Kommentar zum Missbrauchsprozess Ue.Die Kirche hat die Opfer vergessen

Lesezeit 2 Minuten
Neuer Inhalt (1)

Der 70 Jahre alte Priester Ue. muss ins Gefängnis und muss drei Nebenklägerinnen Schmerzensgeld in Höhe von 5000, 10.000 und 35.000 Euro zahlen.

Köln – Kein System ist gefeit gegen Missbrauch jeglicher Art. Kriminelle legen es ja gerade darauf an, Schwachstellen zu finden und auszunutzen. Deshalb braucht es Vorsicht, Wachsamkeit, Schutzvorkehrungen und Kontrollen.

An alledem hat es die katholische Kirche im Umgang mit Sexualstraftätern aus den eigenen Reihe fehlen lassen. Im Gegenteil: Das Selbstbild der „heiligen Kirche“ und des Klerus als „heiliger Stand“ ließ die Erkenntnis nicht zu, dass Missbrauch in der „DNA der Kirche“ (Bischof Heiner Wilmer) liegt. Um die Institution rein und makellos dastehen zu lassen, wurde systematisch weggeschaut, verdrängt, verharmlost, vertuscht. Und die Opfer – wurden vergessen.

Wille zur Wahrheit kann viel bewirken

Das ist im Missbrauchsprozess gegen den Priester und Serientäter Hans Ue. exemplarisch deutlich geworden. Ein staatliches Gericht hat in kurzer  Zeit mehr über die kriminelle Energie des Täters und damit über seine Gefährlichkeit in Erfahrung gebracht als kirchliche Ausbilder, Kollegen, Vorgesetzte in fast fünf Jahrzehnten. Das liegt, bei aller Bewunderung für die Prozessführung des Vorsitzenden Richters Christoph Kaufmann, nicht etwa an einer überirdischen Begabung des Richters, sondern am unbedingten Willen zur Wahrheit im Interesse der Opfer.

Hans Ue. muss für 12 Jahre ins Gefängnis. Der Beifall des Erzbistums Köln für diese Bestrafung wäre glaubhafter, wenn damit das Eingeständnis verbunden gewesen wäre, dass spätestens seit 2010 eine Fülle von Taten hätten verhindert werden können. Die Ankündigung von verschärften eigenen Kontrollen straffällig gewordener Täter lässt wenigstens ein Bewusstsein für Versäumnisse erahnen. Und die Klage, dass die Opfer allein gelassen und nicht gehört worden seien, ist zumindest auch in Form einer Selbstanklage formuliert.

Das könnte Sie auch interessieren:

Doch auf der Ebene der Institution und ihrer Repräsentanten ist das bis heute folgenlos. Bischöfe und Domkapitulare amtieren unbeirrt und munter weiter. Und am Mittwoch kehrt ein Kardinal zurück, dessen Rolle im Fall Ue. seit 2018/19 auch noch zu hinterfragen sein wird. Dass nur der Druck von außen Bewegung bringt – auch das ist eine Lehre aus dem Prozess gegen Hans Ue.

KStA abonnieren