Das „Kumede“-Theaterensemble versetzte bei der Premiere seines neuen Stücks die Volksbühne am Rudolfplatz in heitere Atmosphäre. Eine Theaterrezension und Zuschauereindrücke.
„Habe mich totgelacht“Theaterstück „Ihrlich wäht am längste“ überzeugt mit Kölschen Musikeinlagen und rasanten Schlagabtauschen

Lisbet Faßbender, gespielt von Susanne Kamp, geriet mit ihrem Neffen Tünn Küppers, der durch Henri Henn verkörpert wurde, zahlreiche Male aneinander.
Copyright: Arton Krasniqi
„Lampenfieber habe ich immer noch. Wenn ich gleich auf der Bühne stehe, werde ich denken, dass ich tot umfalle und mich die ersten drei Minuten fragen, wieso ich das eigentlich mache.“ Nur wenige Minuten vor Premierenbeginn von „Ihrlich wäht am längste“ beschrieb Susanne Kamp, Schauspielerin und Regisseurin des Stücks, lachend und sich noch in der Maske kostümierend ihre Nervosität. Eine Premiere sei nie berechenbar und daher immer besonders aufregend, ergänzte sie. „Aber nach den ersten Lachern weiß ich dann wieder, wieso ich auf der Bühne stehe: Es bereitet wahnsinnig viel Spaß!“. Dabei sollten ebendiese Lacher bei der Premiere des neuen „Kumede“-Stücks am Freitag, 23. Mai, nicht einmal die vorausgesagten drei Minuten auf sich warten lassen.
Doppelleben im Bühnenbild
In der Volksbühne am Rudolfplatz, wo das neunköpfige Ensemble die Kölsche Adaption des Klassikers „Lügen haben junge Beine“ vom englischen Dramaturgen Ray Cooney vor ausverkauftem Publikum aufführte, ertönte bereits nach wenigen Sekunden der erste von Gelächter begleitete Applaus. Auslöser war der Auftritt von Andrea Kurth, deren Verkleidung samt Bademantel und Haarnetz als Gegenstück zur vorher aufgetretenen Nina Blume im langen Kleid und perfekt frisierten Haaren einen komischen Kontrast bildete. Verstärkt wurde dieser durch die Figurenkonstellation des Stücks: So trat Blume als Mia Küppers, Ehefrau von Schorsch Küppers (Max Krämer) auf, während Kurth Leni Küppers verkörperte - ebenfalls Ehefrau von Schorsch Küppers.

Anrufszenen mit verstellten Stimmen oder vermeintlich falschen Verbindungen waren ein zentrales Element der Inszenierung und erzeugten viel Gelächter. Hier spricht Lisbet (links) mit Leni.
Copyright: Arton Krasniqi
Die Ausgangslage des Theaterstücks ist folglich bereits zu Beginn der Aufführung verzwickt: Schorsch führt seit 20 Jahren ein Doppelleben. Mit seiner Frau Leni in Nippes hat er den 17-jährigen Sohn Tünn (Henri Henn), und aus der Ehe mit Mia ging schon vor 18 Jahren die Tochter Stina (Virgina Rade) hervor. Diese drei leben in Lindenthal zusammen. Im Bühnenbild umgesetzt wurde das Doppelleben durch eine Einteilung in eine linke Hälfte, die die Lindenthaler Wohnung zeigte und eine rechte, in der das Heim aus Nippes präsentiert wurde.
