Klönsnack in Köln-JunkersdorfExil-Norddeutsche pflegen das Plattdeutsche im Verein

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Sechs Mitglieder des Klönsnacks

Sechs Mitglieder des Klönsnacks: Edgar Howeye (im Uhrzeigersinn), Wifried Darlath, Karin Howeye, Ludolf Schein, Irmgard Heesch und Ilse Stenzel sprechen regelmäßig Plattdeutsch.

Exil-Norddeutsche treffen sich in Junkersdorf regelmäßig zum Klönsnack, um das Plattdeutsche zu pflegen. 

Ein Wort reicht im Norden zur Begrüßung, den ganzen langen Tag: „Moin“, übersetzt nicht etwa „Morgen“, sondern schlicht „schön“. Wer das weiß, sollte allerdings nicht den Fehler machen, Norddeutsche auf überschwängliche Weise mit „moin, moin“ zu begrüßen. Das ist aus ihrer Sicht schon geschwätzig und fällt unangenehm auf. Ein solcher Kölscher wird als „Schwadebüddel“, Schwatzbeutel, betrachtet.

Über das richtige Maß im Umgang mit dem Grußwort klären einige plattdeutsche Muttersprachler Besucher gerne bei ihrem allmonatlichen „Klönsnack“ in Junkersdorf auf. Seit 20 Jahren treffen sich am Wiener Weg einige ins Rheinland ausgewanderte Nordlichter zu einem Gesprächskreis auf Plattdeutsch. Zwei Mitglieder, Ludolf Schein und Johann Kranz, haben ihn ins Leben gerufen. Silvester 2003 schalteten sie eine kleine Anzeige in allen Kölner Zeitungen: „Plattdüütsch klönen, Neeschierig? Anropen! Übersetzt: „Plattdeutsch quatschen. Neugierig? Anrufen!“ 15 Leute folgten dem Aufruf.

Kölner Exil-Norddeutsche aus unterschiedlichsten Regionen

Sie stammen aus unterschiedlichen nördlichen Teilen der Republik: aus Mecklenburg-Vorpommern, Schleswig-Holstein, Hamburg, Bremen, Niedersachsen und Ostwestfalen, und sie kamen mit den unterschiedlichsten plattdeutschen Dialekten im Gepäck. Heute sind es krankheitsbedingt nur sechs zum Snacken gekommen: Karin Howeye, die aus Lüneburg stammt, und ihr Mann Edgar aus Geesthacht, Schleswig-Holstein, sind dabei. „Uns trennte damals die Elbe“, erzählt Karin Howeye. Sie wuchsen „jenseits“ und „diesseits“ auf.

„Üver de Elf“ bedeutete damals noch eine Weltreise, aus heutiger Sicht in der norddeutschen Diaspora lag das andere Elbeufer direkt um die Ecke. Ludolf Schein wuchs in einem kleinen Moordorf in Niedersachsen auf, Ilse Stenzel im Nachbardorf. Trotzdem lernte Stenzel als Kind, dass ein Korb ein „Korv“ ist, während man in Scheins Heimatdorf, wenige Kilometer entfernt, bereits vom „Körv“ sprach. Wilfried Darlath ist in Petershagen-Quetzen knapp hinter der Grenze zu Niedersachsen aufgewachsen, in Ostwestfalen – wo dann auch nicht mehr „gesnackt“, sondern „gekürt“ wird.

Angelsachsen brachten Plattdeutsch mit

In Ostfriesland hingegen, so erläutern die Gesprächskreisteilnehmer, heiße es dann „praten“, wobei das „a“ wie eine Mischung aus „a“ und „o“ ausgesprochen wird, für die es im deutschen Alphabet eigentlich keinen Buchstaben gibt. Auch ein gewisser „Eij“-Laut, der durch das Plattdeutsche geistert, lässt sich nicht wirklich mit deutschen Vokalen wiedergeben. Weil es also schwierig ist, die Sprache angemessen schriftlich zu fixieren, hat sich der Kölner Klönsnack auch zur Aufgabe gemacht, sie über Hör-CDs zu dokumentieren, mit den unterschiedlichen Dialekten, die das Plattdeutsche aufweist.

Es hat eine eigene Grammatik – und mehr mit dem Englischen zu tun als mit Deutsch und mit dem Niederländischen. Ludolf Schein erklärt die Herkunft der Sprache: „Die Angelsachsen haben das Plattdeutsche mit herübergebracht“, so Schein. „Es war die Sprache der Hanse. Auf allen Segelschiffen ist Plattdeutsch gesprochen worden.“ Die Ähnlichkeit zwischen Plattdeutsch und dem Englischen ist unverkennbar: Neun Uhr, auf Englisch „nine o’clock“ heißt auf Platt „Klock negen“. Schein hat noch ein Beispiel: „Das 'to do' wird im Plattdeutschen auch verwendet und auch dem Verb nachgestellt“, erklärt er.

Kölsches Mädchen lernte Plattdeutsch von ihrem Mann

„Man sagt etwa: wenn du smoken deist, wenn du rauchen tust.“ Scheins Vater war Dorflehrer und hatte seine liebe Mühe, den Kindern Hochdeutsch beizubringen und das Tu-Wort nicht mehr ständig mitzuschleppen: „Das will ich aber nicht schreiben tun“, so lautete die Standard-Antwort der Schüler. Edgar Howeye erinnert sich daran, wie ein Mitschüler seinen Lehrer, der aus Ostdeutschland stammte, auf die Palme brachte, indem er stets von seinem Großvater als seinem „Opä“ sprach.

Zu der Zeit betrachtete man das Plattdeutsche noch als die Sprache der einfachen Leute vom Dorf, die man Kindern der Bildungschancen zuliebe möglichst austreiben musste. Heute ist man sich seines Wertes als Kulturgut bewusst. Die Menschen erfreuen sich an seinem Klang. Zum „Klönsnack“ gehört somit auch ein kölsches Mädchen, Irmgard Heesch, die Plattdeutsch von ihrem Mann gelernt hat und es nun weiter sprechen möchte. In den Bundesländern, wo es eigentlich zu Hause ist, wird es mittlerweile auch an Kitas und Schulen gepflegt.

Abitur auf Plattdeutsch in Mecklenburg-Vorpommern

Die alte Sprache ist in die modernen Lehrpläne aufgenommen worden. Universitäten wie Greifswald, Flensburg und Oldenburg bieten ein Germanistikstudium mit der Fachrichtung Plattdeutsch an. Wilfried Darlath hat weitere gute Nachrichten für Fans der Sprache: „In Mecklenburg-Vorpommern hat im vergangenen Jahr die erste Schülerin ihr Abitur auf Plattdeutsch gemacht“, erzählt er. „Es gibt moderne Lyrik, Science-Fiction-Filme, Theater- und Musikstücke, beispielsweise Hip-Hop mit Texten in Plattdeutsch.“

Die Sprache hat Zukunft, die Zahl der Klönsnacker steigt wieder. Und auch in Junkersdorf ist jeder Mitsnacker willkommen. Kontakt zu dem Gesprächskreis können Interessenten über Ludolf Schein aufnehmen, unter 0221-48 72 24 oder per E-Mail an: plattduutsch@aktiveslebenjunkersdorf.de

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