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Nutzungsgebühren in KölnGeflüchtete zahlen 1600 Euro für Unterkunft – Mietforderung der Stadt sind oft hoch

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Auf Sesseln in einem großen Raum sitzen Menschen, eine Frau spricht in ein Mikrofon.

Bewohner und Bewohnerinnen von Flüchtlingsunterkünften in Köln sowie Mitglieder des Arbeitskreises Politik der Willkommensinitiativen diskutieren im Petershof über die Nutzungsgebühren.

Vertreter Kölner Willkommensinitiativen informierten über die Praxis der Stadt, geflüchtete Menschen für ihre Unterkünfte bezahlen zu lassen.

Igor Mancev floh mit Frau, drei Kindern und seinem Vater aus Mazedonien nach Deutschland, lernte die Sprache, fand einen Job als Altenpfleger. Er verdient nun 2000 Euro im Monat. Damit ist die Notlage für die Familie allerdings nicht beendet. Denn seitdem er ein Einkommen hat, übernimmt die Stadt Köln die Kosten für die Wohnung in der Flüchtlingsunterkunft nicht mehr, sondern stellt sie der Familie in Rechnung – und zwar 1600 Euro monatlich für 83 Quadratmeter.

Er gehört zu den Menschen, die an diesem Abend im Petershof am Lövenicher Weg 7 bis 11 von den horrenden Nutzungsgebühren berichten, die sie für ihre Unterkünfte zahlen müssen, seitdem sie arbeiten. Marianne Arndt vom Arbeitskreis Politik (AK) der Kölner Willkommensinitiativen, Dorothee Frings vom AK Politik und der Machbarschaft Petershof, und der Rechtsanwalt Jakob Kreuzer haben sie eingeladen, ihre Situation zu schildern.

Miete steigt um 300 Euro, als die Familie ein weiteres Kind bekommt

Einen ähnlichen Fall erzählt Inara Erjon (Name von der Redaktion geändert) aus Albanien. Die 30-Jährige bewohnt mit ihrer Familie ebenfalls eine 83 Quadratmeter große Wohnung und verdient als Bäckereiverkäuferin rund 550 Euro Mindestlohn, ihr Mann als Hausmeister 2000 Euro. Nach der Gebührenordnung der Stadt kostete ihre Unterkunft sie als fünfköpfige Familie zunächst monatlich 1250 Euro. Als sie ein weiteres Kind bekam und nicht mehr arbeiten konnte, stieg die Miete auf 1600 Euro, weil die Wohnung nun von einer Person mehr genutzt wird. Die gleiche Rechte wie Mieter auf dem freien Markt hat die Familie aber nicht: Besucher müssen die Wohnung um 22 Uhr verlassen.

Blick in die Unterkunft für Geflüchtete in Zollstock

Die Unterkunft für Geflüchtete am Südstadion in Zollstock.

Die Stadt erläutert ihre Rechnung: „Das Kommunalabgabengesetz NRW bestimmt, dass die veranschlagten Gebühren die Kosten der Unterkunft für Geflüchtete in der Regel decken sollen“, schreibt eine Sprecherin der Stadt. Die tatsächlichen Kosten seien aber höher als die geforderten Nutzungsgebühren. Die Stadt würde im Interesse des städtischen Haushalts allerdings zumindest einen Teil in Rechnung stellen. „Dass die Unterbringung von Geflüchteten teuer ist, hängt mit den hohen Mietkosten für Grundstücke und Immobilien in einer Stadt mit Wohnungsmangel und stetig steigenden Baukosten zusammen“, so die Stadtsprecherin.

Stadt Köln stellt Menschen Kosten anteilig in Rechnung

Die Kosten würden den untergebrachten Menschen in Rechnung gestellt, aber bis zu einer gewissen Mietobergrenze pro Person – anteilig auch vom Land oder vom Bund – erstattet. Daher errechnet die Stadt eine Nutzungsgebühr in Höhe der Obergrenze pro Kopf. So werden die Wohnungen mit jeder weiteren Person im Haushalt teurer. Wenn die Familie aber Einkommen hat, müssen sie die Rechnungen selbst übernehmen.

„Es geschieht hier genau das, was wir bei Wohnungsgesellschaften auf dem freien Markt als Mietwucher bezeichnen“, kommentiert die erfahrene Sozialrechtlerin Dorothee Frings. Der AK Politik hat mit einigen Betroffenen und Unterstützung des Rechtsanwalts Jakob Kreutzer mittlerweile beim Oberverwaltungsgericht Münster ein Normenkontrollverfahren angestrengt, mit dem die Gebührenordnung der Stadt Köln überprüft wird. Frings hält sie für rechtswidrig. „Die Stadt errechnet die Gebühren nach dem Kostendeckungsprinzip“, sagt Frings. „Es gilt aber auch das Äquivalenzprinzip. Das bedeutet, dass die Kosten der Gegenleistung entsprechen müssen.“ Das sei eindeutig nicht der Fall.

Marianne Arndt wünscht sich, dass die Stadt in diesen Fällen zumindest eine „Härtefallregelung“ einführt, die es auch bereits einmal gab. „Die Menschen würden liebend gern in eine andere Wohnung ziehen“, betont sie. „Die gibt es in Köln aber nicht.“ Rainer Kippe von der Sozialistischen Selbsthilfe Mülheim kritisiert schon den Ansatz: „Es ist eine Unverschämtheit, dass Beamte, die dem Gemeinwohl verpflichtet sind, eine Satzung entwerfen, gegen die Menschen vor Gericht ziehen müssen.“ Rebecca Wehling vom AK Politik weiß, dass die wenigsten sich wehren würden: „Die Menschen haben Angst um ihren Aufenthaltsstatus oder ihre Einbürgerung und dann zahlen sie das.“