Missbrauchs-SkandalKölner Erzbistum sucht jetzt öffentlich nach Betroffenen

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Michael Schenk GRÖNERT

Michael Schenk vor dem Erzbischöflichem Haus

Köln – Im Fall des ehemaligen Kölner Priesters Michael Schenk, der als Kind von Geistlichen des Erzbistums sexuell missbraucht wurde, schaltet das Erzbistum zur weiteren Aufklärung und auf der Suche nach weiteren Opfern jetzt die Öffentlichkeit ein. In allen Gemeinden, in denen die 1999 beziehungsweise 2010 verstorbenen Beschuldigten als Seelsorger tätig waren, wird an diesem Wochenende während der Gottesdienste eine Kanzelerklärung (Proclamandum) verlesen.

„Wir sind es den Betroffenen von sexualisierter Gewalt schuldig, den jeweiligen Sachverhalt möglichst vollumfänglich zu klären und allen Hinweisen nachzugehen“, heißt es darin. Für „weitere Informationen und Erkenntnisse bitten wir die Öffentlichkeit um Unterstützung“.

Schenk wurde wegen Ungehorsams entlassen

Der „Kölner Stadt-Anzeiger“ hatte in der vorigen Woche erstmals über Schenks Vorwürfe gegen die Geistlichen Franzjosef S. und Kurt P. berichtet (Lesen Sie hier mehr: Missbrauchsopfer berichtet – „Sie haben mich mundtot gemacht“), aber auch über die – wie das Erzbistum inzwischen einräumt – unzulängliche, fehlerhafte und nach Ansicht von Experten grob rechtswidrige Behandlung des Falls unter dem früheren Kölner Erzbischof, Kardinal Joachim Meisner.

Dieser hatte den heute 52 Jahre alten Schenk im Jahr 2002 im Zuge der Aufarbeitung der für ihn traumatisierenden Erlebnisse wegen Ungehorsams aus dem aktiven Dienst als Priester entlassen. Für eine Prüfung von Schenks Glaubwürdigkeit stützte sich das Erzbistum auf die Ferndiagnose eines Psychologen, dem von Schenk lediglich einige Therapieberichte vorlagen. Es dauerte fast 15 Jahre, bis die Kirche Schenk als Opfer sexuellen Missbrauchs anerkannte. Eine Wiedergutmachung lehnt das Erzbistum bis heute strikt ab.

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Die Klarnamen der beschuldigten Geistlichen werden – was nach Angaben des Erzbistums rechtlich zulässig ist – in ihren ehemaligen Einsatzorten genannt. Dabei handelt es sich um die Gemeinden Sankt Michael in Waldbröl, Christ-König, Sankt Adelheid und Sankt Antonius (alle Bonn) sowie Sankt Mariä Empfängnis in Köln. Aus juristischen Gründen spricht der Text nur von „Verdachtsfällen“.

Das Proclamandum sei „nur in dieser Form möglich, da auch Verstorbene ein Recht auf Persönlichkeitsschutz haben – auch, wenn dies manchmal vor allem für Betroffene sexualisierter Gewalt schmerzhaft und berechtigterweise nicht gänzlich nachvollziehbar ist bzw. sein kann“, erklärt die Interventionsbeauftragte des Erzbistums, Malwine Marzotko, in einem Begleitschreiben an Schenk. „Dementsprechend ist mir bewusst, dass das Schreiben sehr formal ist und Sie womöglich aufgrund z.B. der Formulierung „Verdacht“ irritiert sind oder diese sogar als verletzend empfinden. Es wäre sehr bedauerlich für mich, wenn dies der Fall wäre. Allerdings haben wir rechtlich keine andere Möglichkeit.“ Dem eigentlichen Ziel, potenzielle weitere Opfer oder Hinweisgeber anzusprechen, werde mit dem Proclamandum gleichwohl entsprochen, betont Marzotko.

Michael Schenk ist erleichtert

Schenk zeigte sich auf Nachfrage erleichtert, dass das Erzbistum nun erstmals auf die Veröffentlichung seines Falls im „Kölner Stadt-Anzeiger“ reagiere. Er kritisierte aber, dass er – entgegen einer anders lautenden Zusage – keine Gelegenheit hatte, in dem Proclamandum noch etwaige Änderungen vorzunehmen, da ihm der Text erst am Freitagabend zugestellt worden sei. Außerdem lasse das Erzbistum eine zentrale Forderung weiterhin unerfüllt: eine öffentliche Ehrenerklärung des Erzbistums, das ihn unter Meisners Verantwortung seit 2005 als Lügner hingestellt und ihm seine Existenz als Priester genommen hatte.

Für Hinweise verweist die Interventionsstelle auf die unabhängigen Ansprechpersonen. Diese sind über folgende Rufnummern/E-Mail-Adressen erreichbar: Petra Dropmann, Tel. (0152) 52825 703 / petra.dropmann@erzbistum-koeln.de und Dr. Hans Werner Hein, Tel. (0152) 01642 394 / hans-werner.hein@erzbistum-koeln.de.  

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