Kölner SilvesternachtEx-Polizeipräsident Wolfgang Albers wird Fall für Karlsruhe

Wolfgang Albers
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Köln/Münster – Ralf Jäger (SPD) wirkt angespannt, als er am 8. Januar 2016 in Düsseldorf vor die Kameras tritt und sich breitbeinig vor den Mikrofonen aufstellt – ganz so, als solle dem NRW-Innenminister der Stand Sicherheit in turbulenten Zeiten geben. Die massiven Straftaten der so genannten Kölner Silvesternacht erschüttern seit Tagen das ganze Land. „Ich habe heute dem Kölner Polizeipräsidenten in einem persönlichen Gespräch mitgeteilt, dass ich ihn in den einstweiligen Ruhestand versetzen werde“, sagt Jäger. „Dieser Schritt ist nötig, um das Vertrauen der Öffentlichkeit und die Handlungsfähigkeit der Kölner Polizei zurückzugewinnen.“ Am Ende fügt Jäger noch hinzu: „Herr Albers hat für meine Entscheidung großes Verständnis aufgebracht. Das verdient Respekt.“
Entscheidung könnte weitreichende Folgen haben
Man darf bezweifeln, dass das so stimmt. Vielmehr hat Wolfgang Albers in der Folge gegen seine vorzeitige Versetzung in den Ruhestand geklagt – und am Mittwoch einen Teilerfolg vor dem Oberverwaltungsgericht (OVG) in Münster errungen. Die Entscheidung des 6. Senats könnte weitreichende Folgen auch für die Zukunft haben. Rechtlich sei Albers‘ Versetzung zwar nicht zu beanstanden, betonten die Richter. Es sei nachvollziehbar, dass das verloren gegangene Vertrauen mit demselben Polizeipräsidenten nicht wiederhergestellt werden konnte – vor allem angesichts der zu dem Zeitpunkt nahenden Großeinsätze im Straßenkarneval.
Allerdings ist das OVG davon überzeugt, dass die Versetzung in den Ruhestand gegen das Grundgesetz verstößt. So ist in Artikel 33 verankert, dass ein Beamtenverhältnis auf Lebenszeit geschlossen wird. Die Landesregierung hatte sich bei Albers‘ Abberufung dagegen auf das Landesbeamtengesetz gestützt, wonach Polizeipräsidenten in NRW als so genannte politische Beamte ebenso wie zum Beispiel Chefs der Staatskanzlei oder Regierungspräsidentinnen jederzeit in den vorzeitigen Ruhestand versetzt werden dürfen (Paragraf 37).
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In diesem Passus des Landesbeamtengesetzes sehen die Oberverwaltungsrichter nun einen Verfassungsverstoß. Ein Polizeipräsident müsste demnach jederzeit befürchten, in den Ruhestand versetzt zu werden, auch wenn er den Anforderungen an sein Amt „in vollem Umfang gerecht“ würde. „Dieser Eingriff in das Lebenszeitprinzip ist nicht gerechtfertigt“, führten sie aus.
Das Bundesverfassungsgericht hatte zuletzt 2018 betont, dass politische Beamte zum engsten Beraterkreis der Regierung zählen müssen. Nur dann dürfe das sogenannte Lebenszeitprinzip bei Beamten durchbrochen werden. Ein Polizeipräsident zähle aber nicht zum Kreis enger Berater der Regierung, entschied das OVG. „Ihm obliegt nicht die Umsetzung politischer Zielvorstellungen an der Nahtstelle von Politik und Verwaltung.“
OVG darf selbst keine Parlamentsgesetze verwerfen
Weil das OVG selbst keine Parlamentsgesetze wie das Landesbeamtengesetz verwerfen darf, hat es die Frage nunmehr dem Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe zur Entscheidung vorgelegt.
Das Kölner Verwaltungsgericht hatte Albers‘ Versetzung in den Ruhestand 2018 für rechtmäßig befunden. Dagegen war der frühere Polizeipräsident, selbst Jurist, vor dem OVG in Berufung gegangen.