Am frühen Donnerstag kommt es zu einer Explosion in einem Restaurant in Deutz. Das Lokal hat eine Verbindung zu einer beispiellosen Gewaltspirale.
Zusammenhang mit Kölner Drogenkrieg?Wieder Explosion in Köln – Spuren führen zu Kalker Bande

Ein Polizist steht nach der Explosion vor dem Restaurant „Saman“.
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Um 4.30 Uhr am Donnerstagmorgen schreckt ein gewaltiger Knall die Menschen an der Deutz-Kalker Straße, Ecke Deutzer Ring aus dem Schlaf. Die Detonation vor dem Restaurant „Saman“ lässt nicht nur die Fensterscheiben im Eingangsbereich zerbersten und Stühle auf den Gehweg schleudern – auch ein Teil der Decke wird zerstört, in einer Wohnung über dem Lokal sind die Rollläden und der Fensterrahmen verzogen. Ein Mann hinter dem kaputten Fenster filmt am Donnerstagvormittag, wie Männer Scherben zusammenkehren und aufräumen.

Um 4.30 Uhr kam es im Restaurant „Salman“ zur Explosion.
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Die Explosion könnte im Zusammenhang mit einem geplatzten Drogendeal stehen, bei dem es um Marihuana im Wert von 1,5 Millionen Euro ging. Drei Geiselnahmen, mehrere versuchte Attentate und mehr als ein Dutzend Sprengstoffanschläge auch in der Kölner Innenstadt fallen darunter. 40 Beschuldigte müssen sich vor Gericht verantworten. Die Rauschgiftbande soll im Zuge der Fehde Städte an der Rhein-Ruhr-Schiene mit einer Welle von Gewalt überzogen haben.
„Angst? Nein, wovor? Ich habe nie Angst?“
Vor seinem zerstörten Lokal steht am Vormittag auch der Eigentümer. Er gibt sich ahnungslos. Ob die Explosion im Zusammenhang mit der Drogen-Mafia stehe, wie ja vermutet werde? „Ich weiß davon nichts“, sagt er. Ob er selbst Sorge habe – immerhin habe die Explosion den kompletten Eingangsbereich seines erst vor kurzem renovierten Restaurants zerstört? „Angst? Nein, wovor? Ich habe nie Angst.“ Die Aufnahmen der Videokameras vor seinem Restaurant habe er der Polizei übergeben. Eine Kamera hat den zerstörten Eingangsbereich im Visier. Er könne sonst nichts sagen, sagt der Mann.

