Köln-UmfrageZu wenig Schulen für viele Kinder

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Schule

Dutzende Schulen werden mittelfristig in Köln fehlen.

  • Im Jahr 2021 werden voraussichtlich 11 000 i-Dötzchen in Köln eingeschult werden.
  • Allerdings gibt es längst nicht genug Schulen in der Stadt. Die Verwaltung hinkt beim dringend nötigen Schulbau hinterher.
  • Ein Riesenproblem für Eltern und Kinder in der rasant wachsenden Stadt. Dabei gäbe es für das Problem Lösungen.

Köln – Vielleicht macht nichts das grundsätzliche Problem deutlicher als dieses: Auch drei Jahre nachdem die Kölner Geburtenzahl erstmals über die Marke von 11.000 Geburten im Jahr kletterte, muss die Kölner Bildungsverwaltung immer noch mit einer Bevölkerungsprognose arbeiten, die nichts mehr mit den Realitäten der wachsenden Stadt zu tun hat. Ende dieses Jahres soll die „überarbeitete Prognose“ endlich vorliegen. Schwerfällig hinkt die Stadt der Dynamik des Wachstums hinterher. Dabei ist das Aufschreiben belastbarer Zahlen für die Schulplanung alles andere als hohe mathematische Kunst.

Immer mehr Kinder werden in Köln geboren

In drei Jahren kommt der erste der 11-000er-Rekordjahrgänge ins erste Schuljahr. Das sind über 1500 Kinder mehr als im aktuellen Schuljahr. Keiner weiß bislang, wo diese Kinder lernen werden. Rechnet man ein bisschen weiter, kann einem schnell schwindelig werden. Auch 2016 und 2017 stieg die Geburtenzahl weiter. Und nichts deutet darauf hin, dass sich das bald wieder ändern wird.

Hinzu kommen die Kinder der gut ausgebildeten Fachkräften, die in die Stadt drängen, aber auch die Flüchtlingskinder, um die man sich mit zusätzlichen, besonderen Angeboten kümmern muss. Es sind tatsächlich Tausende Kinder im Anmarsch auf Kölns Schulen, für die es bislang keine Plätze gibt. Schuldezernentin Agnes Klein glaubt, dass die Stadt in den nächsten Jahren über 40 neue Schulen bauen müsste, darunter allein 23 Grundschulen.

Einiges ist zwar zur Beschleunigung der Prozesse auf den Weg gebracht worden – doch zu neuen bezugsfertigen Gebäuden hat das kaum geführt. Neue Klassen entstanden in Provisorien, Containern oder in dafür umfunktionierten Räumen bestehender Schulgebäude, die eigentlich für andere Zwecke errichtet wurden. Viele Bildungseinrichtungen klagen darüber, dass sie aus allen Nähten platzen. Hinzu kommt der Sanierungsstau, der schleppend abgearbeitet wird, weil es der Verwaltung an Personal und freien Kapazitäten fehlt.

Ineffiziente Verwaltung

Bei der Köln-Umfrage des „Kölner Stadt-Anzeiger“ ist das Thema „Ineffiziente Verwaltung“ hinter dem Wohnungsbau und dem „politischen Klüngel“ auf dem dritten Platz gelandet. Mehr als 20.000 Leser hatten sich an der Online-Umfrage beteiligt und die drängendsten Probleme der Stadt priorisiert. 

Die Probleme haben auch mit mühsamen Entscheidungsprozessen zu tun, für die nicht nur die Verwaltung mit ihren bürokratischen Strukturen verantwortlich ist. Auch die Politik hat Nachholbedarf: Man hat nicht den Eindruck, dass allen der Ernst der Lage klar ist. Anders sind Standortdebatten oder die Rücksichtnahme auf Befindlichkeiten von Lehrern und Eltern in Kleinstschulen nicht zu erklären. Um mit dem Mangel umgehen zu können, muss es eine gesamtstädtische Planung auf der Basis verlässlicher Zahlen geben.

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Auch wenn die noch nicht vorliegen, hat die Bildungsverwaltung ihren Schulentwicklungsplan überarbeitet. Er versucht, weitere drängende Fragen zu beantworten: Wie kann die Stadt die immer weiter steigende Nachfrage nach Gesamtschulplätzen befriedigen, damit nicht weiterhin Hunderte Kinder abgewiesen werden? Wie stemmt sie die Rückkehr zu G9, also zum längeren Weg zum Abitur an den Kölner Gymnasien? Die Schulverwaltung geht davon aus, dass nur wenige Schulen – möglicherweise sogar keine einzige – beim Turbo-Abi G8 bleiben wollen. Zurzeit laufen die Abstimmungen in den Schulkonferenzen. Die Rückkehr zu G9 bedeutet, dass schon jetzt – also lange vor dem Sturm der geburtenstarken Jahrgänge auf die weiterführenden Schulen – weit über 200 neue Klassenräume nötig sind.

Zahl der Fehlstunden steigt

Die Stadt ist für die Gebäude zuständig, das Land für das, was darin stattfindet. Auch im Zuständigkeitsbereich der Landesregierung dürfte manche ungelöste Herausforderung zu finden sein, die Teilnehmer an der Umfrage des „Kölner Stadt-Anzeiger“ dazu bewegt hat, hier eine hohe Punktzahl abzugeben. So ist Köln zwar in Sachen Lehrermangel besser dran als andere NRW-Kommunen, doch auch hier steigt die Zahl an Fehlstunden und an „Lehrkräften“, die nicht für diese Aufgabe ausgebildet wurden. Besonders betroffen sind die Grundschulen, von denen viele ohne Leitung sind. In diesem Jahr blieben 13 Leiterstellen unbesetzt.

