Am Gymnasium Brügelmannstraße lernen derzeit Kinder aus drei Förderschulen, deren Standorte saniert werden oder schlicht keinen Platz haben.
Interim für Förderschüler70 Kinder pendeln zu neuem Deutzer Gymnasium

Angekommen in Deutz: Die Schulpflegschaftsvorsitzenden Cristina Tettamanzi, Ronja Müller-Louzri und Stefanie Lippelt (v.l.) sehen trotzdem noch reichlich Handlungsbedarf beim Thema Förderschulen.
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Seit Beginn des Schuljahres sind etwa 70 I-Dötzchen von drei Förderschulen mit Schwerpunkt Geistige Entwicklung (GE) im Gebäude des Gymnasiums Brügelmannstraße in Deutz untergebracht - an den Hauptstandorten ihrer Schulen in Vogelsang, Poll und Wahnheide war einfach kein Platz mehr. „Bisher läuft das ganz gut“, beschreibt Ronja Müller-Louzri, Pflegschaftsvorsitzende der Förderschule Auf dem Sandberg in Poll, die ersten Erfahrungen. Auch die Fahrzeiten für die Schüler aus dem Einzugsgebiet der Kolkrabenschule in Vogelsang etwa fielen nicht so überlang aus wie befürchtet: „Die Verwaltung hat das gut organisiert: Die Schüler aus dem Linksrheinischen, die in die Brügelmannstraße müssen, wohnen alle nahe an Deutz“, bestätigt Cristina Tettamanzi, Pflegschaftsvorsitzende am Kolkrabenweg.
Förderschule in Köln-Sülz schickt auch Schüler nach Deutz
Förderschüler müssen häufig lange Fahrzeiten in Kauf nehmen. Von Worringen aus zum Beispiel seien sie mit den Kleinbussen, die unterwegs noch andere Schüler einsammeln, teils zwei Stunden unterwegs bis nach Vogelsang. „Der Transport ist immer ein Problem, das muss sich am Beginn des Schuljahres zurechtruckeln, hier ruckelt es etwas länger“, sagt Stefanie Lippelt, Schulpflegschaftsvorsitzende der Förderschule GE in der Sülzer Redwitzstraße. Auch sei man von den Schülern und Lehrern der fünften Jahrgänge des Gymnasiums Brügelmannstraße und der Gesamtschule Kalk, die ebenfalls in dem Deutzer Schulgebäude starten, sehr freundlich und rücksichtsvoll aufgenommen worden, bestätigen Müller-Louzri und Tettamanzi.

Das neue Gebäude des Gymnasiums Brügelmannstraße bietet derzeit Schülern mehrerer anderer Schulformen Platz.
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Dieser Befund könne aber nicht über die miserable Lage an vielen Förderschulen in Köln hinwegtäuschen, sagen die Pflegschaftsvorsitzenden übereinstimmend. Denn es gebe viel zu wenig Plätze, ständig müsse nach Notlösungen gesucht werden, wie jetzt in der Brügelmannstraße. Dort sollen die Förderschüler ein Jahr bleiben, danach geht’s weiter nach Kalk in die Neuerburgstraße, wo derzeit ein Schulgebäude für den Bedarf der Förderschüler hergerichtet wird, notdürftig. Besonders hart betroffen ist die Förderschule am Kolkrabenweg, die momentan auf vier Standorte verteilt ist.

Die Förderschule Kolkrabenweg in Vogelsang ist wegen erhöhter Schadstoffwerte geschlossen worden.
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Dabei seien gerade Kinder, bei denen autistische Störungen diagnostiziert wurden, auf stabile Verhältnisse angewiesen: „Sie brauchen viel länger als andere, um sich einzugewöhnen“, sagt Tettamanzi. Auch sollten Förderschulen über Rückzugs- und Therapieräume verfügen, und die könnten in Gebäuden, die ursprünglich für andere Schulformen gedacht waren, oft nicht ohne weiteres oder im angemessenen Umfang bereitgestellt werden. Das betreffe allerdings auch die Hauptstandorte der Schulen, wo solche Räume häufig wegen Platzmangels für den Unterricht genutzt oder Schulhöfe mit Containern zugestellt werden müssen, ergänzt Lippelt: „Das hat natürlich Auswirkungen auf die Qualität der schulischen Ausbildung. Allerdings fällt das bei den Förderschülern nicht so direkt auf, weil keine Noten vergeben werden, wie an Regelschulen.“ Es werde halt dort gespart, meint Lippelt, „wo am wenigsten Gegenwind zu erwarten ist. Eltern von Kindern mit Behinderungen sind häufig so eingespannt, dass ihnen keine Zeit für Demonstrationen bleibt.“
Schuld an dem Stückwerk sei aber auch der übertriebene Optimismus, mit dem Politik und Verwaltung das Thema Inklusion beziehungsweise „Gemeinsames Lernen“ angegangen seien. „Wir sind sehr dafür, dass Kinder mit Einschränkungen zusammen mit ‚normalen‘ Kindern unterrichtet werden“, stellt Ronja Müller-Louzri klar. „Aber oft ist das noch illusorisch.“ Noch seien die Konzepte nicht so ausgereift, dass Kinder von Förderschulen vom gemeinsamen Unterricht profitieren. Denn der sei immer noch sehr auf Wissensvermittlung ausgerichtet, nicht auf das Erlernen von Alltagskompetenzen, etwa selbständiger Arbeit oder dem friedlichen Umgang mit Klassenkameraden, die bei Förderschülern im Vordergrund stehen. „Und bei der Lehrerausbildung für Gymnasien zum Beispiel spielt so etwas keine Rolle, die sind mit Förderschülern dann schnell überfordert“, sagt Cristina Tettamanzi.
Für einige Förderschüler komme das Gemeinsame Lernen wohl überhaupt nicht in Frage, auch das müsse man zur Kenntnis nehmen. Jedenfalls sei zu befürchten, dass vorläufig noch zahlreiche Schüler mit Förderbedarf aus den inklusiv arbeitenden Schulen an die Förderschulen zurückkehren, weil die Eltern das Experiment als gescheitert ansehen. „Es kann sein, dass dort die Mittelstufen explodieren“, mahnt Tettamanzi. Auch die insgesamt wachsenden Einwohnerzahlen Kölns sowie die zunehmenden Autismus-Diagnosen sorgten dafür, dass der Bedarf an Förderschul-Plätzen in naher Zukunft eher ansteige, meint auch Lippelt. Zwei weitere Förderschulen GE, eine im Linksrheinischen, eine im Rechtsrheinischen, sollten daher so schnell wie möglich gebaut werden.