Empörte PassantenDarum mäht die Stadt Köln die Blumenwiesen mitten in der Blühzeit

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Mäheinsatz im Blütenmeer: Darauf reagierten viele Menschen mit Unverständnis und Empörung.

Köln – Welch eine Pracht: In blau und rot, lila, weiß und gelb blühte es in vielen Parks und an Straßenrändern. Schmetterlinge und Falter gaukelten von Blüte zu Blüte. Und wo nicht gerade Straßenlärm toste, war sogar das Summen von Bienen und Hummeln zu hören.

Das Idyll von scheinbar intakter Natur mitten in der Stadt wurde vergangene Woche vielerorts jäh gestört. Als nämlich Trupps mit Treckern, Balkenmähern und Motorsensen anrückten.

Vorwürfe von Passanten und Spaziergängern

Wahrlich kein leichter Job für Mitarbeiter der Grünflächenamtes oder von diesem beauftragter Unternehmen. Was sie da gerade tun, müssen sie nämlich nicht selten aufgebrachten Passantinnen und Spaziergängern erklären. „Warum zerstört Ihr gerade jetzt die schönen Blumen?“ ist die am meisten gestellte Frage. „Ihr nehmt den Insekten die Nahrungsquelle“, lautet der Vorwurf.

Und gerade das könne doch nicht gewollt sein, wo doch das vor erst wenigen Jahren von der Stadt stolz an den Start gebrachte Projekt der artenreichen Wiesen zum Ziel hat: Insektenvielfalt bewahren. In Grün- und Kleingartenanlagen, auf Friedhöfen und den Randstreifen der Straßen soll es immer bunter werden.

Das Mähen der Kölner Wiesen ist notwendig

Die Arbeiter vor Ort beteuern meist nur, dass sie längst nicht so tief herunterschneiden, wie bei einem Rasenschnitt. Und außerdem bleibe das Mahdgut, also die gekappten Stängel , Halme, Blätter und Blüten, noch bis zu zwei Wochen liegen, damit die Samen trocknen und herausfallen können. Für längere Diskussionen und Vorträge fehlt die Zeit. Nicht nur redensartlich duldet Heuernte keinen Aufschub.

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Joachim Bauer, stellvertretender Leiter des Grünflächenamtes erklärt: „Artenreiche Wiesen entstehen dort, wo der Mensch im Einklang mit der Natur die Fläche bewirtschaftet und die Standortverhältnisse gegeben sind. Würde man die Fläche sich selbst überlassen, würde über kurz oder lang ein Wald entstehen.“

Stadtwiesen müssten zweimal jährlich gemäht werden, erklärt auch eine Projektbroschüre von Stadt Köln und Naturschutzbund Nabu, der die Stadt fachlich berät und begleitet. Das sei notwendig, damit die kräftigsten Kräuter und Gräser die Bestände nicht dominieren und zartere Geschöpfe ersticken.

Der erste Schnitt erfolge zwischen Ende Mai und Ende Juni während der ersten Wiesenblüte. Das war auch der Zeitraum, in dem sowohl beim Grünflächenamt als auch auf der Kölner Nabu-Geschäftsstelle beinahe täglich das Telefon klingelte und aufgebrachte Menschen aus nahezu allen Stadtteilen das Mähen beklagten.

Durch die Pflege wird die Pflanzenvielfalt ermöglicht

Volker Unterladstetter, Leiter der Wiesen-Projekte beim Nabu, kennt die Kommentare gerade auch in Bezug auf die Nahrung für Bienen, Falter und Co.. „Ich frage dann immer zurück, ob man nur für den Moment eine hübsch aussehende Wiese haben wolle, oder dauerhaft jedes Jahr“ erklärt er. Mähen müsse sein, um wieder Licht zu den Pflanzen zu bringen, die später im Jahr kommen. Außerdem würden einige der abgemähten Pflanzen im Spätsommer ein zweites Mal blühen.

Wichtig sei dies nicht nur für die Insekten, die dann wieder auf Nahrungssuche sind. Mähe man nicht, oder zu spät werde die gewünschte Pflanzenvielfalt und Buntheit verhindert. „Dann setzen sich oft schon im Jahr darauf wieder nur Gräser und Brennnesseln durch und den Insekten fehlt erst recht die Nahrung“, warnt Unterladstetter. Durch Pflege werde es erst bunt und gerade bei neu angelegten artenreichen Wiesen sei es besonders wichtig, zeitig zu mähen.

„Wiesen sind Jahrhunderte alte Kulturen“

Es sei ein Irrtum zu glauben, dass die bunt blühenden Wiesen ein Ergebnis von Mutter Natur seien. „Wiesen sind Jahrhunderte alte Kulturen, die der Mensch angelegt hat, um Futter für seine Tiere zu erzeugen“, erklärt er weiter. Den Menschen sei es weniger darum gegangen, sich an Bienen und Hummeln zu erfreuen.

Mehr als ein- bis zweimal im Jahr zu Mähen war nicht möglich. Doch auf diese Weise konnte sich die Artenvielfalt erst entwickeln. „Genau das ahmen wir jetzt wieder nach“, so Unterladstetter, der darin in Köln so etwas wie eine „Revolution“ sieht.Das Bewusstsein vieler Mitarbeiter bei der Grünverwaltung habe sich gewandelt.

Viele Kölner Pilotflächen für Artenvielfalt

Pilotflächen waren im Inneren Grüngürtel nahe der Aachener Straße und im Bürgerpark Nord in Ossendorf im Jahr 2016. Im rechtsrheinischen Äußeren Grüngürtel wurde das Projekt, aus Rasenflächen Wiesen zu machen, 2019 fortgesetzt. Anfang des Jahres sorgten weitere neue Anlagen in den Bezirken Nippes, Ehrenfeld und Rodenkirchen für Aufsehen.

Als nämlich in mehreren Parks breite Rasenstreifen zunächst schnurgerade gepflügt und anschließend eingesät wurden, begann bei vielen Bürgerinnen und Bürgern das Rätselraten über Sinn und Zweck dieser Maßnahmen.

Die besorgten Anrufe und Fragen, so Unterladstetter, seien auch ein Zeichen, dass die Menschen sensibler geworden seien. Er freue sich, dass sich immer mehr Menschen in der Stadt dafür interessieren, wie eine Wiese entsteht und funktioniert.

Weitere Infos gibt es beim Nabu Köln und auf der Internetseite der Stadt Köln.

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