„Jetzt erst recht!“Neue Stolpersteine im Agnesviertel erinnern an jüdische Karnevalisten

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Älterer Mann mit Hut vor einer Reihe Stolpersteine

Der Kölner Künstler Günther Demnig hat bereits zahlreiche Stolpersteine verlegt.

Die jüngste Stolpersteinverlegung für jüdische Karnevalisten wurde vom Terror-Angriff der Hamas auf Israel überschattet.

Traditionell haben parallel zum Karneval das Vereinsleben und der Gemeinschaftsgedanke bei der Karnevalsgesellschaft „Kölsche Kippa Köpp e.V. vun 2017“ einen hohen Stellenwert. Die jüdische KG mit ihren mehr als 50 aktiven sowie über 100 fördernden Mitgliedern in Köln und Bonn besitzt einen festen Platz in der jecken Kultur der Stadt und bringt sich seit ihrer Gründung ein.

Doch neben dem Frohsinn gibt es auch die dunklen Kapitel im Umgang mit den Juden in Deutschland und damit auch den Verbrechen an Kölnerinnen und Kölner jüdischen Glaubens in der Zeit des Nationalsozialismus. Mehr als 11.000 sind von hier aus deportiert und später getötet worden. Eine etwa ebenso große Anzahl konnte, beziehungsweise musste aus Köln auswandern. Zur Erinnerung an jüdische Karnevalisten und ihre Familien sind am Mittwoch mehrere neue „Stolpersteine“ verlegt worden, die Gunter Demnig zur Erinnerung an Verfolgte des Naziregimes in Köln im öffentlichen Raum auf Gehwegen vor Häusern installiert.

Schon zahlreiche hat der inzwischen europaweit tätige Künstler stadtweit verlegt, jetzt sind sieben weitere hinzu gekommen, die das Schicksal der jüdischen Karnevalisten Joseph und Siegfried Sommer sowie deren Familien im Vorübergehen anmahnen. Die neuen Steine im Agnesviertel und in Braunsfeld werden durch die 2017 wiedergegründete Kölsche Kippa Köpp gestiftet, seit 2018 knapp 20 davon.

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Köln: Stolpersteine sollen an jüdische Karnevalisten erinnern

„Als jüdischer Karnevalsverein haben wir es uns zur Aufgabe gemacht, die Erinnerung an die vielen jüdischen Kölnerinnen und Kölner im Karneval in der Zeit vor 1933 wachzuhalten“, betont bei der Stolpersteinverlegung vor dem Haus Blumenthalstraße 17 Aaron Knappstein. „Dabei gedenken die Kippa Köpp auch Joseph Sommer und seiner Familie", sagte der KG-Präsident. Für sie wurden bereits Steine in der Eupener Straße 24 verlegt.

Die Brüder und Kaufmänner Joseph (geboren 1890) und Siegfried (geboren 1892) Sommer waren aktive Mitglieder des „Kleinen Kölner Klubs K.K.K.“, des 1922 von Max Salomon gegründeten jüdischen Karnevalsvereins. Joseph Sommer konnte mit seiner Ehefrau Regina sowie der Tochter Lieselotte 1940 in die USA flüchten, Siegfried folgte mit seiner Frau Marianne und den beiden Töchtern Helga und Hannelore 1941.

Bei der Verlegung der Stolpersteine am Mittwoch (18. Oktober) sind etwa 20 Menschen dabei, die den von Vereinsvorstand Volker Scholz-Goldenberg vorgetragenen Auszügen aus Erinnerungs-Schriften von Tochter Hannelore ergriffen zuhören. „Mein Vater hat im Ersten Weltkrieg für Deutschland gekämpft und war nie ein Zionist“ (Anm. d. Redaktion: Ein Anhänger der Idee, einen unabhängigen jüdischen Staat anzustreben)“, lautet eine Passage daraus. „Aber es hat ihn gebrochen, dass er in seiner geliebten Heimat plötzlich verfolgt und mit dem Tod bedroht worden ist“, zitiert er die Tochter Siegfried Sommers weiter.

Bereits 33 Stolpersteine im Agnesviertel

Rund 33 Personen seien im Agnesviertel bereits Stolpersteine gewidmet worden, erläutert Scholz-Goldenberg. „Das Quartier war teilweise über Generationen hinweg von Jüdinnen und Juden bewohnt, bis zur Naziherrschaft von rund 600 Menschen“, sagt der Schriftführer der KG Kölsche Kippa Köpp.

Obwohl die Erinnerung an die Menschen aus dieser Zeit im Zentrum der Steine-Verlegung steht, werden über die Biographien der beiden Zweige der Familie Sommer am Mittwoch auch die zahlreichen Opfer der jüngsten Angriffe von Hamas-Terroristen angesprochen. „Obwohl wir hier nicht um unser Leben fürchten, rufen die Gewalt gegen Unschuldige und der Hass, den die Menschen in Israel derzeit erfahren, doch bedrückende Gefühle und Parallelen an die Geschichte der Jüdinnen und Juden von damals hervor“, hebt Scholz-Goldenberg hervor.

Das empfinden viele Anwesenden am Mittwoch so, es wird getrauert, und auch zwei Mitglieder der KG aus Bonn können ihre Tränen vor Ort nicht zurückhalten. Das ältere Paar aus Königswinter, das gerade von Verwandtenbesuchen aus Israel zurück ist, sei schockiert darüber, dass auch bei ihnen an der Haustür in Deutschland Schmähungen und Schmierereien vorgefunden worden seien.

Polizei Köln rät Karnevalsverein, öffentliche Aktivitäten zu reduzieren

Auch die Kölner Polizei habe dem Karnevalsverein aktuell geraten, seine öffentlichen Aktivitäten zu reduzieren und die Beamten vorab über jede Veranstaltung zu informieren. Die Stolpersteinverlegung hingegen war eine Aktion von Gunter Demnig und der Stadt Köln. Und auch wenn die Karnevalisten der Kölsche Kippa Köpp sich derzeit noch nicht so ganz auf den Frohsinn der kommenden Karnevalszeit freuen können, wie es vor Ort heißt, lautet ihr Motto dennoch, so die Meinung der meisten Anwesenden: „Jetzt erst recht!“

Die jüdische Kölner KG im Internet: https://kippakoepp.koeln

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