Phantasialand-Ausflug, Gin-Stand oder kostspielige Betriebsfeiern: Die Staatsanwaltschaft leitet wegen der Ausgaben der Stadt ein Verfahren ein.
Ausgaben der Stadt KölnStaatsanwaltschaft leitet Verfahren zur Verwendung von Steuergeld ein

Die Oper spielt seit Jahren im Interim im rechtsrheinischen Staatenhaus.
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Der Wirbel um Betriebsfeiern und Feste eines Teils der Kölner Stadtverwaltung auf Kosten der Steuerzahler hat die Justiz erreicht. Auch aufgrund der Berichterstattung im „Kölner Stadt-Anzeiger“ hat die Staatsanwaltschaft von Amts wegen ein sogenanntes Vorprüfverfahren eingeleitet. „Der Sachverhalt ist uns bekannt, wir sind damit befasst“, bestätigte Behördensprecher Sinan Șengöz auf Anfrage.
Demnach handele es sich um eine Vorstufe zu Ermittlungen. „Es wird derzeit geprüft, ob die Voraussetzungen für den Anfangsverdacht einer Straftat vorliegen“, sagte Șengöz. In Frage käme etwa der Tatbestand der Untreue.
Beitrag im Intranet als Ausgangspunkt
Wie lange die Vorprüfung dauere, sei nicht abzusehen, sie könne „eine geraume Zeit“ in Anspruch nehmen, sagte Șengöz. Fände die Staatsanwaltschaft ausreichend Hinweise auf ein „strafrechtlich relevantes Handeln“, würde ein reguläres Ermittlungsverfahren eingeleitet.
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Laut NRW-Steuerzahlerbund sieht das Steuerrecht vor, dass eine Stadt für maximal zwei Betriebsveranstaltungen pro Jahr pro Arbeitnehmer insgesamt 110 Euro ausgeben darf. Laut städtischem Rechnungsprüfungsamt (RPA) sind einige der von ihm geprüften Ausgaben möglicherweise nachträglich steuerpflichtig.
Wie berichtet, hatte der Antikorruptionsbeauftragte der Stadt am 10. Oktober 2024 im Intranet explizit auf die Möglichkeit hingewiesen, dass die Verwendung städtischer Mittel etwa für Karnevals- und Weihnachtsfeiern oder ähnliche Veranstaltungen nicht erlaubt sei.
Reker spricht von Verunsicherung
Ein Missbrauch, auch in kleinen Beträgen, stellt laut des Beauftragten „eine Veruntreuung öffentlicher Gelder“ dar und kann „damit den Strafbestand der Untreue sowie des Betruges verwirklichen“. „In den meisten Fällen“ kann es zu einer Anzeige bei der Staatsanwaltschaft führen.
Diese Mitteilung führte laut Oberbürgermeisterin Henriette Reker (parteilos) zu Verunsicherung und decke sich nicht mit der langjährigen gelebten Praxis in vielen Dienststellen.
Laut Prüfern ist überwiegend alles unauffällig
Das Rechnungsprüfungsamt prüfte danach stichprobenartig 70 Buchungen, 20 wiesen „Auffälligkeiten“ auf. Das RPA urteilte: „Überwiegend erfolgt der Einsatz städtischer Mittel ohne Auffälligkeiten.“ Die Ausgaben unterschieden sich je nach Dezernat und Amt, „in der Regel“ bezahlten die Mitarbeitenden selbst.
Doch vor allem die städtischen Bühnen (Oper, Schauspiel, Tanz, Sanierung am Offenbachplatz) fielen negativ auf: Sie gaben in drei Jahren für 17 Feste insgesamt 178.200 Euro aus.
Kollegen sind sauer auf die Bühnen
Innerhalb der Stadtverwaltung herrscht vielfach eine Mischung aus Verwunderung und Unverständnis über das „offenbar fehlende Unrechtsbewusstsein einiger Kolleginnen und Kollegen“ aus anderen Ämtern – gelinde ausgedrückt. Man könnte auch sagen: Manchen schwillt der Kamm, beispielsweise darüber, dass das Verkehrsdezernat mit 16 Leuten ins Phantasialand fuhr und sich die Kosten von 960 Euro erstatten ließ.