Das Restaurant in Deutz steht im Zentrum einer Welle von Gewalt im Drogenmilieu.
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Nach Informationen des „Kölner Stadt-Anzeiger“ ist der 23-jährige Sermet A., der als einer der Hauptbeschuldigten im Kölner Drogenkrieg gilt und in Untersuchungshaft sitzt, der Sohn des Eigentümers des Restaurants an der Deutz-Kalker Straße. Das Lokal spielte laut Ermittlungsakten in der Chronik aus Sprengstoffattentaten, Mordversuchen, Folter und Geiselnahmen eine brisante Rolle. Der 23-jährige Sermet A. hatte demnach eine Gang gegründet, die seit Ende 2023 von Kalk aus bundesweit mit Drogen im großen Stil handelte. Der Stoff kam aus Marokko oder aus den Niederlanden. Als Räuber am 22. Juni 2024 etwa 350 Kilogramm Cannabis aus einer Hürther Lagerhalle der Kalker Bande im Wert von 1,5 Millionen Euro mit Waffengewalt entwendeten, begann die Jagd auf die Täter.
Am 25. Juni 2024 überfielen drei angeheuerte Gangster aus den Niederlanden jene Männer in der Lagerhalle, die den Rest der Marihuana-Lieferung bewachten. Mutmaßlich hatte Sermet A. Figuren aus der holländischen Unterwelt angeheuert, die seine eigenen Leute foltern sollten, um herauszubekommen, wer hinter dem Drogendiebstahl steckte. Nach einem Hinweis beendete die Polizei den Spuk.
Man gehe bei der Explosion vor dem Restaurant in Deutz von einer vorsätzlichen Tat aus, sagte der Sprecher der Kölner Staatsanwaltschaft, Oberstaatsanwalt Ulrich Bremer, am Donnerstag. Bremer spricht von einem möglichen Anschlagsobjekt. Bei den Ermittlungen werde ein Zusammenhang mit den Auseinandersetzungen im Drogenmilieu geprüft. „Das ist nicht auszuschließen, es wird aber in alle Richtungen ermittelt“, so Bremer. Wie die Staatsanwaltschaft und die Polizei Köln mitteilen, sollen zwei Männer laut Zeugenaussagen vom mutmaßlichen Tatort in Richtung der Technischen Hochschule Deutz geflüchtet sein. Ob es sich um Tatverdächtige oder mögliche Zeugen handelt, war am Donnerstag unklar.
Staatsanwaltschaft Köln: Bande traf sich in Deutzer Restaurant
Informationen des „Kölner Stadt-Anzeiger“ zufolge trafen am Abend des 26. auf den 27. Juni 2024 16 Personen im Restaurant „Saman“ zusammen. Laut Staatsanwaltschaft drehten sich die Gespräche um Informationen zu den Drogenräubern und den Verbleib der Ware. Eines der Bandenmitglieder berichtete später, dass alle Verdächtigen nochmals durchleuchtet worden seien. Auch ging es um horrende Entschädigungen, schließlich stand der mutmaßliche Bandenchef Sermet A. bei seinen holländischen Lieferanten im Wort. Die Hintermänner forderten ihre 1,5 Millionen Euro ein – egal wie.
Aus einem später gesicherten Chatverlauf der Bande geht hervor, dass sich bei dem Treffen im „Saman“ der Verdacht vor allem auf eines der Gangmitglieder als Räuber der Drogen konzentrierte – den Kölner Ilias El K., 22, der später auch zusagte, 300.000 Euro zurückzahlen zu wollen.
Am Morgen des 27. Juni ging bei der Polizei ein Notruf ein. Der Tippgeber berichtete von seltsamen Geschehnissen vor dem Kalker Restaurant. Augenscheinlich wurde eine Person in einem SUV verprügelt. Ganz in der Nähe stießen die Einsatzkräfte auf drei Männer aus dem Umfeld der Kalker Drogengang. Im Fußraum der Beifahrerseite sicherten die Ermittler eine scharfe Maschinenpistole Marke „Scorpion“ mit zwei gefüllten Magazinen. Im Kofferraum fand sich weitere Munition und ein Schalldämpfer.
Explosion als Teil der Serie im Kölner Drogenkrieg?

Nach der Explosionen sind erhebliche Schäden an dem Restaurant sichtbar.
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Am 29. Juni erreichte Ilias El K. eine Nachricht, er möge sich mit den 300.000 Euro beeilen. Eingeschüchtert räumte dieser ein, nicht über so eine große Summe zu verfügen. Wenig später detonierte ein selbstgebauter Sprengkörper vor der Wohnung seiner Eltern in Köln-Buchheim. Seinen Eltern offenbarte der 22-jährige Sohn seine Verstrickungen in das Kalker Drogenmilieu. Demnach sei er über den Sohn des Inhabers des Restaurants „Saman“ in das Drogen-Geschäft eingestiegen.
Explosion vor Deutzer Lokal: Kölner Polizei sucht Zeugen
Innerhalb der aktuellen Organisation seien mehrere hundert Kilogramm Gras unterschlagen worden. Sie würden ihn suchen, ließ er seine Eltern wissen. In diesem Zusammenhang soll ein Kopfgeld auf Ilias El K. ausgesetzt worden sein. Zeitweilig war er abgetaucht. Wie alle anderen mutmaßlichen Hauptakteure sitzt Ilias El K. inzwischen in Untersuchungshaft. Die Staatsanwaltschaft hat den 22-Jährigen angeklagt. Das droht dem mutmaßlichen Bandenboss Sermet A ebenfalls. Warum das Restaurant seines Vaters per Sprengsatz attackiert wurde, ist noch unklar. Hinweise von Zeugen nimmt die Polizei unter Tel. 0221 229-0 oder per E-Mail poststelle.koeln@polizei.nrw.de entgegen.