„Absolut vernachlässigter Stadtraum“Verband kritisiert unansehnliche Umgebung von Kölner Denkmälern

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Unter der Treppe vom Eingang von der ehemaligen Pfarrkirche Klein St. Martin ist ein Hinweisschild angebracht "Bitte Nicht" und zeigt eine durchgestrichene Figur die ihre Notdurft verrichtet.

Unter der Treppe vom Eingang von der ehemaligen Pfarrkirche Klein St. Martin sammeln sich die Mülltonnen.

Außenwerbungen, vernachlässigtes Umfeld, wachsender Verkehr – die Umgebung vieler Kölner Denkmäler beeinträchtige deren Wert.

Mit dem Kulturpfad „Via Culturalis“ möchte die Stadt ihre architektonischen Schätze der vergangenen 2000 Jahre ansprechender inszenieren. Geplant ist eine Art Open-Air-Museum zwischen Dom und der Kirche St. Maria im Kapitol. Da auch ein einheitliches Straßenbild zum Konzept gehört, wird auf der Gürzenichstraße aktuell ein neues Pflaster verlegt, eine Freitreppe vor St. Maria im Kapitol ist bereits fertiggestellt.

Der Kölner Regionalverband des Rheinischen Vereins für Denkmalpflege und Landschaftsschutz macht sich dennoch große Sorgen um die Denkmäler in der Innenstadt. Zahlreiche Gebäude von unschätzbarem Wert würden vom Erscheinungsbild ihrer Umgebung beeinträchtigt, sagte Vorsitzender Alexander Kierdorf am Dienstag auf einer Pressekonferenz.

Die Kirche Klein St. Martin gehe in ihrem Umfeld unter

Außenwerbungen und Stadtmöblierungen, die zu nah an die Gebäude heranrückten, ein vernachlässigtes Umfeld, wachsender Verkehr, nicht mehr zeitgemäße Informationstafeln – die Liste der Beanstandungen ist lang. Denkmalpflege, Eigentümer und Stadtgesellschaft hätten zweifellos Großes für den Erhalt der Denkmäler geleistet, so Kierdorf: „Aber diese Leistung geht verloren, wenn wir unseren Denkmälern keinen Raum zur Entfaltung ihrer Aura geben.“

Zusammen mit Geschäftsführer Martin Lehrer und Beisitzer Ulrich Bock führt Alexander Kierdorf zu Klein St. Martin nahe dem Heumarkt. Die Ursprünge der Kirche liegen im 15. Jahrhundert, heute ist nur noch der Turm vorhanden. Doch gerne schaut man sich hier nicht um, links und rechts schießen Autos auf der Pipinstraße und der Augustinerstraße an der Verkehrsinsel vorbei, auf der der Turm ein verlorenes Dasein neben wenig ansehnlicher Randbebauung fristet. Mülltonnen sind unter einer gammeligen Treppe deponiert.

Baumaßnahmen rund um die Denkmalstandorte dauern oft zu lang.
Alexander Kierdorf, Vorsitzender des Kölner Regionalverbands des Rheinischen Vereins für Denkmalpflege

Im Eingangsbereich zum Turm befindet sich zwar ein bedeutendes Portal von Heribert Calleen aus den 1960er Jahren, doch der Rest des Anbaus zeigt deutliche Verfallserscheinungen. Für Ulrich Bock handelt es sich um einen „absolut vernachlässigten Stadtraum, der für die Entwicklung der Via Culturalis aber ausgesprochen wichtig wäre“. Er schlägt unter anderem vor, die Verkehrsachse um eine Fahrspur je Fahrtrichtung zu verkleinern, um Klein St. Martin aus seiner Isolation zu befreien und näher an St. Maria im Kapitol heranzurücken.

Nicht weit entfernt befindet sich der Quatermarkt, ein Platz voller Beton und ohne Aufenthaltsqualität. Das Hotel, das hier entstehen solle, sei zwar generell begrüßenswert, so die Denkmalschützer. Doch die Architektur müsse unbedingt Rücksicht nehmen auf den Gürzenich und die Ruinenkirche Alt St. Alban direkt gegenüber. Denn auch dies moniert der Rheinische Verein: Jüngere Nachbarbebauungen nähmen oftmals wenig Rücksicht auf ein Denkmal. „Zudem dauern die Baumaßnahmen rund um Denkmalstandorte oft zu lang“, sagt Alexander Kierdorf.

Der Verein schlägt Alternativen für die Erweiterung der Hohenzollernbrücke vor

Auf ihrer Pressekonferenz äußerten sich die Vereinsmitglieder auch zu einigen Großprojekten. Das Zeughaus, das derzeit leer steht, müsse dringend saniert werden, um nicht weiter zu verfallen. Hier könnte eines Tages wieder das Kölnische Stadtmuseum einziehen, sollte das Projekt Historische Mitte am Roncalliplatz am Ende doch nicht verwirklicht werden. Das ehemalige Modehaus Sauer als Quartier des Stadtmuseums sei jedenfalls keine dauerhafte Lösung.

Die Vorzugsvariante der Verwaltung für die Erweiterung der Hohenzollernbrücke lehnt der Verein ab. Um mehr Platz für Fußgänger und Radfahrer zu schaffen, wird derzeit eine Konstruktion aus drei hintereinander angeordneten Bögen diskutiert, die schlanker und niedriger ausfallen würden als die jetzigen Fachwerkbögen. „Das würde optisch den Blick auf den Dom ganz klar beeinträchtigen“, kritisiert Ulrich Bock.

Der Verein schlägt alternativ vor, den bis zum Zweiten Weltkrieg bestehenden Brückenzug für Straßenbahnen und Autos zu rekonstruieren. Denkbar wäre es auch, eine selbsttragende Brücke ohne überspannende Bögen und Tragseile zu bauen. Als dritte Möglichkeit könnten die jetzigen balkonartigen Stege südlich und nördlich der Eisenbahnbrücke verbreitert werden.

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