Brände verfolgen ihn im SchlafKölner Feuerwehrmann schreibt Buch über seine Einsätze

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Schneid

Lothar Schneid hat 41 Jahre bei der Berufsfeuerwehr in Köln gearbeitet. Darüber hat er ein Buch geschrieben.

  • Lothar Schneid hat über seine 41 Jahre bei der Berufsfeuerwehr ein Buch geschrieben.
  • Darin verarbeitet er Bilder von Einsätzen, die ihn noch immer im Schlaf verfolgen.
  • Er berichtet, wie sich die Arbeit der Feuerwehr in seiner Zeit verändert hat.

Köln – Der Ruhestand tut Lothar Schneid gut. Endlich regelmäßiger Schlaf, endlich keine Verbrühungen, Bänderrisse und Prellungen mehr. Aber auch der Gong, der ertönt, wenn mal wieder ein Einsatz ansteht, fehlt. Der Adrenalinkick, die Herausforderung, die Konzentration vor dem Ausrücken, alles weg. „Ich habe ein ausgefülltes Leben, aber mir ist todlangweilig“, widerspricht sich Lothar Schneid selbst.

41 Jahre lang war er Berufsfeuerwehrmann in Köln, 26 Jahre davon auf der Wache Innenstadt, wo pro 24-Stunden-Schicht 100- bis 120-mal der Alarmgong ertönt. 

Mehr als 33000 Einsätze hat er gefahren – im Brandschutz und im Rettungsdienst, auch als Rettungs- und Bergungstaucher hat er gearbeitet. Er hat seinen Job geliebt, aber es war oft eine Hassliebe wie zu seiner Heimatstadt Köln, der er irgendwann den Rücken kehrte.

Träume von Bränden, Selbstmorden und Unfällen

Als sich Ende 2017, kurz nach Beginn seines Ruhestands, die verheerenden Brände, Selbstmorde und Unfälle wieder in seine Träume schleichen, erinnert sich Lothar Schneid an seinen alten Plan: einmal ein Buch schreiben über seinen Beruf, der so vielen Menschen das Leben rettet und der so viele Spuren bei denjenigen hinterlässt, die ihn ausüben. Nun liegt das Buch vor: „Unter jedem Helm steckt nur ein Mensch“ lautet der Titel.

Es ist ein ehrliches, kurzweiliges und gesellschaftskritisches Buch geworden. Nicht nur spektakuläre Einsätze und Heldentaten wollte der 61-Jährige aufzählen, sondern auch die Schattenseiten des Feuerwehrmann-Daseins benennen. Herausgekommen ist eine Jobbeschreibung, die so ambivalent daherkommt wie sein Blick auf seinen Ruhestand.

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Die Arbeit an dem Buch hat geholfen, die Alpträume zu bekämpfen. „Einige Dinge noch einmal aufzuschreiben und gegenlesen zu lassen, wirkte wie eine Befreiung“, sagt Lothar Schneid in seinem Wohnzimmer in Rösrath, wo er seit einigen Jahren lebt.

Nach den größeren Einsätzen hat er Fotos und Einsatzberichte gesammelt und sich Notizen gemacht. Deshalb kann er seine Leser sehr detailreich in das Inferno eines Kegelbahn-Brandes, des gerade eingestürzten Stadtarchivs oder des Autobahn-Unfalls mit eingeklemmten Schwerstverletzten mitnehmen.

Psychologische Unterstützung für die Feuerwehrleute

„Ich habe mir immer viele Gedanken gemacht“, sagt Lothar Schneid mit rauchiger Stimme. Als er bemerkte, dass viele Kollegen mit den Belastungen des Jobs nicht zurechtkommen, arbeitete er vor mehr als 20 Jahren an der Gründung des psychosozialen Unterstützungsteams der Feuerwehr mit. „Zu meiner Anfangszeit war der Feuerwehr-Mann noch der harte Mann, da gab es nicht viel Platz für Gefühle.“

Er selbst habe es zwar meistens geschafft, professionelle Distanz zu den Zumutungen seines Berufs zu wahren, aber auch er musste sich irgendwann eine chronische Überlastung eingestehen und begab sich in eine Kur: „Nach wenigen Jahren hatte ich schon das Gefühl, dass der ewige Stress der Alarmfahrt und das laute Geräusch des Signalhorns mich krank machen“, schreibt Lothar Schneid.

Gleichzeitig sei die Arbeit mit der Technik bei der Feuerwehr „so ziemlich das Schönste, was ein Technikfreak sich vorstellen kann“. Auch der tägliche Umgang mit den Kollegen gehöre zu den netten Seiten des Jobs. „Als erster vor Ort zu sein, alles zu sehen, Gaffer wegzuschicken, abzusperren, mit der Nase ganz dicht dabei zu sein, wo der »Normalmensch« nicht hinkommt.“ Das habe ihn lange fasziniert.

Weniger Brände, mehr einsame Menschen

Die Zahl der Brände habe im Laufe der Jahre abgenommen, Rauchmeldern und neuen Baumaterialien sei Dank. Dafür nähmen die Einsätze zu, die der zunehmenden Vereinsamung vieler Menschen zuzuschreiben seien. Leichen, die erst auffallen, weil der Gestank im Treppenhaus unerträglich geworden ist, hat Lothar Schneid reichlich gesehen. Ebenso Selbstmörder, die ihr Vorhaben vor seinen Augen umsetzen. „Ein hoch technisiertes, reiches Land schafft es nicht, umfassend seine alten und kranken Menschen adäquat aufzufangen und zu versorgen“, resümiert Lothar Schneid.

Dazu kämen Pöbeleien von Autofahrern, die sich darüber beschweren, dass die Feuerwehr ihnen den Weg versperrt und Alarmierungen wegen Nichtigkeiten, nur weil das Handy so schnell zur Hand ist. „Das große Problem: Jeder ist sich selbst der Nächste“, so Lothar Schneid.

Der Respekt für die Arbeit der Feuerwehr habe abgenommen, ist er sich sicher. Trotzdem: Ein bisschen Stress und Adrenalin fände Lothar Schneid auch mal wieder ganz nett.

Lothar Schneid, Unter jedem Helm steckt nur ein Mensch, BoD, 11,99 Euro. ISBN: 9783749428137

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