Kölner ZentralmoscheeKuppel mit goldenen Botschaften

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Auf dem weichen Teppich sitzend, lassen sich Passagen-Besucher die Inneneinrichtung der Zentralmoschee erläutern.

Auf dem weichen Teppich sitzend, lassen sich Passagen-Besucher die Inneneinrichtung der Zentralmoschee erläutern.

„Gott, es gibt keinen Gott außer Ihm, dem Lebendigen, dem Beständigen. Nicht überkommt Ihn Schlummer und nicht Schlaf. Ihm gehört, was in den Himmeln und was auf der Erde ist.“ So beginnt der Thronvers, der als „Herrscher aller Verse des Korans“ gilt. Kalligraphisch ist er eingearbeitet in das sichelförmige Band, das sich um das runde Oberlicht aus Sprossenfenstern legt, das über dem Gebetssaal der Zentralmoschee in Ehrenfeld thront.

Anlehnung an den Halbmond

Die Sichelform folge derjenigen des Halbmonds, der in der islamischen Kultur eine besondere Bedeutung habe, sagt Semih Irtes, Architekt und Künstler aus der Türkei. Von ihm stammt das Konzept, nach dem der Innenraum des Kuppelbaus gestaltet ist. Vor mehr als 100 Besuchern, die auf dem weichen türkisfarbenen Teppichboden sitzen, erklärt er, welche Ideen ihn bei der Ausschmückung des Gebetssaals geleitet haben. Anlass sind die „Passagen“, das Begleitprogramm der Kölner Möbelmesse.

In der Sichel zeigt sich das Charakteristische der Formgebung, das die sechs Schalen aus Sichtbeton vorgeben, aus denen der Sakralbau zusammengesetzt ist: Krümmungen und Wölbungen. Sie kehren vielfach im Saal wieder, in der Gestalt der Predigt- und der Lehrkanzel, derjenigen der Gebetsnische und in den kalligraphischen Schriftbändern, die sich, aus Suren zitierend, an den Säumen von Betonschalen entlangziehen oder den oberen Kuppelraum von der Sockelzone trennen.

Verglaste Lichtbänder

Sogar im Teppichboden taucht die Krümmung auf: in den drei übereinander angeordneten kleinen Bögen, die, plastisch herausgearbeitet, hundertfach vervielfältigt und aneinandergereiht dafür sorgen, dass sich die Gläubigen in geraden Linien zur Vorbeternische hin ausrichten. Es ist Abend. Tagsüber wird der weite Raum durch die breiten verglasten Lichtbänder erhellt, die die Zwischenräume der frei voneinander stehenden, zweifach gekrümmten Schalen füllen.

Sich wandelndes Raumerlebnis

Im Wechsel von Tages- und Jahreszeiten ändert sich nach dem Willen von Paul Böhm, der die Moschee entworfen hat, das Raumerlebnis. Irteș bescheinigt dem Kirchenarchitekten, er habe „die osmanische Architektur gut studiert“ und, davon ausgehend, mit der aufgebrochenen, überall gerundeten Gestalt etwas einzigartig Neues geschaffen. Dieser Originalität entsprechend habe er selber sich in der Verzierung an der osmanischen und seldschukischen Tradition orientiert und diese, den Linien der Schalenform folgend, mit der Modernität des Baus zu einer Einheit zusammenzubringen versucht. Die Wände sind überzogen mit einem geometrischen, mit Sternen besetzten Reliefmuster aus Stuckplatten, die in Istanbul gefertigt wurden.

Biblische Figuren

Die Ästhetik der Dekoration ordnet sich natürlich der religiösen Bestimmung unter. In 59 kleinen Feldern im oberen Kuppelbereich tauchen die verherrlichenden Namen und Attribute Allahs auf; in sechs mittelgroßen Feldern an den Wänden der Empore, die an drei Seiten den rechteckigen Raum umläuft, sind biblische Figuren benannt, die nach islamischem Verständnis Vorläufer-Propheten sind wie etwa Abraham, Moses und Jesus; und in großen Rahmen finden sich kalligraphisch dargestellt die Namen Allahs, Mohammeds und der vier Kalifen.

Vergoldeter Kronleuchter

All diese Schriftfelder sind achteckig, so wie auch die Grundform des Gittermusters, das netzartig auf alle übrigen Flächen gelegt ist. Die Form beziehe sich auf den oktogonalen Stern, ein wichtiges Ornament in der seldschukischen Kunst, erklärt Semih Irtes; außerdem verweise sie darauf, dass es dem Koran zufolge acht Eingangspforten ins Paradies gebe. Nicht acht, sondern zehn Zacken hat dagegen der große, von einem Ring gefasste Stern, der am Scheitelpunkt der Kuppel angebracht ist; sieben Meter breit und vergoldet, bildet er den Kronleuchter.

Dezente Farbe soll Surentexte zur Geltung bringen

Alle Schriftzüge sind mit gelbem Blattgold überzogen und damit abgesetzt von den übrigen, hellgrauen Wandflächen, für deren Verzierung Weißgold verwendet wurde. Die dezente Farbe des Hintergrunds diene dazu, die heiligen Namen und Surentexte besser zur Geltung zu bringen, sagt Irtes. Die Verse sind in Absprache mit der Türkisch-Islamischen Union Ditib, Bauherrin der Moschee, und dem Kalligraphen Hüseyin Kutlu ausgewählt worden. Semih Irtes hat, wie er sagt, bei der Erfüllung der besonderen Aufgabe in Köln, an der ein 50-köpfiges Team mitgewirkt hat, den „Enthusiasmus“ aufgenommen, den Paul Böhm vorgegeben habe. Kein Wort zum langwierigen Rechtsstreit zwischen der Ditib mit dem Kölner Architekten über Baumängel. Jetzt geht es allein um Schönheit und religiöse Symbolik. Zur Begrüßung hat Nevzat Yasar Asikoğlu, Vorsitzender der Ditib, den Besuchern gesagt: „Mögen Sie ein Stück Erhabenheit mit nach Hause nehmen.“

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