Kölner Promis und ihre HobbysDem Marmor eine Form abtrotzen

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Bei der Arbeit mit dem Pressluftmeißel: Hobby-Bildhauer Norbert Walter-Borjans in der Toskana.

Bei der Arbeit mit dem Pressluftmeißel: Hobby-Bildhauer Norbert Walter-Borjans in der Toskana.

Köln – Aus dem italienischen Carrara-Marmor, den er für seine Skulpturen bearbeitet, hat Michelangelo vor 500 Jahren den David erschaffen. „Mich fasziniert dieses Gefühl, aus einem spröden Zeug wie Stein etwas unglaublich Weiches entstehen zu lassen“, sagt NRW-Finanzminister Norbert Walter-Borjans (62). Vor 13 Jahren hat er eine Reportage über ein Künstler-Camp in der Toskana gelesen, sich spontan für einen Zwei-Wochen-Lehrgang angemeldet und dadurch seine Lust an der Bildhauerei geweckt. Walter-Borjans zeigt auf ein aus zwei Teilen zusammengesetztes Gebilde, das vor seinem Schreibtisch in Düsseldorf steht. Werk Nummer sechs, erst vor wenigen Tagen vollendet. Der Arbeitstitel sei keinesfalls eine politische Anspielung: „Auf einen groben Klotz gehört ein grober Keil.“

Die gut einen Meter hohe, in ihrer eigenen Achse verdrehte Stele hat der Minister einem 130 Kilo schweren Quader abgetrotzt. Zunächst hat er die Skulptur mit einer Flex in ihre grobe Form gebracht. Danach hat er gemeißelt. Es folgte der Feinschliff; mit einem Schleifstein, mit grobem Sandpapier bis hin zu Schmirgelbögen in allerfeinster Körnung. Auf der Rückbank seines Wagens hat er Werk Nummer sechs nach Hause transportiert. In seiner Sülzer Wohnung verpasste er dem Objekt noch die abschließende Politur.

„Man kommt in eine andere Welt“, schwärmt der Mann, dessen Arbeitsalltag von Zahlen geprägt ist. Mehr noch als alles Kreative ist es die körperliche Arbeit, die Walter-Borjans an seinem Hobby schätzt. „Ich bin da eher handwerklich unterwegs.“

Das könnte an den Genen liegen. Sein Vater war Schreiner, seine Mutter Schneiderin. Ob aus Keramik, mit Holz oder dem Zeichenstift, er habe „schon immer irgendwelche künstlerische Sachen gemacht“. In seinem Büro zeugen zwei weitere Objekte von der gestalterischen Ader des Ministers. Ein schwarzes Gebilde, das wie ein übergroßes Ohr aussieht, und ein weißes in Form einer Schädeldecke. „Weißer Marmor ist wesentlich gutmütiger“, weiß Walter-Borjans aus eigener Erfahrung. „Schwarzer Marmor springt sofort, fast wie Glas.“

Erst joggen, dann werkeln

Siebenmal hat er das Campo dell' Altissimo in der nördlichen Toskana mittlerweile besucht. Es wird seit 25 Jahren von dem Berliner Bildhauer Peter Rosenzweig geleitet. Dessen Kollege Raphael Beil, unter anderem bekannt durch seine „Schwebenden Steine“ am Reichstag, ist nicht nur Vorbild des Finanzministers, sondern auch einer der Lehrmeister. Der Tag beginnt mit einer Joggingrunde, danach wird bis abends gewerkelt.

Mit den Jahren hat sich Walter-Borjans eine kleine Werkzeug-Sammlung zugelegt: Schutzbrille, Spitz- und Zahnmeißel in unterschiedlichen Größen, Schleifsteine. Seine jüngste Anschaffung ist eine mit Diamanten besetzte Scheibe zum Flexen. Er denke daran, aus Vierkanthölzern einen Arbeitsbock für den eigenen Keller zu bauen. Allerdings mache ihm das Bildhauen nur dann so richtig Spaß, wenn er sich stunden- und tagelang am Stück damit beschäftigen könne. Ansonsten sei zu wenig Fortschritt zu erkennen.

Wie er seine Motive finde? Unterschiedlich, sagt Walter-Borjans. Bei rundlichen Marmorbrocken, die die Form großer Kiesel haben, stelle sich Frage so: „Was sagt dir der Stein? Was lässt er aus sich herausschälen?“ Zu einem Klotz in Form eines Quaders pflege er ein ganz anderes Verhältnis: „Der sagt mir gar nichts – dem sage ich etwas. Der wird genau zu dem, was ich bestimme.“

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