Kölner Experten warnenUnseriöse Tierhändler machen sich Corona-Regel zu Nutze

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Tiertransport in Köln gestoppt

Am Samstag hat der Kölner Ordnungsdienst eine illegalen Tiertransport gestoppt und Hunde und Katzen sicher gestellt. 

Köln – Wenn die Menschen hierzulande wieder reisen können, wird sich womöglich in noch stärkerem Ausmaß das wiederholen, was man bereits aus der Vergangenheit als Folge von Lebendgeschenken zu Weihnachten kennt: Überfüllte Tierheime, ausgesetzte Katzen oder an Autobahnraststätten zurückgelassene Hunde. Während die Vielzahl der Appelle, dass Tierkinder nicht unter den Christbaum gehören, zumindest teilweise Wirkung zeigten, hat die Corona-Pandemie auch in Köln zu einem Vierbeiner-Boom geführt, der längst kriminelle Züge trägt.

Da seriöse Hundezüchter die enorme Nachfrage nach knuddeligen Welpen schon seit Monaten nicht mehr befriedigen können, wird auf jede andere Art versucht, an einen Hund zu kommen. Erst am Wochenende wurde in Bocklemünd-Mengenich ein illegaler Tiertransporter kontrolliert, in dem sich 52 aus Spanien und Portugal importierte Hunde und sechs Katzen befanden. Dass sich hinter vermeintlichen Tierhilfe-Organisationen mitunter skrupellose Händler verbergen, und dass die Rettung von Hunden aus sogenannten Tötungsstationen aus Sicht von Experten wie dem Kölner Veterinärmediziner Ralf Unna nicht immer etwas mit Tierschutz zu tun hat, wissen viele nicht oder sie verdrängen es. Was womöglich aber noch mehr verdrängt wird, ist die Frage, wer sich um das neu erworbene Familienmitglied artgerecht kümmert, wenn Lockdown und Homeschooling ganz der Vergangenheit angehören und man wieder Urlaub machen kann.

Vielen droht ein trauriges Schicksal

„Da gucken viele nicht über den Tellerrand hinaus. Das fällt uns häufiger auf“, bestätigt Jana Kamminga, Mitarbeiterin in der Tierarztpraxis von Jutta Mollidor. „Ich glaube, mit einer Zeit nach Corona setzen sich viele noch gar nicht auseinander“, glaubt Kamminga, die überzeugt ist, dass „vielen Vierbeinern ein ziemlich trauriges Schicksal“ droht.

„Es ist ein Riesenthema“, betont Lea Schmitz, Sprecherin des Deutschen Tierschutzverbandes. Als Ausgleich für fehlende Sozialkontakte oder Hobbys, denen man jetzt nicht nachgehen kann, nimmt man sich ein Tier. „Viele machen sich überhaupt nicht klar, was das für eine Verantwortung ist und gehen naiv und blauäugig an die Sache ran“, sagt Schmitz. Zum anderen setze man sich oft viel zu wenig damit auseinander, welche Bedürfnisse bestimme Rassen haben.

Wurfmaschinen in Bretterverschlägen

Das größte Problem sei jedoch der Online-Anzeigenmarkt. „Da ist für den Laien nicht erkennbar, wer dahinter steckt.“ Die Tiere stammten vielfach aus illegalem Handel. Die Muttertiere würden in irgendwelchen Bretterverschlägen in Osteuropa gehalten und zu Wurfmaschinen degradiert und die Welpen dann ohne Papiere illegal über die Grenze geschafft. „Wir bekommen täglich Anrufe von Menschen, die berichten, dass sie da auf eine merkwürdige Sache reingefallen seien." Etliche Tiere seien krank, das Immunsystem nicht ausgereift. „Viele sterben. Es ist ein Riesendrama!“

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Junghund-Produktion ließe sich nicht „in ganz kurzer Zeit hochfahren“. Das funktioniere nur, wenn man die Welpen im Ausland in Wurfboxen erzeuge „unter unfassbar schlimmen Bedingungen“, sagt Ralf Unna. Der Kölner Veterinär ist im Tierschutzbeirat der Landesregierung und bekommt in seiner Praxis täglich vor Augen geführt, was Corona nicht nur an Tierwohl, sondern auch an Tierleid hervorbringt.

Deutlich mehr Tiere aus Osteuropa

„Wir erleben, dass deutlich mehr Tiere ankommen, die aus Osteuropa gerettet wurden“, so der 53-Jährige. „Als Verband sehen wir das sehr kritisch. Denn die Tiere werden oft für den deutschen Markt erzeugt. Es ist ja hip, einen Hund aus Rumänien zu retten. Ob es da tatsächlich eine Tötungsstation gibt, sei mal dahingestellt.“ Er habe jedenfalls noch nie einen siebenjährigen Rottweiler-Mischling mit Arthrose auf seinem Behandlungstisch gehabt. Die Hunde aus den angeblichen Tötungsstationen seien fast immer „unter Knie hoch und um ein Jahr alt“, was ihn zu dem Schluss kommen lasse, „dass es diese Stationen gar nicht gibt“.

„Sie stechen da in ein Wespennest, wenn Sie darüber berichten; denn Sie tangieren emotionale Befindlichkeiten“, warnt Unna. Der 53-Jährige engagiert sich auch bei „Tierärzte ohne Grenzen“ und setzt sich unter anderem dafür ein, Auslandstierschutz auf seriöse Weise, etwa durch den Ausbau von Kastrationsstationen, zu unterstützen.

Gefälschte Impfpässe, eingeschleppte Infektionen

Sorge bereiten Unna im Zusammenhang mit illegal eingeführten Tieren auch eingeschleppte Krankheiten. Oft seien die Impfpässe der Tiere gefälscht oder die Tierabnehmer nicht ausreichend aufgeklärt über gefährliche Infektionen wie die Leishmaniose. Wichtig bei dieser mitunter tödlich verlaufenden Krankheit bei Hunden aus südlichen Ländern sei eine tierärztliche Kontrolle etwa vier Monate nach Grenzübertritt.

„Wir importieren diese Tiere aus heterogenen Motiven und wir importieren diese Krankheiten mit“, unterstreicht Unna, der immer wieder feststellt, dass „Mängel verschwiegen" und Käufer „arglistig getäuscht“ würden. So lasse beispielsweise der Zahnzustand des Tieres Rückschlüsse darauf zu, ob das im Impfpass vermerkte Alter glaubhaft sein könne oder nicht. Der Tierarzt warnt vor Übergaben an Raststätten oder Parkplätzen und verweist in dem Kontext auf seriösen Tierschutz, wie er in Tierheimen praktiziert werde, wo man ein Tier im Zweifelsfall „immer zurückgeben“ könne. Illegale Tierhändler haben nach Worten von Lea Schmitz auch deshalb gerade ein leichtes Spiel, weil sie mit Verweis auf die Corona-Kontaktbeschränkungen die gewünschte Besichtigung des Zuchtbetriebs oder des Muttertiers ablehnen können und Interessenten zwecks Welpen-Übergabe auf irgendeinen Parkplatz dirigieren können. 

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