EngagementKölnerin befreit Strände am Mittelmeer vom Plastikmüll

Lesezeit 5 Minuten
MDS-KSTA-2018-09-06-71-137226571

Eva Maria Pollmeier zeigt, was sie so alles gesammelt hat. 

Sülz – Ein Bräutigam ohne Kopf und eine Braut mit einem Rostfleck am Haar. Ein besonderes Andenken ist Eva Maria Pollmeier von ihrer langen Reise geblieben. Das Hochzeitspaar aus Plastik, Überbleibsel einer Torte, hat Gliedmaßen und Farbe verloren. Der Zahn der Zeit hat an ihm genagt, der Wind und das Wasser. Pollmeier hat die Figuren im Meeressand aufgelesen.

Das Plastikpärchen ist nicht das einzige Fundstück, das sie mitgebracht hat. Eine riesige Wasserflasche voller kleiner Kunststoffteile, stehen neben ihrem Campingstuhl auf einem Sülzer Bürgersteig. Pollmeier hat ihren grünen Van an der Münstereifeler Straße geparkt sitzt daneben, plaudert mit den Passanten und zeigt ihnen, was man außer Muscheln am Strand alles finden kann, Teile von Plastiknetzen und von Aquarienfiltern, Plastikstrohälme, und Hunderte kleinste Kunststoffteile, die einmal zu etwas Größerem gehörten. Auch jede Menge Tüten hat sie im Angebot.

Strände von Plastikmüll zu befreien, war die Mission, in der sie fünf Monate lang unterwegs war. Italien, Spanien, Portugal, Frankreich, Luxemburg und Frankreich hat sie bereist. Schon lange hatte sie den Traum, einmal ein halbes Jahr am Strand zu verbringen. „Ich liebe das Meer“, so die junge Frau. „Ich bin so oft wie möglich dort. Allerdings kann ich mich nicht daran erinnern, dass man früher dort so viel Müll gefunden hat wie heute. Ich bin ein Ästhet. Das stört mich schon deswegen, aber es ist natürlich vor allem für die Tiere, die im Meer leben, schlimm.“

Ihr 40. Geburtstag war für sie ein guter Anlass, ihren Traum vom Strandleben wahr zu machen – und das Angenehme mit dem Nützlichen zu verbinden. Pollmeier, die als Coach arbeitet, nahm sich eine Auszeit und startete eine Beach-Clean-Up-Tour zunächst in die schöne Schweiz. An einem kleinen Örtchen am Ufer des Lago Maggiore hatte sie ihren ersten Einsatz: Ein großes Rohr speiste den See mit Wasser – und mit benutzten Hygieneartikeln. „Am Rohr schwammen gebrauchte Tamponapplikatoren und Damenbinden, richtig eklig“, erzählt sie.

Der nächste Ort, an dem ihr schlecht wurde, war Sizilien. In einsamen Gegenden der Inselhauptstadt Palermo hatte sich der Müll zu Halden aufgetürmt. Doch ein Einheimischer warnte die Kölnerin davor, ihn aufzusammeln. Sie fragte nach dem Grund – und bekam keine Antwort. Die geheimnisvolle Warnung ließ Raum für Fantasie. „Vielleicht gibt es dort eine Müll- oder Plastikmafia?“, mutmaßt Pollmeier. Möglich wäre es schon, überlegt sie.

„Dort gab es wirklich zu jedem Espresso, den man trank, einen kleinen Plastikbecher mit Wasser. Als ich die Wirte darauf ansprach, sagten sie, das sei hygienischer, aber das ist natürlich Quatsch. Man kann ja auch Gläser heiß abspülen.“ Vielleicht sei auch einfach nur Bequemlichkeit der Grund für diese Verschwendung.

Baden verboten

Der dreckigste Strand, den sie während ihrer langen Reise sah, lag ebenfalls in Italien, an dem Ort Castellamare. „Der absolute Horror“. In der Hafenstadt ist Baden verboten, da der Fluss, der dort ins Meer mündet, von Fabrikanlagen so viel Gift ins Meer mitnimmt. Es ist keine Touristenstadt. Mit Folgen, wie Pollmeier beschreibt. „Der Strand gleicht eher einer Müllhalde, auch die Stadt versinkt im Müll.“ Die Menschen erzählten ihr, dass die Stadtverwaltung sich ein Jahr lang einmal darum gekümmert, ihre Aktivitäten dann aber eingestellt haben. Offensichtlich hat Castellamare den Kampf gegen den Müll aufgegeben.

MDS-KSTA-2018-09-06-71-137225647

Phänomen Plastisphäre: Muscheln an Kanister

Auch so manche Tiere haben sich auf das Plastik im Meer eingestellt. Ein skurriles Bild hat Pollmeier von ihrer Tour mitgebracht, es zeigt eine Muschelkolonie, die einen Plastikcontainer besiedelt. Mittlerweile hat die Wissenschaft einen Begriff für das gefährliche Miteinander von Tieren und Plastik: Die „Plastisphäre“ könnte gefährliche Bakterien nähren, befürchten Forscher. Etwas ist der Klettenbergerin noch aufgefallen: „Die Strände an Tourihochburgen sind oft klinisch rein. Da hat man das Gefühl, dass gerade noch die Kehrmaschine drüber gefahren ist.“ Doch sie hat auch die Naturschönheiten unter den Stränden entdeckt, beispielsweise auf der Ile D’Oléron in Frankreich.

Dass viele andere Strände nicht so sauber werden, selbst wenn sie dort Plastikmüll sammelt, ist Pollmeier klar. „70 Prozent des Plastikabfalls wird von Flüssen ins Meer geschwemmt. Der Rest gelangt von Booten, nicht vom Strand ins Meer“. Mit ihrer Aktion möchte sie auf das Problem aufmerksam machen. „Wenn die Menschen mich sehen und nur einige anfangen darüber nachzudenken, dass es so nicht geht, habe ich schon viel erreicht“, sagt Pollmeier. Bis es soweit ist und die Masse umdenkt, macht sie erst einmal zuhause weiter. „Ich möchte jetzt regelmäßig den Pilzberg im Beethovenpark reinigen.“

Plastikmüll im Meer

Bis zu 13 Millionen Tonnen Kunststoffabfälle landen jährlich in den Ozeanen. Flüsse bringen den Müll bis an die Küsten. Die Hersteller vieler Kosmetikprodukte verwenden Plastikgranulate in Peelings und flüssiges Plastik, um die Konsistenz von Cremes und Shampoos zu verbessern. Die Mikroplastik-Partikel sind zu klein, um herausgefiltert zu werden.

Mindestens 150 Millionen Tonnen Plastikabfall werden im Meer vermutet, in riesigen Müllstrudeln zirkuliert er in den Ozeanen. Der größte davon ist im Nordpazifik: Der sogenannte „Great Pacific Garbage Patch“ wurde 1997 entdeckt und hat die Größe von Mitteleuropa. Derzeit werden 311 Millionen Tonnen Plastik pro Jahr produziert, Tendenz steigend. Davon besteht ein knappes Drittel aus Produkten, die weniger als fünf Minuten genutzt werden – Wegwerfbecher, Einwegbesteck, Styroporschalen und etliches mehr. Viel Plastik, das wir täglich verwenden, ließe sich leicht ersetzen, etwa durch wiederverwendbare Wasserflaschen, Thermobecher, Lunchboxen oder den Stoffbeutel statt der Plastiktüte. 

KStA abonnieren