Literaturpreis für Anna BrüggemannTatort-Star wird auf der lit.Cologne ausgezeichnet

Lesezeit 7 Minuten
Neuer Inhalt (8)

Anna Brüggemann

Köln – Die Schauspielerin Anna Brüggemann hat den Debütpreis der lit.Cologne 2021 gewonnen. Mit ihrem Erstling „Trennungsroman“ setzte sie sich gegen Lisa Krusche („Unsere anarchistischen Herzen“) und Mithu Sanyal („Identitti“) durch. Die drei Autorinnen waren von einer Jury vorausgewählt worden, letztlich entschied das Publikum der gestreamten Veranstaltung per Online-Voting. Das Silberne Schwein, gestiftet von der Rhein-Energie, wurde zum elften Mal verliehen und ist mit 2222 Euro dotiert. Wir haben mit Anna Brüggemann im Kaminzimmer des Festival-Hotels Dorinth am Heumarkt gesprochen.

Frau Brüggemann, wie wichtig ist ihnen dieser Preis?

Ein zweischneidiges Schwert: Preise sind wichtig, um wahrgenommen zu werden. Gleichzeitig ist ein Preis ja ein sportliches, ein Wettkampfprinzip, was man nur bedingt auf die Kunst anwenden kann. Deshalb sollte man sein Schaffen immer unabhängig von Preisen machen.

Alles zum Thema Film und Fernsehen

Aber eine Auszeichnung für seinen Erstling zu bekommen ist doch was, oder?

Das ist wahnsinnig toll. Allein die Nominierung war für mich unglaublich, weil ich das Gefühl hatte, niemand hat dieses Buch bisher gelesen. Und die, die es lesen werden, werden es schlecht finden. Allein hier stattfinden zu dürfen, empfinde ich als so ein Geschenk, auch angesichts der Vielzahl an Neuerscheinungen. Allein, dass ich hier lesen darf, über das Buch sprechen darf, ist großartig.

Zur Person und Buchtipps

Anna Brüggemann, geboren 1981 in München, wurde bekannt als Schauspielerin in zahllosen TV-Filmen und -Serien wie Tatort, Polizeiruf 110,  „Virus X“, „Anatomie“ oder „Unter Wölfen“. Mit ihrem Bruder Dietrich Brüggemann schrieb erfolgreich Drehbücher.

„Trennungsroman“ ist ihr Debütroman (Ullstein-Verlag, 20 Euro).

Buchtipps von Anna Brüggemann: Michel Decar, „Die Kobra von Kreuzberg“ , Ullstein-Verlag, 22 Euro) Josef Roth, „Die Geschichte von der 1002. Nacht“ (Verlag KiWi, 6 Euro) Adelle Waldman,  „Das Liebesleben des Nathaniel P.“  (Liebeskind-Verlag, 19,90 Euro) Carole Fives, „Eine Frau am Telefon“  (Deuticke-Verlag, 16 Euro)

(stef)

Nun haben sie schon erfolgreich Drehbücher geschrieben. Warum die Zweifel?

Da war ich ja Co-Autorin, neben meinem Bruder und einmal neben Caroline Link. „Trennungsroman“ ist jetzt mein ganz eigenes Werk, komplett meine Ideen, komplett meine Sprache – das ist schon etwas anderes.

Im Buch trennt sich ein Hipster-Paar um die 30, die Fragen nach Zukunft, nach Kindern werden gestellt. Die Geschichte ist stark strukturiert. Die Kapitel haben keine Titel, sondern werden heruntergezählt: es beginnt mit „Noch 31 Tage“ bis zur Trennung. Sind Sie ein Planer?

Ich bin ein Planer, aber dieser Countdown hat eher damit zu tun, dass ich es sehr interessant fand, mir diesen Zeitraum, diesen Monat vor der Trennung, anzugucken. Weil ich dachte, es muss ja diesen Zeitpunkt geben, wo man denkt: „Es ist alles gut“. Und dann muss es diesen Zeitpunkt geben: „Ne, alles ist nicht gut, aber wir kriegen das hin.“ Und dann muss irgendwann der Punkt kommen, wo man denkt: „Nichts ist gut und wir kriegen’s nicht hin.“ Diese Schritte haben mich interessiert. Die Schritte, die die beiden erleben, sind zu den Kapitelüberschriften geworden. Das ist ihr Trennungsalltag.

Das könnte Sie auch interessieren:

Was sie aber nicht wissen.

Nein, sie wissen es nicht, aber bei einer Trennung, auch im realen Leben, weiß man unterbewusst, wo das alles hinläuft. So geht es auch Thomas und Eva, die spüren das. Egal, was sie versuchen, sie können sich diesem Strom nicht entgegenstellen. Deswegen diese Klarheit, der Countdown von Anfang an.

Wie stark autobiografisch ist das?

Gar nicht. Es gibt tolle Autofiktion, das ist auch schwer In gerade. Aber ich schreibe eher Sachen, die ich beobachte oder erspüre. Etwas rein Biografisches könnte ich fast mit meinem Gewissen nicht vereinbaren.

Sie legen großen Wert auf kleine, feine Details beim Schreiben. Beim Lesen frage ich mich, ob man sowas erfinden kann oder nicht doch erlebt haben muss.

Natürlich gehört da eine gewissenhafte Selbstbefragung zu: Habe ich das schon erlebt? Wie fühlt sich das an? Aber ich beobachte eben auch viel. Oder bekomme etwas erzählt. Wenn man genau hinhört, sich einspürt, kriegt man viel mit. Und ein bisschen Fantasie ist auch dabei – das Reich der Fantasie mag ich sehr. Ein nicht zu unterschätzendes Land.

