Ein Fest wie keines zuvorWie Kölner Weihnachten 2020 feiern

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Weihnachten 2020 ist ein ganz besonderes Fest.

Köln – Weihnachten ist  das Feiern von Christi Geburt, das Fest der Nächstenliebe, das man gemeinsam mit der Familie und den Liebsten verbringt. Das bedeutet oft eine große Nähe, die die Pandemie den Menschen in diesem Jahr nimmt. Kölner erzählen, inwiefern das Corona-Virus ihr Fest zu besonderen Tagen macht.

Rekordergebnisse in Sachen Weihnachtsgans

Tim Tihon schaffte es in den letzten Tagen kaum, sich mal mehr als drei Meter vom Telefon zu entfernen, da klingelte es bereits wieder. Für Koch Pichai Kaewsalee waren die vergangenen Wochen Stress hoch drei. Dabei hatte das Restaurant L’asiatico anfangs gar nicht vor, einen Lieferservice anzubieten, erklärt Geschäftsführer Tihon. Doch die südamerikanisch-asiatisch ausgerichtete Fusion-Küche des Lokals auf der Luxemburger Straße ist extrem gefragt, und Ramensuppen sowie Bowls mit Lachswürfeln oder geschmortem Rindfleisch gehen weg wie warme Semmeln, womit bewiesen wäre: Nicht nur Gänse waren in der Adventszeit die Favoriten. Im Rodenkirchener Haus Berger war der Weihnachtsklassiker so gefragt, dass man das Gänsetaxi Anfang Januar weiterfahren und neben dem Geflügel unter anderem Rehragout ausliefern wird. „Ich glaube, dass wir über den 10. Januar geschlossen bleiben müssen“, sagt Bernhard Berger, der wie viele andere Gastronomen versucht, die Schließung des Restaurants kreativ zu kompensieren, indem er alternativ zur Gans erstmals Kaninchen von einem Eifler Hof angeboten hat. „Das ist auch richtig toll eingeschlagen.“

Gans Gänsebraten Excelsior Hotel Hanse-Stube

Gänsebraten

Christoph Paul stand am Mittwoch noch richtig im Endspurt, und das mit neun Schrauben im Fuß als Folge eines Leitersturzes. Gleichwohl hat der Inhaber von Paul’s Restaurant Rekordergebnisse eingefahren. „Wir haben über 1000 mal Gans verkauft“, manche Gäste hätten das Geflügel, das er von einem Bauern im Elsass bezieht, sogar „vier oder fünfmal bestellt“. Nun freuen er und seine Frau sich auf geruhsame Weihnachtstage. (she)

Freiwillige  Quarantäne vor dem Fest

Tausende Kölner müssen Weihnachten in Quarantäne verbringen, mit Sicherheit mindestens ebenso viele sind aber vor den Festtagen freiwillig in häusliche Isolierung gegangen. Keine Freunde treffen, keine Einkäufe, Arbeit nur noch aus dem Homeoffice,  im Grunde nicht mal aus der Tür – außer vielleicht nachts eine Runde um dem Block drehen: So sah in den vergangenen Tagen das Leben vieler Kölner aus. Es  war für die meisten die einzige Möglichkeit, guten Gewissens ihre Eltern, Großeltern oder Geschwister an den Feiertagen zu treffen. Die Schlangen vor den Teststationen zeigen: Wenn es um den Schutz der eigenen Familie geht, wollen die Kölner auf Nummer sicher gehen. Es ist wahrscheinlich die größte Tücke dieses  Virus, dass niemand weiß, wo es überall lauert. Wer am 23. Dezember noch schnell in den Supermarkt geht oder zur Post und sich dort infiziert, könnte ein paar Tage danach den geliebten Opa anstecken und zwei Wochen später dessen Tod verursachen. Im Einzelfall erscheint dies höchst unwahrscheinlich. Aber es ist eben doch so ähnlich schon oft genug vorgekommen, als dass  man dieses Risiko eingehen wollte.

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Die Quarantäne-Lust vor Weihnachten zeigt aber auch, dass es schon an die eigene Familie gehen muss, bevor Appelle der Kontaktreduzierung endlich auf offene Ohren stoßen. Die Tücke des Coronavirus ist nämlich auch, dass man über mehrere Ecken auch des Kollegen geliebten Opa anstecken kann oder die Schwester der Bäckerei-Verkäuferin. Das Virus kennt nämlich keine Familie. Und trotzdem war es vielen lange genug einfach egal. (hol)

