Urteil gefallenVierfache Mutter aus Köln tötete Baby kurz nach der Geburt

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Die 37-Jährige muss für fünfeinhalb Jahre wegen Totschlags ins Gefängnis. Links Verteidigerin Barbara Schafgan-Herrmann.

Köln – Eine vierfache Mutter verheimlicht ihre fünfte Schwangerschaft, sie bringt den Säugling auf der Toilette zur Welt und tötet ihn direkt im Anschluss. Am nächsten Tag legt sie die Leiche des Kindes vor einer Babyklappe in Bilderstöckchen ab. „Es ist ein Verfahren, das uns berührt und nachdenklich zurücklässt“, sagte am Freitagabend der Vorsitzende Richter Achim Hengstenberg im Landgericht. Für fünfeinhalb Jahre schickte er die 37-Jährige wegen Totschlags durch Unterlassen ins Gefängnis. Erschütternd detailreich erklärte der Richter den Verlauf des Verbrechens.

Vergangenen März habe die Angeklagte ihren anschwellenden Bauch bemerkt und eine erneute Schwangerschaft vermutet. Wie bei den Kindern zuvor sei sie davon überrascht gewesen. Als sie im Mai schließlich bei der Frauenärztin nach einem Ultraschall die offizielle Bestätigung bekommen hatte, habe sie ihrem Mann davon berichtet. „Wo vier Kinder groß werden, da werden auch fünf groß“, habe der gesagt. Doch dann sei sie zurückgerudert und habe die Legende einer Scheinschwangerschaft aufgebaut.

Tot vor Kölner Babyklappe: Mutter verheimlicht Schwangerschaft

Der Schwangerschaftstest habe ein falsches Ergebnis angezeigt, log die Kölnerin ihrem Ehemann vor, vielmehr habe sich in ihrer Gebärmutter eine Blase aus Blut und Wasser gebildet. Die würde irgendwann vom Körper abgestoßen. Der Mann, die vier Kinder im Alter zwischen neun und 17 Jahren, weitere Verwandte und Bekannte glaubten das Märchen. An einem Sonntag im Juli setzten schließlich die Wehen ein. Im Badezimmer und auf der Toilette sitzend habe die Angeklagte einen Jungen geboren und mit einer Nagelschere die Nabelschnur durchtrennt.

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Das Baby wickelte die Frau laut Urteilsbegründung in eine Mülltüte und ein Handtuch und legte es in einen Kleiderschrank. „Ihnen war bewusst, dass Sie so den Tod des Kindes herbeiführen“, führte Richter Hengstenberg weiter aus. Größere Blutspuren im Bad entfernte sie. Die Nachgeburt hatte die Angeklagte danach aus der Toilette geholt, sie in eine Dose mit Deckel gelegt und auf dem Balkon positioniert, um sie später dem Ehemann zum Beweis der geplatzten Blase zu zeigen. Der habe sich diese aber ausdrücklich nicht anschauen wollen.

Staatsanwalt hatte neun Jahre Haft für Mutter gefordert

Bis zum nächsten Morgen habe die Angeklagte gewartet, der Mann war zur Arbeit und die Kinder zur Schule aufgebrochen, bis sie den mittlerweile toten Säugling wieder aus dem Schrank geholt und mit dem Fahrrad zum benachbarten Frauenhaus und der dortigen Babyklappe gebracht habe. Dort fand der Hausmeister das leblose Baby auf der Fensterbank , er dachte zunächst an eine Puppe. Ein Kassenzettel beim Kind führte die Ermittler auf die Spur der Mutter. Zunächst nur als Zeugin befragt, habe diese sich im Gespräch mit der Polizei selbst verraten.

Mitarbeiter des Frauenhauses hatten dem Jungen den Namen Elias gegeben, später wurde auf Wunsch der Familie eine neue Geburtsurkunde und ein neuer Totenschein auf den Namen Niklas ausgestellt. Offen sei im Verfahren geblieben, wann die Mutter beschlossen habe, das Kind zu töten. Der Staatsanwalt hatte neun Jahre Haft gefordert und war aufgrund der Vorgeschichte offenbar von einem lang gehegten Tatplan ausgegangen. Der Richter sah hier Zweifel, der konkrete Entschluss könnte auch unmittelbar nach der Geburt gefasst worden sein.

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Denn tatsächlich soll die Angeklagte zuvor darüber nachgedacht haben, das Kind in fremde Hände zu geben, „damit es ihm gut geht“. Die Angeklagte hatte davon berichtet, dass sie überfordert gewesen sei mit dem Gedanken, noch ein fünftes Kind großzuziehen, auch soll der Ehemann bereits Trennungsabsichten geäußert haben. „Wir haben nicht verstanden, warum die Möglichkeit der Adoption nicht erörtert wurde“, sagte der Richter. Es ergebe keinen Sinn, warum eine als sehr liebevoll beschriebene Mutter zu diesem äußersten Mittel gegriffen habe.

„Es gibt hier in diesem Fall nur Opfer“, soll die Anwältin im zu weiten Teilen nicht öffentlich geführten Prozess geäußert haben. Dem widersprach Richter Hengstenberg vehement. „Nein. Es gibt hier auch eine Täterin und das sind Sie“, sprach er die 37-Jährige an. Sie müsse jetzt damit leben, auch ihrem Mann ein weiteres Kind genommen, das Geschwisterchen ihrer vier weiteren Kinder getötet zu haben. „Auch anderen geht es schlecht, nicht nur Ihnen“, so der Richter. Sie allein habe Niklas, einem gesund geborenen Kind, die Chance auf das Leben verwehrt. 

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