Ideen für die Zukunft

Ein anderer Umgang mit dem eigenen Besitz

Dass die Gesamtschule Innenstadt das ehemalige Völkerkunde-Museumsgebäude am Ubierring nutzen wird, ist ein gutes Zeichen. Die Stadt muss anders mit ihrem Besitz umgehen und schauen, wie man mit das, was man hat, effizient  einsetzt. Da darf man auch schon mal von der reinen Lehre abweichen. Die Umwandlung von Bürogebäuden und Gewerbeimmobilien ist denkbar. Kleinere Gebäude können zu Dependancen bestehender Schulen werden. Berufskollegs lassen sich an den Stadtrand verlegen, damit ihre zentralen Häuser für Pflichtangebote genutzt werden können. Sterbende Schulen müssen auslaufen, weil nachgefragte Bildungsangebote ihre Gebäude brauchen. Es darf nicht sein, dass Eltern und Lehrer Zukunftsplanungen behindern können, von denen ihre Kinder gar nicht betroffen sind. Auch der Widerstand  gegen Oberstufenzentren, in denen Schüler benachbarter Gymnasien zusammen Abitur machen, muss überwunden werden.

Mehr Rückendeckung durch die Politik

Eigentlich ist es eine Binsenweisheit: Neue Schulen brauchen Flächen, große Schulen große Flächen. Doch wenn es drauf ankommt, scheut die Politik die Auseinandersetzung vor Ort, wo man den Bürgern, die auch klitzekleine Freiflächen erhalten wollen, das gesamtstädtische Interesse erklären muss. Die Debatte um einen gut angebundenen möglichen Schulstandort in Müngersdorf lässt nicht vermuten, dass die Politiker den Ernst der Lage verstanden haben. Hier wurde die Verwaltung ausgebremst. Im Fall der neuen Gesamtschule für den Stadtbezirk Lindenthal hat sie im vorauseilenden Gehorsam gar nicht mehr gefragt. Anstatt die Schule auf zwei weit entfernte Standorte aufzuteilen, hätte man am Militärring eine kleine Grünfläche für eine Erweiterung nutzen können.  In anderen wachsenden Großstädten wie München oder Hamburg lassen die Politiker den Verwaltungen mehr Spiel- und Gestaltungsraum. Dort geht es tatsächlich schneller als in Köln – ohne neue privatwirtschaftliche Organisationsformen zu erfinden. 

Ohne Provisorien geht es nicht

Mit dem Start der Gesamtschule in Vogelsang hat die Stadt bewiesen, dass sie tatsächlich in der Lage ist, Tempo zu machen und ohne Plan B eine große Schule an den Start zu bringen. Mehr davon! Dafür braucht man Provisorien in Modulbauweise und kluge Zwischenlösungen. München hat so in den vergangenen drei Jahren Dutzende Schulen auf den Weg gebracht. 

Mehr Freiheiten für die wachsende Stadt

Das Land muss Regelungen finden, die den Herausforderungen Kölns als wachsende Großstadt gerecht werden. Köln muss mehr selbst entscheiden können, zum Beispiel über die Gründung kleinerer Gesamtschulen.

Kooperation statt Kleinstaaterei

Es gibt aber auch Bereiche, in denen mehr Druck vom Land hilfreich wäre. So ist die angestrebte Kooperation zwischen Köln und Pulheim über eine gemeinsame Nutzung des Angebots der Schulen in Brauweiler geplatzt. Das Land muss Anreize schaffen, aber auch interkommunale Kooperationen erzwingen. So könnten  neue Flächen am Stadtrand für große Schulbauten erschlossen werden. Stadt und benachbarte Kommunen könnten gemeinsam bauen oder sich gegenseitig als Mieter aufnehmen. 

Das läuft bereits

Zu diesem Schuljahr sind ein neues Gymnasium und zwei neue Gesamtschulen an den Start gegangen. In Sülz  und Müngersdorf soll eine Gesamtschule mit zwei Standorten zum kommenden Schuljahr starten. In Dellbrück wird von der Verwaltung eine weitere Neugründung vorbereitet.   Um auf akute Notlagen zu reagieren, setzt die Stadt auf die Bildung sogenannter Mehrklassen und Zügigkeitserweiterungen an bestehenden Schulen. Diese sind nicht begeistert, sollen doch mehr Schüler betreut werden, ohne das für sie Neues gebaut wird. 

An vielen Stellen wird gebaut, saniert und repariert. In Höhenhaus baut die Stadt eine große Gesamtschule selbst, an anderem Standorten setzt man auf neue Kooperationsformen mit Privaten. Die Politik hat versucht, mit Beschleunigungsprogrammen dafür die Voraussetzungen geschaffen. Ob diese nicht unumstrittenen Formen der Zusammenarbeit tatsächlich schnelle Erfolge bringen, ist noch nicht ausgemacht. Hoffnungen verbinden sich auch mit der Reform der Gebäudewirtschaft.

Die Verwaltung hat ihren Schulentwicklungsplan überarbeitet und darin zahlreiche Projekte benannt, mit denen Hunderte Schulplätze geschaffen werden können. Einige Vorschläge für Standorte sind neu und eröffnen neue Perspektiven. Gelernt hat die Stadt aus den Erfahrungen mit Neubauprojekten, wo heute Familien nicht wissen, wo ihre Kinder zum Lernen hingehen sollen. Bei zukünftigen großen Siedlungsprojekten werden Grund- und weiterführende Schulen mitgeplant.  

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