Gottesdienst daheim

Viele Kölner Kirchen werden an diesem Heiligen Abend nun doch leer bleiben.  Obwohl zunächst vor allem die katholischen Gemeinden an nach strengen Hygienekonzepten organisierten Präsenzgottesdiensten festhalten wollten,   ging man nun doch in vielen Gemeinden auf die Bitte der Landesregierung ein, komplett auf Online-Formate umzusteigen.  Neben einem Großteil der evangelischen Gemeinden entschlossen sich etwa auch die katholischen Gemeinden  in Ehrenfeld, Ossendorf und Bickendorf  dazu, alle Präsenzgottesdienste abzusagen.  Wer sicher gehen will, wie in seiner Gemeinde entschieden wurde, sollte sich  kurzfristig  auf den Internetseiten  der Gemeinde informieren. Ersatzweise wird am Heiligen Abend aus sehr vielen Kirchen gestreamt. Einige Gemeinden versuchen,  mit kreativen Konzepten die Weihnachtsbotschaft trotzdem  analog zu den Menschen zu bringen: In Ehrenfeld zieht der evangelische Pfarrer Stefan Dross am Heiligabend  musizierend durch die Straßen. Er  erteilt den Menschen an den Fenstern und Balkonen einen weihnachtlichen   Fenstersegen und liest die Weihnachtsgeschichte. In Bickendorf gibt es  unter dem Motto „Mach’s Fenster auf, das Christkind kommt“ an bestimmten Stationen  im Veedel ein Krippenspiel, das die Menschen vom Fenster oder Balkon aus verfolgen können. Ansonsten heißt vielerorts das  Konzept: einfach  selbst im Kreis der Familie Gottesdienst feiern. Einige  Gemeinden haben  Anleitungen für Hausandachten  am heimischen Tannenbaum  verteilt. (ari)

 Trotz hoher Inzidenzen finden in Kirchen immer noch Präsenzgottesdienste statt.

 Trotz hoher Inzidenzen finden in Kirchen immer noch Präsenzgottesdienste statt.

Allein gemeinsam Singen

 Weihnachten ist  das Feiern von Christi Geburt, das Fest der Nächstenliebe, das man gemeinsam mit der Familie und den Liebsten verbringt. Das bedeutet oft eine große Nähe, die die Pandemie den Menschen in diesem Jahr nimmt.  Allein oder im engsten Familien- oder Freundeskreis bedeutet das aber nicht, dass man alle Rituale aufgeben sollte. Singen zum Beispiel. Selbst Menschen, die nie singen, tun das  an Weihnachten. Alle anderen sowieso.  Und was ist schöner, als ein zur Orgel von der Gemeinde geschmettertes „Oh, du Fröhliche“? Verboten jetzt, aber  das gemeinschaftliche Singen sollten wir uns nicht nehmen lassen von einem biestigen Virus. Ein Corona-konformes „Stille Nacht“ von den Balkonen dieser Stadt, ein „O Tannenbaum“ aus den Fenstern und Gärten. Der Schall trägt weiter als die Aerosole, und mit den Nachbarn verabreden kann man sich per Telefon oder übers Netz. „Far away, so close...“ (stef)

Virtueller Familienabend

Trotz Schnelltests und Vorquarantäne: Viele Kölner Familien haben sich am Ende nach langen Debatten doch  entschieden, aus Sicherheitsgründen auf die weihnachtliche Feier mit den Großeltern zu verzichten, obwohl dies durch die Coronaschutzverordnung gedeckt wäre. Sechs von zehn Menschen erwarten laut einer Umfrage der GfK-Gruppe in diesem Jahr keinen Besuch. Kontakt gehalten wird über Videotelefonie: Über zwei Drittel aller internetnutzenden Deutschen wollen am Heiligen Abend  per Zoom, Skype oder Facetime  Opa und Oma ins Wohnzimmer holen, um eine Infektion  auszuschließen. So  auch die Kölner Familie Parastar-Wiese: Ein Großelternpaar  lebt in Hamburg, das andere in Teheran. Aufgrund der Pandemie-Situation haben die dortigen Großeltern seit Februar quasi das Haus nicht verlassen, Nichte und Neffe sind seit Februar im digitalen Homeschooling. Am Heiligabend ist ein Videotelefonie-Marathon angesagt.  Erst versammelt sich die Iran-Köln-Connection per Whatsapp-Telefonie vor dem Bildschirm. Das Kölner Paar ist  mit Sohn und Tochter (15 und 12) aus Köln zugeschaltet und trifft Oma, Opa, Tante, Onkel, Nichte und Neffen in Teheran. Danach geht die digitale weihnachtliche Reise weiter. Per Skype ins Hamburger Wohnzimmer zu den anderen Großeltern, wo sich neben Schwester und Schwager auch eine Tante aus Karlsruhe dazu schaltet. „So viel Verwandtschaft auf einmal haben wir noch nie an Weihnachten getroffen“, meint Anahita Parastar. (ari)

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