Köln-LindenthalStolpersteine erinnern an jüdische Familie Heymann

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Die neuen Stolpersteine mit den Fotos der Menschen, für die sie verlegt wurden. 

Lindenthal – Manchmal gehen schlimme Geschichten doch noch gut aus. Michael Heymann ist der lebendige Beweis. Er steht heute vor seinem Geburtshaus, an der Kinkelstraße 9, wo der Künstler Gunter Demnig vier Stolpersteine verlegt. Einer davon trägt seinen Namen. Die Quader mit den Messingplatten erinnern an ehemaligen jüdischen Hausbewohner und sollen sie aus der namenlosen Masse der Holocaust-Opfer herauszuholen und ihrem Schicksal eine Identität geben.

Heymanns Lebensweg endete jedoch nicht in einem der Massengräber. Er konnte mit seinen jüngeren Schwestern, seiner Frau, und zwei Neffen an den Ort zurückkehren, von dem er mit seinen Eltern 1937 nach Palästina floh. Damals war er anderthalb Jahre alt. Vor wenigen Monaten hat er das Elternhaus in Köln zum ersten Mal besucht. „Ich war schon in den 50er-Jahren einmal in der Stadt, wusste aber nicht, dass es das Haus noch gibt“, erzählt Heymann. „Mein Vater hat nie davon erzählt.“

Die Familie verließ das Land gerade noch rechtzeitig. Die Eltern Fritz und Edith Heymann waren zunächst für einen Monat allein nach Palästina gereist, ohne ihren Sohn Michael. Er blieb solange bei seiner Großmutter in Kassel. Als seine Mutter ihn abholte, hatte sie beim deutschen Konsulat in Tel Aviv den Tipp bekommen, besser nicht zu verraten, dass sie ausreisen wolle. So nahm sie mit ihrem Sohn erst einen Zug nach Zürich, wie bei einer kurzen Reise. Es war der Start in ein neues Leben.

Warum nun Stolpersteine auch an Überlebende erinnern? Sven Vorderstrase, Geschäftsführer des Design-Geschäfts Markanto, der sich dafür eingesetzt hat, dass die Stolpersteine für Fritz Heymanns Schwester, die Bauhauskünstlerin Margarete Heymann-Löbenstein, und seine Mutter Emma Heymann im vergangenen September und den Rest ihrer Familie nun verlegt werden konnten, schildert den Grund: „Jede Stadt und Gemeinde handhabt es anders. In Berlin wird tatsächlich nur Toten mit den Steinen gedacht“, so Vorderstrase. In Köln verfolge man hingegen den Ansatz, an alle Verfolgten des nationalsozialistischen Regimes zu erinnern. „Das ist meiner Meinung nach absolut gerechtfertigt, denn eine Abgrenzung zwischen dem damaligen Leid der Lebenden und der Toten ist nicht möglich“, so Vorderstrase. Viele Überlebende litten bis zu ihrem Tod unter den Spuren, die der Holocaust und die Verfolgung auf ihren Seelen hinterlassen hatte.

So wie das Familienmitglied, an das nun auch ein Stolperstein an der Kinkelstraße erinnert. Die 1904 geborene Trude Heymann, die zwei Jahre jünger als Fritz und sechs Jahre jünger als Margarete war, flüchtete 1939 mit ihrer Mutter Emma Heymann vor dem Terrorregime nach Holland. Dort versteckten sich beide erst gemeinsam, später getrennt. Emma wurde von den Nazis gefunden und 1943 in Sobibor ermordet.

Trude überlebte die Verfolgung – gezeichnet von den Ereignissen. „Sie wurde psychisch krank“, so Vorderstrase. Niemand wisse, was während ihrer Zeit im Untergrund passiert ist. Aber es liege nahe, dass es der Grund für ihren seelischen Zustand war. Sie starb später in den Niehler Heimstätten.

Ihr Bruder und seine Familie mussten sich in dem fremden Land, nahe der Stadt Tel Aviv, ein völlig neues Leben aufbauen. Edith hatte als Jüdin in der Nazidiktatur ihr Medizinstudium aufgeben müssen und arbeitete nunmehr als Hausfrau. Fritz hatte als Textilingenieur eine aussichtsreiche Stellung in der Firma seines Vaters gehabt, später schloss er sich einem Kosmetik- und Drogerieunternehmen an.

Michael bekam noch zwei Schwestern, Ruth und Yael. Er studierte Chemieingenieurwesen in Israel, promovierte in den Vereinigten Staaten, arbeitete dort als Forscher, gründete mit anderen die Ben-Gurion-Universität in Beer Sheba, wurde Professor für Elektrotechnik und Informatik, arbeitete als Forscher für die Nasa. Heute ist er Berater von General Motors zum Thema „Autonomes Fahren“ – und kann in Köln das Happy End seiner Lebensgeschichte erzählen.

Die Arbeiten der avantgardistischen Keramikkünstlerin Margarete Heymann-Loebenstein sowie der Bildhauerin und Bühnenbildnerin Marianne Ahlfeld-Heymann sind zum Jubiläum 100 Jahre Bauhaus noch bis zum 11. August im Museum für angewandte Kunst, An der Rechtschule, zu sehen.

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