An einer Stelle beschreiben Sie Evas Stimmung: „Ein Abend der unangenehmen Mitte“ und lassen sie sich fühlen wie eine Stehlampe. Ein tolles Bild. Kenne sie das Gefühl?

Klar habe ich mich schon als Stehlampe gefühlt. „Wer nicht?“ würde ich denken. Aber das spielt alles in Evas Kosmos und muss diesem dienen.

"Das spielt alles in Evas Kosmos und muss diesem dienen"

Sie kommen ursprünglich vom Film, sind Schauspielerin. Denken Sie in Bildern beim Schreiben?

Eher in Bewusstseins-Strömen. Oder in Welten. Beim Drehen übrigens auch. Aus Gefühltem und Gesehenem. Wie so ein Traum. Man versucht sich rein zu versetzen und mit zu schwimmen. Was schön ist.

Die Geschichte spielt in der Berliner Hipster-Szene.

Ja, aber ich hätte das nicht geschrieben, wenn es nicht allgemein gültig wäre. Es könnte auch in Bielefeld oder Regensburg spielen. Ich lebe in Berlin und kenne mich das aus.

Kennen Sie Köln?

Ein bisschen. Ich hab hier manchmal gedreht, da lernt man eine Stadt nur so halb kennen. Zwischen Campingwagen am Rheinufer und Hotel. Wenn man mal frei hat, guckt man, was der Radius erlaubt.

Gibt es etwas, dass sie beeindruckt hat?

Ich mag das Belgische Viertel, aber wer mag das nicht. Was mich immer beeindruckt hat,  ist die Liebe der Kölner zu ihrer Stadt. Diese Enge, die, wenn man aus Berlin kommt, besonders auffällt,  die 60er Jahre-Bauten, das feiern die total ab. Ein Freund in Berlin kommt aus Köln, und sein Herz fließt über vor Liebe, immer wieder, wenn ich die Stadt erwähne. Sehr schön. Was mir auch gefällt ist die Weite der Rheinwiesen.

Neuer Inhalt (8)

Im Kölner Tatort "Gefangen" spielte Anna Brüggemann neben Hauptkommissar Max Balluaf (Klaus J. Berendt)

Was haben sie zuletzt hier gedreht?

Einen Kölner Tatort, vor zwei oder drei Jahren, mit Ballauf und Schenk.

Im Tatort sind sie öfter?

Ja, das muss jetzt auch mal aufhören. (lacht) Ich glaube, ich habe zu viele gemacht. Nicht, dass das so ein Perpetuum Mobile wird.  

Im Korsett der Krimi-Handlung

Wieso? Sind sie auf eine Rolle festgelegt?

Nein, erschreckender Weise hat das, was ich spiele, oft mit meiner Haarlänge zu tun. Sonst nicht. Die Rolle einer traumatisierten Polizistin hat sehr viel Spaß gemacht, aber ich hatte trotzdem das Gefühl, ich kann sie gar nicht ganz erzählen, weil es ja immer im Korsett der Krimi-Handlung ist. Man kann eine Mörderin nicht so spielen,wie man denkt, dass eine Mörderin tickt, dann wüsste der Zuschauer ab Minute eins, dass man es ist.

Das ist bei selbst geschriebenen Drehbüchern einfacher. Gibt es ein neues Projekt?

Nein, geschrieben habe ich aktuell nur das Buch, aber im Herbst kommt ein neuer Film von meinem Bruder und mir. Der heißt „Nö“, Alexander Khuon und ich spielen die Hauptrollen. Es geht um ein Paar im Laufe von sieben Jahren, das versucht, seine Liebe zu verteidigen gegen die Unwägbarkeiten des Lebens. Ein Film mit surrealen Elementen und nur vierzehn Schnitten.

Neuer Inhalt (8)

Schauspielerin Anna Brüggemann gewinnt mit ihrem "Trennungsroman" das "Silberne Schwein", den Debütpreis der lit.Cologne 2021.

Die lit.Cologne 2021 ist Pandemie-bedingt rein digital. Wie ist es, eine Lesung nur für die Kamera zu machen?

Ich hatte noch nie eine Lesung vor Publikum, insofern habe ich den Vergleich nicht. Wir waren zu viert auf der Bühne, im Theater im Tanzbrunnen waren auch Techniker. So gesehen ein Upgrade zu anderen Terminen. Bei einem Radio-Interview stand ich mit einem Riesen-Mikro allein in einer Minibox.  Ich war im ZDF-Mittagsmagazin, alleine im Studio mit Greenscreen, die Moderatorin auf einem Mini-Bildschirm zu meinen Füßen. Das war so surreal, ganz ohne Gegenüber. Ich hatte keinen Resonanzraum. Ich habe mit Technik über mein Buch geredet, das war etwas verstörend (lacht). Insofern empfinde  ich die digitale lit.Cologne schon als Luxus. Mit Moderator und echten Menschen.

Aber die Publikumserfahrung fehlt?

Ja, die fehlt total. Ich hatte sie nicht, aber sie fehlt mir auch. Vielleicht kann ich ja noch mal kommen.

Wollen Sie das Buch verfilmen?

Das werde ich oft gefragt. Wenn, würde ich es gerne selber machen, auch die Regie. Aber das würde heißen: noch einmal drei Jahre mit diesem Stoff. Ich weiß nicht, ob ich das möchte. Ich kenne Eva und Thomas doch schon sehr gut.

Gibt es ein neues Buchprojekt?

Im Herbst will ich etwas neues anfangen. Ich vermute, es wird ein Roman über mehrere Generationen Mütter und Töchter und dieses sehr interessante, spezielle Verhältnis.

KStA abonnieren