Karneval in der Kölner SüdstadtWo das Vringsveedel feiert

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Die Gasse Severinkloster verbindet den Severinkirchplatz mit dem Platz An der Eiche. Am Donnerstag wird sie zum Backstage-Bereich.

Die Gasse Severinkloster verbindet den Severinkirchplatz mit dem Platz An der Eiche. Am Donnerstag wird sie zum Backstage-Bereich.

Innenstadt – Nur eine kleine Gasse trennt den Platz An der Eiche vom Wahnsinn auf dem Severinskirchplatz. Bläck Fööss, Höhner, Kasalla, Brings und Cat Ballou – jedes Jahr an Weiberfastnacht treten auf der Bühne von Radio Köln die Großen des Karnevals auf. Von nah und weit strömen tausende Jecken am ersten Tag des Straßenkarnevals deshalb in die Südstadt. Wenn das Programm um 11.11 Uhr beginnt, ist oft schon kein Durchkommen mehr. Gleichzeitig zieht das Reiterkorps Jan von Werth durch die Gassen der Südstadt.

Nur eine Ecke weiter trifft sich das Veedel. Auf dem Platz An der Eiche feiern Erwachsene, Kinder, Freunde und Nachbarn gemeinsam. Manfred Münch wird dann im Ladenlokal seines Getränkehandels stehen, umgeben von mannshoch gestapelten Bierkisten. Mit seiner Frau und vier Helfern wird er eine Flasche nach der anderen verkaufen. 1,50 Euro kostet das Bier bei ihm. 150 Kästen wird er wohl bis Aschermittwoch loswerden. „An Karneval sind wir ein echter Kiosk“, sagt er. Sonst gehören eher die Gastronomen aus der Südstadt zu seinen Kunden. Er freut sich auf die nächsten Tage: „Karneval ist der Höhepunkt. Alles Fremde, aber tolle Typen.“

Er schätzt die vielen jungen Leute, die Studenten, die „keinen Ärger machen“, und „vor allem die Mädchen aus der ganzen Stadt“. Den Kiosk hat der 65-Jährige vor gut 30 Jahren von seinem Vater übernommen, als der mit Lungenkrebs ins Krankenhaus kam. „Ich dachte, dass ich ihn für ein paar Monate vertrete. Doch er hat sich nicht mehr erholt“, sagt Münch. Seitdem leitet er den kleinen Betrieb. Am Donnerstag setzt er sich Pappnase und Hut auf. Mit seiner Trillerpfeife will er für Ordnung sorgen – sagt er und lacht.

Dass sich der Platz als Treffpunkt etabliert hat, ist auch das Verdienst von Jörg Holtwick. Er führt das Haus Müller. Am Tag vor Weiberfastnacht bleibt das Restaurant geschlossen, der Innenraum wird leer geräumt, Platz für Musik und Tanz geschaffen. Draußen stellt Holtwick einen Bier- und einen Toilettenwagen auf, seit 15 Jahren schon. Er schätzt das bunte Treiben. „Das ist richtig familiär hier. Viele bringen ihr eigenes Fässchen mit“, sagt er. Julia Bössmann, die gegenüber das Restaurant Erdmann’s betreibt, ist ebenfalls begeistert von dem Engagement der Jecken. Sie freut sich besonders auf die Spontan-Konzerte, etwa von den Capri-Fischern, musizierende ältere Herren, die Kölsche Lieder zum besten geben. Am Veilchendienstag wird der Südstadtzug An der Eiche enden. Zum Abschluss spielen dann Köbes Underground, bevor Holtwick den Nubbel auf dem Platz für die Sünden der vergangenen Tage büßen lässt.

Echtes Kleinod

„Typisch Südstadt“, findet auch Veedelsmanager Jörg Aue die Stimmung An der Eiche – ein echtes „Kleinod“. Die Bäume auf dem Platz sind übrigens Buchen. Der Name stammt vom früheren Eichamt. Aue wird am Donnerstag alle Hände voll mit der Bühne auf dem Severinskirchplatz zu tun haben. Er organisiert das Fest für die Händler der Severinstraße in Zusammenarbeit mit Radio Köln. Maximal 2500 Menschen werden auf den Platz gelassen, aus Sicherheitsgründen. „Unsere Gäste sollen da auch nicht wie die Ölsardinen stehen“, sagt Aue. Der Aufwand, den die Veranstalter betreiben, ist enorm. Bei den Vorbesprechungen in den vergangenen Tagen saßen bis zu 40 Vertreter von Polizei, Feuerwehr, Ordnungsamt und Geschäftsleuten an einem Tisch. Doch bemerkenswert friedlich gehe es zu, so Aue. Im Vorjahr mussten gerade einmal vier Schnittverletzungen behandelt werden.

Simone Hertwig hat einen besonderen Platz. Sie wird in ihrer Boutique Principessa sitzen, neben Münchs Kiosk und unmittelbar dort, wo die Straße Severinskloster auf den Platz an der Eiche trifft. Die Künstler, die vor der Severinskirche auftreten, nutzen die Gasse als Zugang zur Bühne. Hier beginnt der Backstagebereich: Durchlass nur für VIPs und Musiker. Hertwig verfolgt den Trubel durch ihre Schaufenster. „Das ist immer wie im Zoo. Die Mädels stehen hier und schreien nach Brings und Kasalla“, sagt sie.

Um 14 Uhr schließt sie ihren Laden. Dann feiert sie selbst. Auch für sie sind das besondere Tage. Sechs Wochen vor Karneval stellt sie ihr Sortiment auf „Ringel Couture“ um: Hosen, T-Shirts, Uniform-Jacken, Quergestreiftes in Rot, Blau und Schwarz, passend zum Motto entworfene Röcke und Accessoires. Viele Stammkunden schauen am Donnerstag bei Hertwig vorbei, um sich aufzuwärmen. „Eigentlich ist es zu voll für dieses Viertel mit den kleinen Gassen“, findet sie. „Wir haben einen enormen Zulauf“, sagt auch Veedelsmanager Aue. Einerseits sei das gut für das Image des Severinsviertels. Andererseits: „Irgendwann ist auch die Gemütlichkeit dahin“, sagt er. Grund zur Sorge sieht er aber derzeit nicht. Er ist sicher: „Das wird lustig und ungefährlich.“

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