GeisbergstraßeBewohner der Sozialhäuser haben wohl eine Rückkehrchance ins Veedel

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Vier Wohnblöcke mit 49 Wohnungen gehören zur Siedlung. 

Klettenberg/Lindenthal – Für einige Klettenberger wird Silvester sehr besonders sein. Es wird der erste Jahreswechsel in einer neuen Wohnung, außerhalb ihres Heimatviertels. Sie sind nicht ganz freiwillig dorthin gezogen. Die Bewohner der „Sozialhäuser“ der Stadt an der Geisbergstraße 47 bis 53, die teilweise bereits in zweiter und dritter Generation dort leben, müssen sie bis spätestens zum 31. Dezember geräumt haben.

Viele sind schon ausgezogen, beispielsweise nach Raderberg. Aber auch in weiter entfernten Vierteln hat die Verwaltung ihnen Ersatzwohnungen angeboten, wie in Bickendorf und Vingst. Der Grund für die Umsiedlung: Die Stadtverwaltung möchte die stark in die Jahre gekommenen Häuser entweder sanieren oder abreißen und neu bauen.

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Die Bezirksvertretung Lindenthal hat sich nun in ihrer vergangenen Sitzung per Beschluss ausdrücklich für die Sanierung statt eines Neubaus ausgesprochen. Sie hofft, dass die Bewohner auf diese Weise bleiben können. Wenn die Bewohner dennoch ausziehen müssen, soll sie Rückkehrwilligen einen erneuten Bezug ermöglichen. Nur für den Fall, dass der Neubau unter ökonomisch-ökologischen Kriterien die erkennbar bessere Variante ist, befürwortet die Bezirksvertretung diesen. Er soll dann möglichst eine deutlich höhere Wohnungszahl aufweisen.

Bei beiden Alternativen sollen mit der Dämmung, Begrünung und durch Solarzellen mustergültige Standards verwirklicht werden. Zuvor hatte Josef Ludwig, der Leiter des Amts für Wohnungswesen, den Bezirkspolitikern im Rahmen einer von ihnen anberaumten „Aktuelle Stunde“ das Vorhaben vorgestellt und Fragen dazu beantwortet.

Warum möchte die Stadtverwaltung die Gebäude sanieren oder abreißen?

Ludwig erläuterte: Die Mehrfamilienhaussiedlung an der Geisbergstraße besteht aus vier Wohnblöcken mit 49 Wohnungen und zwei Büros. Sie wurde in den 60er-Jahren gebaut und 20 bis 30 Jahre später modernisiert. Mittlerweile genügt sie nicht mehr den baulichen Standards. Die dort lebenden Familien besitzen keinen Mietvertrag, sondern sind im Rahmen eines „öffentlich-rechtlichen Nutzungsverhältnis“ dort untergebracht.

Ludwig betonte, dass sowohl eine Kernsanierung als auch der Neubau den Auszug der Bewohner nötig machen würde. Fast allen Parteien seien mittlerweile neue Wohnungen angeboten werden. 26 davon in relativer Nähe in Raderberg. Die Stadtverwaltung habe eine Machbarkeits- und Wirtschaftlichkeitsstudie zur Entwicklung des Areals beauftragt. Dabei soll geprüft werden, ob die Häuser kernsaniert oder abgerissen und neu gebaut werden. Welche Alternative bevorzugt wird, soll die Politik entscheiden.

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Verlassener Hängesessel hinter einem der Sozialhäuser 

Nach Abschluss der Machbarkeitsstudie wird die Verwaltung einen Planungsbeschluss erarbeiten und im Frühjahr 2020 dem Stadtrat zur Entscheidung vorlegen. Auch die Bezirksvertretung wird zuvor befragt. Dann wird er umgesetzt. „Wir gehen davon aus, dass wir für die anschließende Planung, die Ausschreibung und die bauliche Umsetzung zirka drei Jahre brauchen“, so Ludwig.

Welche Kriterien sprechen eher für Sanierung, welche für den Neubau?

Ein Kriterium ist laut Josef Ludwig die Wirtschaftlichkeit, zudem die Frage, ob durch die Sanierung energetische Standards geschaffen werden können, die den heutigen Anforderungen entsprechen oder ob der Aufwand zu groß wäre. Auch wie man das Areal optimal ausnutzen könne, spiele eine Rolle. Ludwig vermutete, dass es aus Kostengründen dem Abriss und Neubau der Vorzug gegeben wird. Das würde auch größere Spielräume bei der Planung eröffnen. In den Wohnblöcken aus den 60er-Jahren gäbe es vor allem Drei-Zimmer-Wohnungen aus. Heute seien aber sowohl größere Wohnungen für Familien als auch kleinere gefragt. Es würde auch geprüft, ob bei der Sanierung aufgestockt oder bei Abriss höher gebaut werden könnte.

Hätte man nicht warten können bis entschieden ist, ob saniert oder neu gebaut wird und erst dann die Bewohner zum Auszug auffordern können?

Laut Josef Ludwig hätte die Verwaltung warten können, dann aber nicht mehr die Option gehabt, ihnen die 26 Wohnungen in der Raderberger Straße zur Verfügung zu stellen. Die Wohnungen seien Mitte dieses Jahres angemietet worden. „Wir mussten ein Belegungskonzept dafür entwickeln“, so Ludwig, „und es bot sich geradezu an, diese Wohnungen zu nutzen, um die zirka fünf Kilometer entfernt wohnenden Personen aus der Geisbergstraße unterzubringen. „Hätte ich diese 26 Wohneinheiten nicht gehabt, wäre der Umsetzungsprozess wesentlich komplizierter gewesen.“

Kann man nicht zumindest den Menschen, die schon seit Generationen an der Geisbergstraße leben, eine Rückkehroption einräumen?

Ludwig erläuterte, dass die für das öffentlich-rechtliche Nutzungsverhältnis gültige Satzung keine Rückkehroptionen vorsehe. Die Verwaltung möchte einen Rückzug nun aber doch ermöglichen, wenn der Wunsch danach besteht. „Eine mögliche Rückkehr wird bei unseren Erwägungen, wenn wir die Häuser in ein paar Jahren wieder in Betrieb nehmen, aber dennoch geprüft“, so Ludwig. „Ich kann garantieren, dass meine Sozialarbeiterinnen den Personenkreis, den wir ehemals umgezogen haben, fragen werden, ob er wieder zurückkehren möchte.“ Nach der Zeit, die vergehe bis die Häuser wieder fertig sind, sei aber wohl damit zu rechnen, dass der Anteil der Rückkehrwilligen kleiner geworden ist, weil sich die Menschen an ihrem neuen Wohnort verwurzelt hätten.

Was geschieht mit der Kita, die zum Areal gehört?

Ludwig erläuterte die Bedeutung der Kindertagesstätte: „Sie wird nicht nur von Kindern der Sozialhäuser, sondern auch aus der Nachbarschaft, genutzt.“ Dort würden die Kinderzahlen steigen. Die Kita müsse vergrößert werden, durch Sanierung oder Neubau. Sie wird daher ebenfalls schließen müssen. „Wir sind mit dem Träger in Kontakt und suchen nach Ausweichmöglichkeiten“, so Ludwig.

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