Kölner Hänneschen-TheaterPuppenspiel-Urgestein seit 40 Jahren fest im Ensemble

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Jacky von Guretzky-Cornitz lässt die Hänneschen-Puppe in drei verschiedenen Altersstufen durch Knollendorf wirbeln. 

Köln – Seit 40 Jahren macht er uns das Hänneschen. Jack Rolf Maximilian von Guretzky-Cornitz (61), den alle von Kind an nur Jacky nennen, feiert am Donnerstag, 1. April, sein rundes Dienstjubiläum als städtischer Puppenspieler und ist dienstältestes Mitglied im Ensemble des Hänneschen-Theaters. Am zweitlängsten dabei ist Renate Vesen, die im kommenden September ebenfalls ihr 40-Jähriges feiern kann. Dabei ist von Guretzky-Cornitz („Das ist kein Doppelname, sondern ein uralter Geschlechtername einer preußischen Offiziersfamilie. Den hat mein Urgroßvater von Berlin aus mit nach Köln gebracht“) eigentlich noch ein Jahr länger im Dienst der Stockpuppen-Bühne. „Aber da war ich unbezahlter Volontär. Unter dem damaligen Intendanten Berni Klinkenberg.“

Dessen Vorgänger Karl Funck, der schon in den 1930er Jahren zum Hänneschen zählte und das Puppentheater nach dem Zweiten Weltkrieg entscheidend mit aufbaute, hatte von Guretzky-Cornitz noch getroffen, da dieser auch nach seinem Ausscheiden aus dem Ensemble noch als Gast mitmischte. „Funck zu erleben, war für mich eine Art Schlüsselerlebnis,“ erinnert er sich an einen Abend als Beobachter „hinger d’r Britz“. Aufgeführt wurde „Meister Nikola“: „Funck hatte eine sensationelle Mimik, er verdrehte die Augen und steigerte sich regelrecht in seine Rolle hinein, als stände er, fürs Publikum sichtbar, auf einer Bühne und nicht unsichtbar dahinter.“

Etatmäßiger Hänneschen-Spieler von Leiter gestürzt

So wollte Jacky auch spielen können, aber bis dahin war es ein weiter Weg. Dabei durfte er schon im Herbst 1981 im Stück „Miss Colonia“ erstmals die Hänneschen-Figur übernehmen. „Das ging von jetzt auf gleich. Anfangs musste ich den Text noch ablesen.“ Von Guretzky-Cornitz war eingesprungen, da der etatmäßige Hänneschen-Spieler Hans Axer von einer Leiter gestürzt und ausgefallen war. Erst als Axer 1984 aus dem Ensemble ausschied, übernahm er die Traditionsfigur dann ganz.

„Meine erste eigene Hänneschen-Rolle war im Kinderstück »Räuber un Schanditz«.“ Aber so ganz habe er damals die Kollegen wohl noch nicht überzeugt. Hans Friedrich, der jahrzehntelang den Besteva spielte und im Karneval auch zu den besten Büttenrednern der Stadt zählte, war im Theater für ihn eine Art Ziehvater. „Der hat mich so fertiggemacht, dass ich losgeheult habe. Ich musste halt noch viel lernen.“

Puppenspieler als Berufswunsch seit der Kindheit

Dabei war Puppenspieler sein Berufswunsch seit der Kindheit in der Südstadt. Zu Hause hatte er ein klassisches Kasperle-Theater, mit dem er mit selbst erdachten Szenen die Nachbarskinder unterhielt. Später trat er – animiert durch die „Augsburger Puppenkiste“ im TV – mit Marionetten in der Stadtbücherei am Alteburger Wall auf. Auch am Eisenmarkt war er zu der Zeit schon zu Besuch – mit der Mutter und seinen zwei Brüdern. „Mit drei Kindern galt man ja als kinderreich. Da gab es den sogenannten Karnickel-Pass. Das war so eine Art Vorläufer des heutigen Köln-Pass. Mit Freikarten für Zoo, Seilbahn und Hänneschen.“

