Kölns Oberbürgermeisterin über die Corona-Krise„Es besteht kein Grund zur Panik“

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Henriette_Reker_Interview

Kölns Oberbürgermeisterin Henriette Reker lobt die Besonnenheit der Kölner in der Corona-Epidemie. 

  • In Köln gibt es mittlerweile 244 nachgewiesene Fälle des Coronavirus (Stand Sonntagnachmittag).
  • Das öffentliche Leben ist weitgehend zum Erliegen gekommen. Wir haben mit Oberbürgermeisterin Henriette Reker über diese Ausnahmesituation gesprochen.
  • Das Interview wurde am Sonntag geführt, bevor klar war, dass sich Reker in häusliche Quarantäne begeben muss.

Köln – Frau Oberbürgermeisterin, wie ernst ist die Lage?

Wir befinden uns in einer absoluten Ausnahmesituation, wie sie so sicherlich noch keiner von uns erlebt hat. Aber es besteht nach wie vor kein Grund zur Panik. Wir ergreifen alle Maßnahmen, um die Ansteckungsgefahr zu minimieren. Und trotzdem wissen wir, dass sich viele von uns infizieren könnten. Aber das darf eben nicht in dem Maße geschehen, dass das Gesundheitssystem überlastet wird – das muss weiterhin funktionieren und handlungsfähig bleiben. Aber, und das ist mir ganz wichtig: Wir sind gut vorbereitet. Und unsere Maßnahmen werden dazu beitragen, das Risiko der Ansteckung weiter zu minimieren.

Warum hat die Stadt die bereits angeordneten Maßnahmen am Samstag noch einmal verschärft?

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Weil es uns gelingen muss, die Infektionsketten zu durchbrechen. Noch bildet der Anstieg der Krankheitsfälle bei uns keine steile Kurve – aber das kann sich natürlich jederzeit ändern.

Können Sie heute sagen, dass Sie die Lage in Köln im Griff haben?

Ja, das kann ich mit gutem Gewissen sagen. Und wir tun alles dafür, dass das so bleibt – und zwar rund um die Uhr.

Philharmonie_Corona

Auch die Philharmonie in Köln hat wegen der Corona-Epidemie geschlossen. 

Ist die Lage denn von Anfang an richtig eingeschätzt worden oder hätte es schon früher Einschränkungen geben müssen, etwa im Karneval?

Das ist im Nachhinein immer schwer zu beantworten. Ich würde sagen, dass wir die Lage nach damaligem Stand richtig eingeschätzt haben. Wir haben uns seit vielen Jahren auf Krisen vorbereitet, wir haben schnell einen gut funktionierenden Krisenstab eingerichtet. All das hilft uns jetzt natürlich.

Auch in Köln gab es am Wochenende leere Regale in den Geschäften. Was ist Ihr Rat an die Kölnerinnen und Kölner?

Dass man auf Hamsterkäufe verzichten sollte. Eine gewisse Menge an Grundnahrungsmitteln vorrätig zu haben, ist zu empfehlen. Aber das Bunkern von frischen Lebensmitteln oder auch Hygieneprodukten ist absolut nicht notwendig. Die Experten, mit denen ich spreche, sagen mir ganz klar, dass die Lieferketten weiterhin funktionieren. Dass jetzt nicht in jedem Supermarkt jede Sorte Dosenerbsen zu jeder Zeit und in jeder Größe vorrätig ist, kann sicher passieren. Aber die Geschäfte dürfen ja jetzt auch sonntags neu befüllt werden. Das hilft dann auch noch mal. Eines ist ganz klar: Die Versorgung mit Lebensmitteln ist und bleibt gewährleistet.

Wie lange wird dieser Ausnahmezustand denn andauern? Worauf müssen sich die Bürger dieser Stadt einstellen?

Ich gehe davon aus, dass er sicher noch Wochen andauern wird. Ich bin ja immer optimistisch und hoffe nicht, dass er Monate andauern wird. Aber er ist in jedem Fall vorübergehend. Die Einschränkungen, die wir den Menschen jetzt abverlangen, werden nicht von Dauer sein.

Universität_Köln_Corona

Die Kölner Universität hat wegen der Corona-Epidemie den Beginn der Lehrveranstaltungen im Sommersemester verschoben. 

Sind denn womöglich noch weitere Einschränkungen möglich?

Man sieht ja, was andere Länder gemacht haben. Das hat natürlich mit der Entwicklung der Infektionskurve zu tun. Steigt diese massiv an, muss das Gesundheitssystem vor der Überlastung geschützt werden. Und das kann man nur, indem man die Ansteckungsmöglichkeiten unterbindet.

Dann würden also auch Gaststätten und Restaurants geschlossen?

