Viele Staus1600 KVB-Fahrer streiken – Kölner kritisieren Aktion in Zeiten von Corona

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Leere Bahnsteige in Köln

Köln – Rechtzeitig informieren und mehr Zeit einplanen. Kölner Berufstätige, die sich an diese beiden Grundsätze gehalten haben, konnten trotz Warnstreiks im öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) am Dienstagmorgen den Weg zur Arbeit gelassener hinter sich bringen. Zu den Arbeitsniederlegungen hatte die Gewerkschaft Verdi für die Zeit von Dienstag, 3 Uhr morgens, bis zur selben Zeit am Folgetag aufgerufen.

Von den insgesamt 1600 Fahrerinnen und Fahrern der Kölner Verkehrs-Betriebe (KVB) saß Sprecher Matthias Pesch zufolge niemand am Steuer einer Straßenbahn oder eines Busses. Das erzeugte Staus auf den Zufahrtsstraßen in die Kölner Innenstadt.

Die Innere Kanalstraße, die B506 durch Köln-Dellbrück, die Opladener Straße entlang des Deutzer Bahnhofs sowie Teile des Militärrings, die Aachener Straße stadteinwärts und mit Ausnahme der Severinsbrücke auch alle Kölner Rheinbrücken waren ab etwa 7 Uhr stärker befahren als üblich. Autofahrer benötigten teilweise 15 bis 20 Minuten länger für den Weg in die Innenstadt.

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Die Radwege in Köln sind am Streiktag voll.

Viele Berufstätige waren demzufolge mit dem Fahrrad unterwegs, der im Lauf des Morgens einsetzende Regen veranlasste jedoch viele Menschen dazu, auf ein Taxi umzusteigen.

Taxifahrer in Köln hatten am Dienstag viel zu tun

Wolfgang Büttner fährt normalerweise um 7 Uhr mit seinem Taxi los, um neun Uhr hatte er am Dienstag bereits den siebten Kunden am Neumarkt abgesetzt. „Heute bin ich um sechs Uhr losgefahren, ich würde sagen, das hat sich gelohnt“,. Die Kunden seien zumeist bei guter Laune gewesen, fasste er seine Frühschicht zusammen. Auch an den Taxiständen auf dem Breslauer Platz sowie am Bahnhofsvorplatz herrschte in den Morgenstunden reger Verkehr. 

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„Ich bin seit 6 Uhr unterwegs, ab 7 Uhr gab es einen deutlichen Anstieg der Fahrtenanfragen“, bestätigte auch dort einer der Fahrer. Der Mann zeigte Verständnis für die Forderung der Streikenden nach mehr Geld. Es müsse sich lohnen, den ganzen Tag zu arbeiten und das Gehalt solle deutlich von Hartz IV abheben.

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Die verwaiste KVB-Haltestelle Rudolfplatz. 

Auch für Lena Henß hatte der Streik auch etwas Gutes. Weil ihre Kollegin aufgrund der Einschränkungen am Dienstag nicht zur Arbeit kommen konnte, hat die Verkäuferin in einer Buchhandlung die Schicht am Morgen übernommen. „Ich bin froh vor dem Monatsende noch ein paar Stunden bekommen zu haben“, sagte die 20-Jährige. Für den Streik habe sie Verständnis: „Ich glaube Bus- und Bahnfahrer werden nicht richtig wertgeschätzt. Wenn sie mit ihrem Gehalt unzufrieden sind sollen sie das deutlich machen. Und ab Mittwoch fahren die Bahnen ja wieder.“

Kölner kritisieren KVB-Streik in Corona-Zeiten

Längst nicht alle Kölner nahmen den Warnstreik gelassen hin. Wie viel länger sie am Dienstag für die Strecke von der Berliner Straße in Mülheim in die Innenstadt brauchte, ist Sarah Will am Morgen aufgefallen. „Normalerweise benötige ich 20, 25 Minuten bis zur Arbeit, heute brauchte ich die drei- bis vierfache Zeit“, so die Einzelhändlerin. Mit dem Bus habe sie auf dem überfüllten Clevischen Ring gegen 8 Uhr häufig und lang stillgestanden, berichtet die 28-Jährige. Auch, weil von der Bergisch Gladbacher Straße Pendler auf die Achse Richtung City geströmt waren. Will zeigte sich genervt und hält den Arbeitskampf darüber hinaus „gerade in Zeiten von Corona“ für nicht angemessen, sondern rücksichtslos. Diesen Vorwurf formulierten auch zahlreiche Menschen in den Sozialen Medien auf den Seiten der KVB – ebenso äußerten viele dort aber auch Verständnis.

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Die Haltestelle am Heumarkt in der Kölner Altstadt

Im Busverkehr Kölns haben am Dienstag nur die Fahrten stattgefunden, die nach Plan durch Subunternehmer durchgeführt werden, darauf hatten die KVB im Vorfeld hin gewiesen. Auch die Fahrgastzentren des Unternehmens blieben geschlossen. Da bei den Stadtwerken Bonn ebenfalls gestreikt wurde, sind auch die Linien 16 und 18 komplett ausgefallen. Die Fahrten der Deutschen Bahn im S-Bahn-, Regional- und Fernverkehr waren nicht betroffen, viele Menschen versuchten, darüber Teilstrecken ihres Arbeitsweges zu absolvieren. Ab dem Vormittag entspannte sich die Lage in Kölns dann, doch im Feierabendverkehr ist es erneut voll auf den Straßen der Stadt geworden.

Aus Gewerkschaftssicht verlief der Warnstreik am Dienstag erfolgreich. „Die Streikbereitschaft war sehr hoch, wir haben ein starkes Signal an die Arbeitgeber gesetzt,“, sagte Michael Munkler vom Verdi-Fachbereich Verkehr am Dienstag dem „Kölner Stadt-Anzeiger“. Forderungen sind bundesweit einheitliche Regelungen beim Ausgleich von Überstunden und den Zulagen für Schichtdienste. Auf Länderebene wird zudem über Verbesserungen bei Arbeitszeitregelungen und der Eingruppierung verhandelt. „Bei den Veranstaltungen an den fünf Betriebshöfen der KVB in Köln war die Stimmung gut“, so Munkler weiter. Es herrsche Einigkeit darin, dass man auch dazu bereit sei, künftig länger als einen Tag zu streiken.

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