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Nach dem Abschluss der Handelsschule hatte er zunächst einen Job bei der Finanzverwaltung in Düsseldorf, entdeckte aber erneut seine Liebe fürs Puppenspiel. In seiner Bundeswehrzeit erhielt er gar Sonderurlaub, um 1980 hinter den Kulissen bei der Puppensitzung auszuhelfen. Die Kollegen Friedrich und Grete Zimmermann-Schmaglowski erkannten schnell sein Talent und rieten ihm, sich auf eine freie Stelle zu bewerben. „Do häs e Hängkche dofür un spills mit Hätz un Siel“, hieß es. Das ist mehr als 40 Jahre her und seitdem hat er in rund 230 verschiedenen Stücken mitgespielt.

Hänneschen in drei unterschiedlichen Versionen

Zumeist das Hänneschen, dass es in drei unterschiedlichen Versionen gibt. In den Abendstücken ist das der jugendliche Held, mutig und schlagfertig und der ewige Verlobte von Bärbelchen. In den Kinderstücken sind diese beiden jedoch acht bis zehn Jahre alte Geschwister, wobei er gerne den Ton angibt, aber oftmals von der Schwester ausgebremst wird. Das kleinste Hänneschen agiert in den Weihnachtsmärchen – noch im Kindergartenalter und in festem Glauben ans Christkind.

Dazu hat von Guretzky-Cornitz in all den Jahren etliche Nebenrollen übernommen. Das reicht von Spitz Fiffi bis zum chinesischen Touristen und prominenten Karnevalisten in der Puppensitzung – so führte und sprach er Ludwig Sebus und Fritz Schopps, Bernd Stelter und Hans Zimmermann im Colonia-Duett. Bei Ausfällen oder Krankheiten im Ensemble hat er bis auf die Frauenrollen auch alle Traditionsfiguren schon mal gespielt. Im Bläck-Fööss-Stück „Lück wie ich un do“ vor acht Jahren sogar Hänneschen und Besteva gleichzeitig. „Das hat von den Zuschauern aber keiner gemerkt.“

Absoluter Höhepunkt seiner Puppenspiel-Karriere

Auch an andere Stücke denkt er gerne zurück. So an „Farina – Wunderwasser vun Kölle“ von 2018 („Da hatte das Hänneschen nochmal so eine richtig große Rolle“) oder an das „Feuerwehrfess“ in der Spielzeit 1998/99, wo er zudem für Effekte und Pyrotechnik zuständig war. „Da habe ich ein Haus so überzeugend abbrennen lassen, das es stets Szenenapplaus gab, mehrfach die Brandmelder reagierten und zweimal gar die Feuerwehr mit einem kompletten Löschzug auf dem Eisenmarkt anrückte.“

Als absoluten Höhepunkt seiner Puppenspiel-Karriere („Im Sommer 2024 werde ich wohl in Rente gehen“) sieht er den diesjährigen Mini-Rosenmontagszug. „Das war eine großartige Idee des Festkomitees. Ich hatte bei den Aufzeichnungen mehrmals Tränen in den Augen. Weil das Projekt so emotional war und uns alle so sehr berührt hat.“ Neben dem Hänneschen, das dem ausgefallenen Karneval nachtrauert, spielte er zusätzlich einen Roten Funken, der im Zoch umherirrte, da der den Anschluss an sein Korps verloren hatte.

Seit mehr als 40 Jahren Mitglied bei den Funken

Auch das passt, denn von Guretzky-Cornitz ist bereits seit mehr als 40 Jahren Mitglied bei den Funken. „Ich bin ja im Veedel rund um die Ühlepooz aufgewachsen. Da sah man ja nur Rote Funken.“ Außer der Funken-Uniform zwängt er sich einmal im Jahr auch in das Hänneschen-Kostüm mit der rot-weißen Zipfelmütze. Bei der Sitzung der Löstije Knollendorfer, der Gemeinschaft der Puppenspieler, im Sartory, die er seit 20 Jahren leitet. „Das ist aber dann auch mein einziger Auftritt als lebendiges Hänneschen“ sagt er lachend. „Ich bin ja nicht der Schmalste und komme mir dabei eher vor wie Mählwurm in Rot.“

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