„Stier von Wanne-Eickel“71-jähriger Kölner schon wieder auf der Anklagebank

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Der Angeklagte Helmut P. beim Prozess im Kölner Amtsgericht. 

Köln – Er ist ein Stück Kölner Justizgeschichte und das ist alles andere als ein Kompliment. Wieder, wie so oft, saß der inzwischen 71-jährige Helmut P. auf der Anklagebank im Kölner Justizgebäude und wieder waren nur die anderen schuld. „Alles Blödsinn“, sagte der selbsternannte Südstadt-Detektiv als Angeklagter zu den neuen Vorwürfen der Staatsanwaltschaft, die ihm einen gemeinen Betrug zum Nachteil eines gutgläubigen Senioren vorwirft.

Arglosem Senior die goldene Uhr abgeluchst?

Im aktuellen Fall soll Helmut P. einen arglosen 82-Jährigen im Bereich der Alteburger Straße angesprochen und ihn zum Kaffee eingeladen haben. Als der Mann freimütig von seiner goldenen Armbanduhr und einer seit Jahrzehnten in seiner Wohnung befindlichen Waffe erzählt hatte, soll P. hellhörig geworden sein. Beide Gegenstände sollen laut Staatsanwältin den Besitzer gewechselt haben, womit ein Betrug und ein Verstoß gegen das Waffengesetz erfüllt seien.

Im Zeugenstand berichtete das mutmaßliche Opfer, Helmut P. habe ihm angeboten, die Armbanduhr schätzen zu lassen, daher habe er sie dem Mann überlassen. Einen Tag später brachte P. die Uhr ins Pfandhaus und kassierte 1300 Euro. „Ich habe dem schon 800 Euro anbezahlt“, sagte der Angeklagte zu seiner Verteidigung, was der Zeuge vehement verneinte. Lediglich der Wert der Uhr habe ihn interessiert, verkaufen habe er sie nicht wollen, sie sei eine Erinnerung an eine verstorbene Freundin.

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Der Zeuge berichtete von seiner Zeit im Zuchthaus in der DDR und wie er vor 50 Jahren als Zonenflüchtling nach Köln kam. Ein Vertrauter habe ihm eine Pistole besorgt, eine Reck mit Kaliber 6,35 Millimeter und Munition. Zur Sicherheit, falls die Stasi nach ihm suchen würde. Er sei erleichtert gewesen, dass P. die längst ungeliebte Waffe an sich genommen und angeboten habe, sie bei der Kripo abzugeben. Als Privatdetektiv habe er entsprechende Kontakte.

Helmut P. übernimmt Zeugenbefragung selbst

Akribisch, so schien, hatte sich Helmut P. auf seinen Auftritt vor dem Amtsgericht vorbereitet. Während der Zeugenvernehmung blätterte er immer wieder in einem Aktenordner und meldete sich unaufgefordert zu Wort. „Sie sind noch nicht dran“, sagte Amtsrichterin Andrea Fuchs. Als er dran war, legte Helmut P. los und ließ seinen Verteidiger wie einen Assistenten wirken. „Haben Sie gesundheitliche Probleme? Auch mit der Erinnerung?“, fragte er unverblümt.

Der Zeuge hatte ausgesagt, dass er den Angeklagten trotz offenbar gleicher Stammkneipen in der Südstadt und im Severinsviertel nicht gekannt haben will. Erst als er im Brauhaus die Geschichte vom „netten Helmut“ und der goldenen Uhr erzählt habe, hätten seine Bekannten die Hände über dem Kopf zusammengeschlagen. „Das ist doch ein Betrüger“, hieß es da, woraufhin der 82-Jährige zur Polizei gegangen war. „Wir kannten uns seit 30 Jahren“, sagte Helmut P. hingegen über den Zeugen.

1993 durch Scheibe im Gerichtsgebäude gesprungen

Bekannt ist Helmut P. tatsächlich, aber hauptsächlich in Justizkreisen. Noch heute erzählen altgediente Mitarbeiter im Kölner Gericht davon, wie der Mann im Jahr 1993 bei einer Urteilsverkündung gegen ihn durch eine dreifach verglaste Scheibe im zweiten Stock sprang und einfach weg war. Es war nicht seine erste Flucht. Der „Stier von Wanne-Eickel“, wie der einst bullige Boxer genannt wurde, zementierte damit seinen Ruf als „Kölner Ausbrecherkönig“.

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„Sie können es nicht lassen“, hatte ein Richter mal zu Helmut P. gesagt, der fast 30 Jahre in Haft saß. Wegen gefährlicher Körperverletzung, Nachstellung und Beleidigung hatte das Landgericht ihn im Februar 2018 zu drei Jahren Gefängnis verurteilt, die er derzeit absitzt. Die Staatsanwaltschaft hatte sechs Jahre Haft gefordert, doch der Richter wollte P. eine Perspektive geben. Danach, noch vor Haftantritt, soll es zu den neuen Taten gekommen sein.

Nur eingeschränkt verhandlungsfähig

Ein Urteil erging im Amtsgericht noch nicht, der Prozess wurde vertagt, da P. laut Ärzten aufgrund von Herzproblemen nur vier Stunden pro Tag verhandlungsfähig ist. Er wolle länger verhandelt, und theoretisch „kann ich auch nach drei Stunden tot umfallen“, sagte er zur Richterin. Der Transport aus der JVA zum Gericht belaste ihn am meisten.

Doch Mitleid kann Helmut P. sicher nicht erwarten. „Er hätte Kuchen mitbringen sollen, denn heute sitzt Herr P. das letzte Mal auf der Anklagebank. Er geht in Ruhestand“, hatte der mittlerweile verstorbene Kölner Star-Anwalt Reinhard Birkenstock im Jahr 2012 über seinen berüchtigten Mandanten gesagt. Birkenstock sollte sich irren.

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