„Wenn ich höre, dass da welche auf Kosten der Steuerzahler ins Phantasialand gehen oder sich ihre Sommerfeste und Betriebsausflüge bezahlen lassen, kriege ich wirklich zu viel“, sagt ein Mitarbeiter aus der Stadtverwaltung.
Führungskräfte geben Geld dazu
In seiner Dienststelle etwa sei es üblich, dass Betriebsausflüge privat organisiert und bezahlt werden. Feiern wie Sommerfeste würden von der Stadt bezuschusst in Höhe von ungefähr zehn bis 15 Euro pro Mitarbeiter. Zusätzlich gäben die Führungskräfte Geld aus eigener Tasche dazu, der Rest werde als Eigenanteil von den Mitarbeitenden getragen.
In anderen Ämtern gebe es „Spartöpfe“, in die die Belegschaft das ganze Jahr über aus privater Tasche einzahlt und aus denen am Ende des Jahres die Weihnachtsfeier bezahlt werde, erzählt eine Mitarbeiterin.
Frühlingsfest mit „XXL Mensch ärgere dich“
Wie berichtet, hatte beispielsweise das Frühlingfest der Bühnen mit geschätzt 450 Teilnehmern am 23. Mai 2022 insgesamt 28.629,92 Euro gekostet. 26.507,25 Euro fielen für unter anderem Getränke und Speisen an, weitere 2183,65 Euro für unter anderem einen „Human Kicker XXL“ oder ein „XXL Mensch ärgere dich“. Zusätzlich zu den 28.629,92 Euro zahlten die Mitarbeitenden 7895,87 Euro als Kostenbeteiligung.
Für besonderen Unmut bei einem langjährigen Beamten sorgt die Rechtfertigung der Bühnen. Die Geschäftsleitung hatte die Notwendigkeit für solche Feste unter anderem mit der Berichterstattung zur verzögerten Sanierung am Offenbachplatz begründet: „Die fortwährend im Baukontext transportierte öffentliche Empörung wirkt sich spürbar negativ auf das Betriebsklima aus und belastet die Mitarbeitenden.“ Die Leitung sprach von „Zumutungen“ für die Mitarbeitenden.
„So eine Aussage finde ich unfassbar“
„So eine Aussage finde ich unfassbar. Wenn es nicht so ernst wäre, müsste ich darüber lachen“, sagt der Beamte aus einer städtischen Dienststelle mit Bürgerkontakt. „Wir werden bei unserer Arbeit immer wieder persönlich beleidigt, bedroht oder angepöbelt, eine Kollegin wurde letztens angespuckt – das nenne ich eine besondere Belastung.“
Laut der Bühnen-Chefs sind die Budgets zum Teambuilding besser eingesetzt als „durch nachträgliches Konfliktmanagement“.
Reker hatte im Intranet schon am 17. Oktober eine neue Richtlinie angekündigt. Diese Woche teilte ihr Sprecher Alexander Vogel mit, das neue Regelwerk komm „in Kürze“.
Bezirksregierung schaltet sich nicht ein
Nach Informationen des „Kölner Stadt-Anzeiger“ stand zuletzt im Raum, dass pro Mitarbeiter und Mitarbeiterin jährlich zehn Euro Budget für solche städtischen Feiern möglich sind. Entschieden ist das aber noch nicht.
Besonders im Fokus stehen die Ausgaben aus der Vergangenheit, weil die Stadt sich aktuell in einer Haushaltkrise befindet und sparen muss. Die Bezirksregierung Köln als Aufsichtsbehörde hatte den Haushalt für 2025 und 2026 Ende März zwar genehmigt, aber von der Stadt gefordert, „die Konsolidierungsbemühungen noch deutlich zu verstärken“.
Auf Anfrage sagte ein Sprecher der Bezirksregierung zu dem RPA-Bericht über die städtischen Ausgaben: „Es handelt sich grundsätzlich nicht um einen Fall, den die Kommunalaufsicht aufgreifen muss.“ Erst wenn die Stadt gegen geltendes Recht verstoße, dürfe die Behörde tätig werden.