Hass verbreitetKölner „Reichsbürger“ muss ins Gefängnis – und spricht von „Kriegsgefangenschaft“

Lesezeit 4 Minuten
Der Angeklagte beim Prozess im Kölner Amtsgericht

Der angeklagte „Reichsbürger“ beim Prozess im Kölner Amtsgericht

Rigoros griff ein Kölner Richter gegen einen Angeklagten aus der „Reichsbürger“-Szene durch, der Hass im Internet verbreitet hatte. 

Er sei seit mehr als 30 Jahren Richter, „aber so eine Verhandlung habe ich auch noch nicht erlebt“, sagte Rolf Krebber am Ende eines kuriosen Prozesses gegen einen sogenannten „Reichsbürger“. Den schickte der Vorsitzende wegen Beleidigung, Volksverhetzung und weiterer Vorwürfe am Freitag für anderthalb Jahre ins Gefängnis. „Das ist keine Haft, sondern Kriegsgefangenschaft“, äußerte der Angeklagte. Denn Richter Krebber sei gar nicht für ihn zuständig: „Wir haben keinen Handelsvertrag.“

Kölner Angeklagter lässt nur preußisches Recht gelten

Nur Staatsgerichte auf dem Hoheitsgebiet Preußen dürften sich mit ihm beschäftigen, hatte der 37-Jährige geäußert, nachdem ein Wachtmeister ihn auf Saal 29 des Kölner Justizgebäudes gebracht hatte. „Wir haben zwar keinen Vertrag, aber setzen können Sie sich ja trotzdem“, meinte der Richter. Der Angeklagte weigerte sich. Wie ein früherer Amtsgerichtspräsident würde auch Richter Krebber bald von amerikanischen Militärfahrzeugen abgeholt, meinte er. Krebber reagierte trocken: „Dann ist das so.“

Doch die Geduld des Richters hatte Grenzen, als der Angeklagte mehrere Zettel hervorkramte und diese vortragen wollte. „Das sind Berichte über die illegale Gefangenschaft, Deportation und einen Mordanschlag“, holte der 37-Jährige aus. Krebber wies daraufhin die Wachtmeister an, die Zettel zu konfiszieren. „Wollen Sie mir alle Knochen brechen?“, fragte der Mann die Beamten, als diese ihm die Papiere abnahmen. Danach wollte der Angeklagte frei reden und startete seinen Monolog.

Alles zum Thema Polizei Köln

Köln: Richter lässt „Reichsbürger“ aus dem Saal bringen

Die Staatsanwältin war bei der Verlesung der Anklageschrift zunächst nicht zu verstehen, da der Reichsbürger ihr permanent ins Wort fiel. Nach einer Androhung, die keine Wirkung gezeigt hatte, griff Richter Krebber daher zu drastischen Mitteln. Er verkündete nach Beratung mit den Schöffen den folgenden Beschluss: „Die Verhandlung wird in Abwesenheit des Angeklagten fortgesetzt.“ Der gebürtige Bergisch Gladbacher wurde daraufhin wieder in den Zellentrakt des Gerichts gebracht.

Ohne Zwischenrufe konnte die Staatsanwältin daraufhin die Vorwürfe vortragen, die sich mit Hetzschriften auf einer Internetseite beschäftigen. Den früheren Kölner Polizeipräsidenten Uwe Jacob hatte der Angeklagte auf seiner Homepage mit dem Titel „BRD-Nazijustiz“ als „Nazi-Terroristenchef“ bezeichnet. Juden stünden hinter der Verfolgung von Deutschen, Politiker würden heimlich Nazi-Deutschland fortführen und Richter seien „Nazi-Richter“, hieß es auf der Seite weiter.

Kölner Polizist: Amerikanisches Portal löscht Hetzschriften nicht

Beschäftigte in Behörden nannte der Angeklagte „Nazis der BRD-Firma“. Diese solle man vernichten, bevor sie es mit einem selbst täten. In einem Fax an das Jobcenter Rhein-Berg hatte der 37-Jährige deren Mitarbeiter als „Nazi-Schweine“ bezeichnet. Er werde alle mit in den Tod reißen, kündigte der Mann laut Anklageschrift an, der bereits mehrfach wegen ähnlicher Äußerungen vorbestraft war und im Gefängnis gesessen hatte. Im August war gegen ihn Untersuchungshaft angeordnet worden.

Seine Hassschriften hatte der Angeklagte über das Portal „Wordpress“ verbreitet. Die kalifornischen Betreiber hätten auf Anfragen der Polizei nicht reagiert, erklärte ein Beamter im Zeugenstand. Daher habe man auch nichts löschen lassen können. Dass der Angeklagte die Inhalte einstellte, sei aber offensichtlich, so habe dieser auch diverse Behördenschriftstücke veröffentlicht, darunter Anklageschriften und frühere Gerichtsurteile, die nur ihm zugestellt worden waren.

Kölner Richter sieht keinen Raum für Bewährungsstrafe

Nach der Erörterung der Vorwürfe ließ der Richter den Angeklagten erneut in den Saal führen. Äußern wollte er sich zur Anklage der Staatsanwaltschaft aber nicht. Stattdessen erklärte er, dass es sich bei der Ablichtung seines Personalausweises in den Akten um eine Fälschung handele. „Mama, hol bitte eine Aktenkopie und schick ein Fax an die Amerikaner, dass die mich hier aus der Kriegsgefangenschaft entlassen“, so sprach der Angeklagte eine Frau im Zuschauerraum an.

Richter Krebber verkündete danach die Haftstrafe, „für eine Bewährung gibt es keinen Grund“. Als erstaunlich bezeichnete es Krebber, dass der Angeklagte zwar den deutschen Staat ablehne, was aber offenbar nicht für dessen Sozialleistungen gelte: „Dann wird beleidigt und gedroht.“ Die Seite des Angeklagten im Internet verglich Krebber mit der Nazi-Zeitung „Der Stürmer“, er sprach von „widerlicher antisemitischer Hetze“. Der Reichsbürger kann Berufung gegen das Urteil einlegen.

KStA abonnieren