Alles zum Thema Rudolfplatz
- Politischer Liederabend Klaus der Geiger feiert 85. Geburtstag in der Volksbühne
- Kölner Markenwirtschaft Warum die Online-Marke Polestar jetzt den Schulterschluss mit Autohändlern sucht
- „Anpfiff zu neuem Spiel“ Reiner Calmund erklärt seine mysteriöse Ankündigung
- Spuren einer Partynacht AWB leert sonntags in der Kölner Innenstadt nicht alle Mülleimer
- Nach FC-Aufstieg Riesenjubel in Kölner Innenstadt – Verkehr auf den Ringen wieder frei
- „Rasen bekommt Ehrenplatz“ Platzsturm mit großen Emotionen – Partystimmung auf Kölner Ringen
- Klagen wegen Lärms Streit zwischen Kölner Volksbühne und einem Nachbar ist beendet
Während Schorsch diese zwei Wohnungen - oder in Anbetracht der fundamental verschiedenen Einrichtungen eher die zwei Welten - zuvor 20 Jahre erfolgreich auseinandergehalten hatte, lernen sich direkt zu Beginn des Stücks Stina und Tünn über das Internet kennen. Als wäre das nicht genug, gefallen die beiden einander und planten ein gemeinsames Treffen. 20 Jahre komplexe Lügengeflechte und seine gesamte Existenz drohen einzubrechen, wie Schorsch in den ersten Minuten des Stücks erfährt.
Eine senile Oma und Slapstick-Einlagen
Umgehend setzt er alles daran, das Treffen irgendwie zu verhindern - und erhält dabei Unterstützung von seiner Schwester Lisbet Faßbender, die von Kamp verkörpert wurde. Gleich zu Beginn der Handlung rückt sie in eine außergewöhnliche und ambivalente Rolle: Tadelt sie einerseits Bruder Schorsch wiederholt für sein Doppelleben und die Lügen, hilft sie ihm andererseits beim Vertuschen durch abgebrühte, kreative bis hin zu abstrusen eigenen Lügen. Sukzessive dichtet Lisbet so neue Details in die Geschichte ihres Bruders, um ein Aufeinandertreffen der Geschwister zu verhindern, nachdem Tünn tatsächlich die Lindenthaler Wohnung betreten hatte. Dafür erfindet sie fiktive Familienmitglieder, erklärt sie blind oder gar tot, wenn es der Erhaltung des Lügengeflechts hilft, täuscht Unfälle, die eigene Demenz und gegenüber Mia sogar eine Affäre mit Tünn vor. Dass Lisbet Tünns Tante ist, wissen dabei weder Tünn noch Mia.
Weil parallel zu Tünns Erscheinen in Lindenthal Stina die Wohnung in Nippes betritt, und auch die Ehefrauen die Wohnung der jeweils anderen besuchen und aufeinandertreffen, wird das Stück immer schneller, absurder und die Handlung verwickelter. Das spiegelt sich auch in den schnellen Schlagabtäuschen wieder, die allesamt auf reinem Kölsch gehalten sind und im Publikum besonderes Gelächter auslösten. Durch Slapstick-Einlagen der Nachbarn Häbäät (José Londji), der durch seine Vorspiele Kölscher Klassiker das Publikum in Schunkeln versetzte und Johannes Schlender (Helmut Heinz), wird die sonst immer dynamischere Handlung zwischendurch jeweils kurz angehalten und lässt Raum zum Durchatmen. Die demente Mutter Faßbender (Andrea Meuer), Mutter von Lisbet und Schorsch, sorgt ihrerseits durch eine aufbrausend-enthemmte Art jedoch für weitere Skandale und Probleme.
Als nach unzähligen Manövern, Ausreden, Lügen und Versteck-Spielereien ein Treffen zwischen Mia und Leni doch nicht mehr zu verhindern ist, verändert eine unerwartete Pointe noch einmal das gesamte Beziehungsgefüge des Stücks - und entlässt Schorsch als semi-geläuterten Antihelden. Als Protagonistin des Stücks muss dennoch die von Kamp verkörperte Lisbet bezeichnet werden, ohne deren Raffinesse und Einsatz die komödiantische Handlung und ein Großteil der komischen Szenen nicht möglich gewesen wären. „Am besten gefällt mir die Lisbeth“, äußerte so auch Zuschauerin Maria Stenzel, während ihre Freundin Anne ergänzte: „Ich habe mich heute totgelacht.“
„Ihrlich wäht am längste“ läuft noch bis zum 29. Juni in der Volksbühne am Rudolfplatz. Tickets sind online erhältlich und kosten 32,90 Euro; ermäßigt 30,70 Euro.