „Da hatte ich wirklich die Hosen voll vor Nervosität.“ Zwei Jahre stand er hinter Micky Brühl in der zweiten Reihe, bevor dieser kündigte und am Karnevalsdienstag 2012 seinen letzten Auftritt mit den Paveiern in der „Lachenden Arena“ hatte.

Neues Kapitel mit Sven Welter

Eine Zeit lang kommunizierten Brühl und die Paveier nur über Anwälte, inzwischen haben die alten Freunde sich wieder angenähert. Und nachdem man kurzzeitig einen Ersatz für den Frontmann gesucht hatte, besann man sich auf den neu gewonnenen Zusammenhalt: Mit dem jungen Hünen Sven Welter begann ein neues Kapitel für die Band.


Zur Serie

1983 gründeten Bubi und Micky Brühl, Klaus Lückerath, Bodo Schulz und Detlef Vorholt die Paveier. Zum 40-jährigen Bestehen blicken wir auf bemerkenswerte Episoden aus der Bandgeschichte zurück. In der letzten Folge lesen Sie: „Der zweite Frühling der Paveier“.

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