Bickendorfer InstitutionBuchhandlung Klinger muss schließen

Lesezeit 4 Minuten
Bechtloff-Buchandlung-Klinger

Buchhändler Ulrich Klinger vor seinem Laden in der Rochusstraße

Bickendorf – Seit 20 Jahren ist die Buchhandlung von Ulrich „Uli“ Klinger auf der Rochusstraße eine feste Institution im Veedel. Nun aber verkünden gelbe Zettel im Schaufenster eine traurige Nachricht: Im Juli wird der Laden schließen. Der Grund dafür ist eine schwere Erkrankung des Buchhändlers, der sich momentan im Krankenhaus befindet: „Da wird man auf jeden Fall wehmütig“, sagt Monika Blankenberg, die Frau des 72-Jährigen. Wie die freiberufliche Kabarettistin erklärt, sei die Buchhandlung das „Baby“ ihres Mannes gewesen, in das er viel Herzblut investiert hat.

Gutes Händchen in der Beratung

Klinger war mit den meisten seiner Kunden per du, sie schätzten neben seiner freundlichen Art auch sein gutes Händchen in der Beratung: „Wenn mein Mann ein Buch empfohlen hat, war es immer ein Volltreffer“, so Blankenberg. Das, so sagt die 65-Jährige, habe die Buchhandlung von den großen Ketten unterschieden, in denen es kaum Möglichkeiten für ein längeres Gespräch gibt. Auch die Auswahl der Bücher war bei Ulrich Klinger stets anders.

Klingers „Zauberwolke“

Als er seinen Laden eröffnete, fanden sich im Sortiment viele Werke afrikanischer Autoren, auch legte der Buchhändler großen Wert auf Kinder- und Jugendliteratur. Das hat sich im Laufe der Jahre nie verändert. Schließlich lobte er mit „Der Zauberwolke“ selbst einen Literaturpreis für junge Autoren aus – die Kinder aus dem Veedel konnten Kurzgeschichten einreichen und so Gutscheine für seine Buchhandlung gewinnen: „So etwas hat meinem Mann viel Spaß gemacht. Natürlich hat er auch die Bestseller im Sortiment gehabt, hatte aber gleichzeitig den Anspruch, Bücher von kleineren Verlagen anzubieten.“

Eßer-Buchhandlung-Klingder

Ulrich Klinger bot in seiner Buchhandlung immer auch Bücher kleinerer Verlage und unbekannter Autoren an. 

Mit dem Jahr 2020 brachen dann schwere Zeiten für Klinger und seinen Laden an. Zunächst kamen die Corona-Pandemie und ihre Lockdowns, dann lief der Keller der Buchhandlung im Zuge der Unwetter mit Wasser voll. Der heute 72-Jährige aber kämpfte sich durch die Krisen, bis ihn im letzten März die nächste Hiobsbotschaft erreichte.

Seltene Erkrankung

Bei Ulrich Klinger wurde eine Spondylodiszitis diagnostiziert, eine bakterielle Entzündung der Wirbelsäule. Die Erkrankung ist sehr selten, eine Operation ist möglich, die Erfolgsaussichten sind jedoch beschränkt. Anfang des Jahres hatte Klinger noch in seinem Laden gestanden, nun ging nichts mehr: „Das ging alles wahnsinnig schnell“, erzählt Monika Blankenberg, die sich seitdem nicht nur um die Buchhandlung, sondern auch um ihren Mann kümmert.

Trotz der schwierigen Situation will sich die Kabarettistin nicht zu sehr dem Wehmut hingeben, sie erinnert sich lieber an all die schönen Momente in der Buchhandlung. An die Konzerte von Rolly Brings und anderen Musikern zum Beispiel, die vielen Lesungen und auch an ihre eigenen Auftritte. Immerhin hat sie ihr erfolgreiches Kabarettprogramm „Altern ist nichts für Feiglinge“ im Laden ihres Mannes zum ersten Mal aufgeführt.

Schnee im richtigen Augenblick

Ein Abend aber ist Blankenberg besonders in Erinnerung geblieben. Bei einem Weihnachtskonzert der Jazzmusikerin Sabine Kühlich begann es plötzlich zu schneien: „Wir hatten Kerzen aufgestellt und haben dann alle zusammen Weihnachtslieder gesungen. Das war eine richtig verzauberte Atmosphäre“, so Blankenberg, die seit 30 Jahren mit Ulrich Klinger zusammen ist und mit ihm gemeinsam in Bickendorf wohnt.

Das könnte Sie auch interessieren:

Als die Nachricht von der Krankheit ihres Mannes dann die Runde machte, war die Anteilnahme im Veedel groß, viele boten ihre Hilfe an, sagten, wie schade sie es fänden, dass die Buchhandlung schließen muss: „Daran sieht man auch, wie toll mein Mann die Buchhandlung in all den Jahren aufgebaut hat“, sagt Monika Blankenberg, die von der Anteilnahme der Bickendorfer gerührt ist. 

Eine gute Nachricht

„Bickendorf ist wirklich wie ein Dorf in der Großstadt. Aber im positiven Sinne. Man kennt sich und man ist füreinander da. Das schätze ich sehr.“

Und bei all der Tragik und Traurigkeit gibt es doch auch eine gute Nachricht: Für die Buchhandlung von Ulrich Klinger wurde bereits ein Nachfolger gefunden, der jedoch noch nicht namentlich erwähnt werden will. Der neue Inhaber will den Laden etwas renovieren und umgestalten, das Konzept aber soll zur Freude der Bickendorfer erhalten bleiben. Die Neueröffnung wird voraussichtlich im Herbst stattfinden: „Darüber haben mein Mann und ich uns natürlich ungemein gefreut“, erklärt Blankenberg. „Es gab Krisen und schwere Zeiten, aber hier ist auch unheimlich viel schönes passiert und wir hatten viel Freude“, sagt sie, die als Kabarettistin weiß: „Lachen und weinen sind zwei Seiten von ein und derselben Medaille.“

KStA abonnieren