Kölner Restaurants geschlossen„Henkersmahlzeiten” zum Abschied

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Das Essers von drinnen

  • Alle Kölner Restaurants sind seit Dienstag geschlossen. Am letzten Abend in "Essers Gasthaus" in Neuehrenfeld ging es emotional zu.

Köln – Ein letztes Bier, ein letzter Schnaps – dann ist Feierabend. Und keiner weiß, wann man sich an diesem Ort wiedersehen kann. Gegen Mitternacht schließt Andreas Esser die Tür seines Restaurants in Neuehrenfeld hinter den letzten sechs Gästen, die, solange es ging, am Tresen saßen. Die angebrochene Flasche Kräuterlikör haben sie leer gemacht, während der Koch in „Essers Gasthaus“ alles, was sich dazu eignete, in Weckgläsern verarbeitet hat. Gemüse muss man nicht wegschmeißen, Fleisch und Fisch ist nicht mehr viel da. Ein paar Essen sind am letzten Abend noch verkauft worden – „Henkersmahlzeiten“, wie  Wirtin Iris Giessauf sagt. Was danach kommt, mache ihr „unfassbar Angst“.

Die Stadt Köln ist weiter gegangen, als es bundesweit vorgegeben wurde. Während anderswo Restaurants zumindest tagsüber öffnen dürfen, ist in Köln in der Nacht von Montag auf Dienstag der komplette Betrieb eingestellt worden. Mit einer seltsamen Begründung, wie nicht nur Giessauf findet: Die Stadt schließt die Restaurants, weil sie sich nicht in der Lage sieht, die Vorgaben zum Schutz der Gäste zu kontrollieren. 

Der Wirt als „Gefährder”

„Quatsch“ findet die 47-Jährige diese Argumentation. Und trotzdem hält sie die Schließungen für richtig. „Wirtschaftlich ist das für alle Betroffenen ganz schlimm, aber es musste wohl sein.“ Als Wirt sei man schließlich ein „Gefährder“, weil man mit so vielen Menschen in Kontakt sei. Da reicht es wahrscheinlich nicht, dass hier seit Tagen die Kölschgläser mit heißem Wasser gespült wurden.

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Betreiberin Iris Giessauf

Der letzte Abend fällt der Wirtin schwer. Keiner darf zum Abschied umarmt werden. Eigentlich gibt es vor und hinterm Tresen nicht mehr viel zu lachen. Giessauf erzählt von ihrer 75-jährigen Mutter, die in Graz lebt. Diese habe ihr erzählt, dass ältere Menschen auf der Straße von Jüngeren beschimpft würden, weil man sie für die massiven Einschränkungen des öffentlichen Lebens in Österreich verantwortlich mache. Ihre Mutter habe ihr aber auch erklärt, warum die Menschen zur Zeit so viel Klopapier kaufen würden. „Wenn du einmal auf der Straße niest, wirst Du von 50 Leuten angeschissen.“ 

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Als Österreicherin habe sie gewusst, was auch auf deutsche Selbstständige  zukomme. Insofern sei sie nicht überrascht. Im Nachbarland sei man Deutschland ein paar Tage voraus. Die österreichische Regierung kommuniziere besser als die deutschen Politiker, die Ansagen seien klarer und verständlicher. „Man kann vom österreichischen Bundeskanzler Sebastian Kurz halten, was man will. Aber zur Zeit macht er eine gute Figur. Je strenger wir jetzt sind, desto schneller sind wir dadurch.“

Ihre letzten Gäste sind sich da nicht so sicher. Ein Nachbar am Tresen meint, dass die Einschränkungen unverhältnismäßig sind. Die Beschränkungen und die Vernichtung von Existenzen würden ein höheres Risiko bergen als das Virus. Ein anderer widerspricht. Keiner wisse doch genaues. Ein Besucher aus Buchheim bestellt zum dritten Mal die letzte Runde und meint, man müsse sich die Schuhe vor der Haustür ausziehen, damit das Virus nicht in die Wohnung komme.

Kurzarbeitergeld beantragt

Am Morgen nach der Schließung haben Iris Giessauf und Andreas Esser für fünf Mitarbeiter Anträge auf Kurzarbeitergeld geschrieben. Sie selbst werden ein paar Wochen ohne Einnahmen über die Runden kommen, sagen sie. Aber für viele Kollegen sei die erzwungene Schließung dramatisch. Besonders schlimm, vielleicht sogar ruinös werde es für diejenigen, die erst vor Kurzem ihr Lokal eröffnet haben. Die haben ihr Geld und Kredite in Umbauten und Ausstattung gesteckt und nun keine Reserven. „Wie soll das gehen?“, fragt Giessauf. Es sei ein Glück gewesen, dass es Karneval noch keine Einschränkungen gegeben habe. Das dort verdiente Geld nutzen Esser und Giessauf jedes Jahr für eine größere Renovierung oder Neuanschaffungen. In diesem Jahr sollte die Außenfassade gestrichen werden. Das fällt nun flach.

Backhendeltag als Außer-Haus-Service

Die beiden wollen zusammen mit ihrem Küchenteam überlegen, was man in den nächsten Wochen machen kann. Ein „Außer-Haus-Service“ sei denkbar. So bleibe man auch in Kontakt mit den Stammgästen aus der Nachbarschaft, so Iris Giessauf. Vielleicht werde man jeden Tag ein anderes Gericht zum Abholen anbieten.

Einmal im Monat ist im „Essers“ Backhendeltag. Die Hähnchen für den nächsten Termin am 2.April seien schon bestellt, das Reservierungsbuch für zwei Abendschichten ist voll. Die Wirte hoffen, dass sich die Gäste ihre Hähnchen trotz Restaurantschließung abholen, bezahlen und dann zuhause essen.

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