Wenn das notwendig ist, werden wir das auch machen. Wir sind in einer dynamischen Lage, die täglich neu bewertet werden muss.

Schon jetzt ist die wirtschaftliche Lage für manche Betriebe in Köln mehr als kritisch. Was kann die Stadt dagegen tun?

Wir wissen natürlich, dass es starke Einbußen vor allem auch bei den kleinen und mittelständischen Betrieben geben wird. Wir werden hier Hilfen organisieren und vermitteln, etwa über unsere Wirtschaftsförderung. Und wir haben auch die Kultur im Blick, vom Flaggschiff der lit.Cologne bis hin zu den freien Theatern.

Wie wollen Sie in dieser Situation konkret helfen?

Wir entlasten die Unternehmen vor allem bei der Gewerbesteuer. So kann ab sofort eine Absenkung der Gewerbesteuervorauszahlung beantragt werden. Darüber hinaus besteht bei allen Steuern, die wir als Stadt erheben, die Möglichkeit, Zahlungen zu stunden, wenn dadurch Liquiditätsengpässe in Folge der Corona-Pandemie vermieden werden. Auch die Stundungszinsen können erlassen werden. Eine drohende Vollstreckung kann auf Antrag zunächst ausgesetzt werden.

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Trifft diese Krise Köln als Event- und Kulturstadt besonders hart?

Ich möchte anderen Städten nicht zu nahe treten – aber ich finde schon.

Was glauben Sie, wie die Kölnerinnen und Kölner mit dieser Krise umgehen werden?

Genauso wie die Kölner die Integration nicht nur besingen, sondern auch umsetzen, werden sie in dieser speziellen Situation an jene denken, die besonders betroffen sind. Ich sehe jedenfalls bisher sehr viel Besonnenheit und Einsicht.

Welche Verhaltensregeln haben Sie sich selbst auferlegt?

Ich halte einen gewissen Abstand und fasse niemanden an außer meinen Ehemann.

Wie stellen Sie sicher, dass das Zusammenspiel von Verwaltung und Politik weiterhin gewährleistet ist?

Indem wir auch da auf die Situation reagieren: Wir werden Gremiensitzungen, die im Moment nicht unbedingt erforderlich sind, sicher überdenken. Und wir werden die nächsten Ratssitzungen möglicherweise in einer kleineren Besetzung durchführen. Dazu sind wir gerade mit der Politik in guten Gesprächen. Denn wir müssen ja insgesamt handlungsfähig bleiben, selbst wenn neben uns eine Bombe einschlägt, wie es Adenauer einmal formuliert hat. Und das werden wir.

Zur Person

Henriette Reker (parteilos) ist seit 2015 Oberbürgermeisterin von Köln. Am 17. Oktober, einen Tag vor der Wahl, wurde sie von einem Attentäter auf dem Braunsfelder Markt lebensgefährlich mit einem Messer verletzt.

Vor ihrer Wahl zur Oberbürgermeisterin war sie fünf Jahre lang Beigeordnete für Soziales, Integration und Umwelt bei der Stadt Köln. Reker ist mit dem Golftrainer Perry Somers verheiratet und lebt in Rodenkirchen. Sie will im September für eine zweite Amtszeit als OB kandidieren. (sbs)

Aber Sie schicken Teile der Stadtverwaltung ebenfalls ins Homeoffice.

Ja, wir bereiten gerade die technischen Voraussetzungen vor, damit 6000 unserer Mitarbeiter die relevanten Dienstleistungen der Stadt notfalls auch von zu Hause aus sicherstellen können. Wir müssen ja auch für uns als Stadtverwaltung Sicherheitsmaßnahmen ergreifen, um weiterhin funktionsfähig zu sein.

Das medizinische Personal nicht nur in den städtischen Kliniken, sondern in allen Krankenhäusern, zählt im Moment sicherlich zu den wichtigsten Menschen in Köln. Was geben Sie denen mit auf den Weg?

Es ist absolut anerkennenswert, was auf dem Gebiet in allen Bereichen geleistet wird. Ich wünsche allen Ärzten, Pflegern und Krankenschwestern natürlich unheimlich viel Kraft, aber auch die innere Ruhe, die es braucht, um sich selbst in dieser komplizierten Situation nicht zu verlieren.

Wie optimistisch sind Sie für die Lage in Köln mit Blick auf die nächsten Wochen?

Ganz wichtig ist, dass die Kölnerinnen und Kölner die notwendigen Maßnahmen mittragen. Dass jeder einzelne seine ganz persönlichen Pläne und Wünsche im Sinne der Gemeinschaft etwas zurückstellt, indem man etwa sein Freizeitverhalten ändert, die Schutzmaßnahmen beachtet und auf Hamsterkäufe verzichtet. Aber ich bin sicher: Gemeinsam werden wir auch diese schwierige Situation meistern.

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