Tagung zur Kölner Via Culturalis„Hier fallen die Menschen vom Berg runter“

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Die Visualisierung zeigt, wie die Historische Mitte Kölns in wenigen Jahren aussehen soll.

Ein Startpunkt der geplanten Kölner Via Culturalis, hier noch als Visualisierung mit Dom und drei städtischen Museen.

Im Historischen Rathaus wurde über die Via Culturalis diskutiert. Was halten auswärtige Experten vom Kölner Prestigeprojekt? 

Mit dem Dom kann man den Kölnern beinahe alles schmackhaft machen, und so erinnerte Henriette Reker bei der Eröffnung des Via Culturalis Forums an den legendären Baukran, der mehr als 500 Jahre als städtisches Wahrzeichen auf den Stummeln der Kathedrale thronte. Der Domkran, so die Oberbürgermeisterin, sei doch ein gutes Omen für die aktuelle Bauphase, in deren Zentrum die Museen der geplanten Via Culturalis stehen. Mit dieser Straße, die entlang einer Achse von der Historischen Mitte bis zu St. Maria im Kapitol zwei Jahrtausende Stadt- und Kulturgeschichte verbinden soll, will Köln bekanntlich in die erste Liga der Kulturhauptstädte aufsteigen. Am ehrgeizigen Zeitplan, der Fertigstellung im Jahr 2030, hielt Reker trotz Domkran-Metapher fest.

Vor das von Reker ersehnte „europäische Spitzenniveau“ hat die Vorsehung freilich etliche Baustellen gesetzt, die das Kölner Stadtbild mehr verschandeln werden als einst der beliebte Kran. Damit sich der Aufwand lohnt, hatte die Stadt Fachleute aus jenen Städten eingeladen, mit denen sie sich messen will: Wien, Frankfurt, München, Hamburg und Berlin. Der Dialog fand teilweise hinter verschlossenen Türen statt – und am Freitag im Historischen Rathaus vor zahlendem Publikum.

Stefan Charles möchte die Kulturmeile zur Via Cultura stutzen

Im Via Culturalis Forum berichtete zunächst Bettina Leidl, Geschäftsführerin des Museumsquartiers Wien aus ihrem Arbeitsfeld. Dabei zeigte sich rasch, dass dieses 90.000 Quadratmeter große, in sich geschlossene Areal mit der 800 Meter langen Via Culturalis wenige Gemeinsamkeiten hat. Leidl empfahl Köln ein zentrales Ticketing der Via-Museen und erinnerte daran, dass eine Marke wie die Via Culturalis nur so gut sei, wie die einzelnen Institutionen unter ihrem Dach.

Stefan Charles, Kölns Kulturdezernent, nahm das Stichwort dankbar auf, um die Kölner Museen zu loben und gleich darauf die Probleme der Via Culturalis zu benennen; und diese beginnen für Charles offenbar bereits mit dem Namen selbst. Die Erfindung des Kölner Architekten O. M. Ungers klingt tatsächlich etwas bildungshuberisch, aber auch Charles‘ Vorschlag, aus der Via Culturalis eine Via Cultura zu machen, erntete keine spontane Begeisterung im Publikum. Man müsse „vom Wünschen ins Wollen kommen“, so Charles weiter, der gute Argumente dafür sieht, dass Land und Bund das städtische Projekt weiterhin finanziell unterstützen.

Um die Aufenthaltsqualität in der Kölner Altstadt ist es alles andere als  gut bestellt

Im Laufe der Veranstaltung bildeten sich drei zentrale Problemfelder heraus: die Via Culturalis sei derzeit „noch im Stadium der Behauptung“, so Sybille Linke, Leiterin des Frankfurter Kulturamts, es mangele der Kölner Innenstadt generell an Aufenthaltsqualität, und die räumliche Nähe der geplanten Kulturmeile zu Einkaufsstraße und Feierzone sei „eine spannende Lage“, um einen Euphemismus von Eva Herr, Leiterin des Kölner Stadtplanungsamts, zu zitieren.

Tatsächlich dürfte es größerer Anstrengungen bedürfen, die Via Culturalis im Bewusstsein der Kulturtouristen zu etablieren, als etwa eine selbsterklärende Marke wie das Frankfurter Museumsufer (auch wenn die Mehrzahl der beteiligten Museen gar nicht am Mainufer liegt). Stefan Charles will mit dieser Entwicklung bei den Kölner Bürgern beginnen, etwa mit temporären Einrichtungen, die einen Vorgeschmack auf das Kommende vermitteln; aus dem Publikum wurde die Einrichtung von Infoboxen wie beim Berliner Stadtschloss angeregt.

Zur Aufenthaltsqualität der Kölner Plätze sagte Peter Cachola Schmal, Direktor des Deutschen Architekturmuseums in Frankfurt, diese zu verbessern, werde „lustig“, womit er wohl meinte, dass in dieser Hinsicht nicht viel zu holen sei. Stephan Lenzen, Kölner Landschaftsarchitekt, nannte die Via in ihrem aktuellen Zustand einen Transitraum: „Hier fallen die Einkaufsbummler den Berg runter zum Rhein.“ Marcus Dekiert, Direktor des Wallraf-Richartz-Museums, sah immerhin die Möglichkeit, dass einige purzelnde Passanten auch den Weg in sein Museum finden; dessen Erdgeschoss habe Ungers nicht von Ungefähr als Stadtloggia angelegt. Der Platz zwischen Wallraf und Miqua müsse attraktiv werden, so Dekiert, so ließen sich die Bürger mitnehmen.

Auch Eva Herr hofft auf eine „wechselseitige Befruchtung“ zwischen Hochkultur, Einkaufsmeile und Gastronomie, derzeit werde ihr die Via Culturalis noch zu sehr aus der Kultur heraus gedacht. Bei diesen Worten wurde dem Kölner Architekten Kaspar Kraemer möglicherweise ganz anders, denn für ihn scheint die Via Culturalis so etwas wie das letzte Mittel gegen die „Ballermannisierung“ der Altstadt zu sein. Was Aufenthaltsqualität ist, wird von den Stadtnutzern eben ganz unterschiedlich ausgelegt.

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