Millowitsch-Interview„Köln sollte der lit.Cologne nach der Absage finanziell helfen“

Lesezeit 6 Minuten
Neuer Inhalt (2)

Köln ist für Schauspielerin Mariele Millowitsch immer noch Heimat.

  • Wir haben uns vor dem eigentlich für Mitte März geplanten Start der lit.Cologne mit Mariele Millowitsch unterhalten.
  • Am 13. März sollte sie ursprünglich gemeinsam mit ihrem Schauspielkollegen Walter Sittler eine Lesung zum Thema „Der blanke Horror“ halten – doch die wurde nun abgesagt.
  • Im Interview spricht sie über die Absage des Literaturfestivals, das Coronavirus und ihren persönlichen Köln-Horror.

Frau Millowitsch, gerade teilte die lit.Cologne mit, dass das Festival wegen des Coronavirus jetzt nicht stattfinden kann. Die Veranstalter arbeiten mit Hochdruck daran, die Lesungen auf neue Terminen zu verlegen. Sie hätten am kommenden Freitag, dem 13., zweimal zum Thema „Der blanke Horror“ gelesen. Für die Veranstalter ist der Horror schon heute gekommen. Was sagen Sie?

Das tut mir in der Seele weh. Ich bin sehr traurig und auch wirklich geschockt, welches Ausmaß diese Virus-Geschichte annimmt: So viele Mitarbeiter der lit.Cologne sind schon seit Monaten mit Freude und Begeisterung dabei gewesen, den 20. Geburtstag dieses Festivals zu planen und auf die Beine zu stellen. Und ich hatte mich auch sehr gefreut auf die schönen Texte, die Walter Sittler und ich hätten lesen sollen. Wir werden, was unsere Lesung anbelangt, standby bleiben. Wenn es neue Termine gibt und wir haben Zeit, wird das selbstverständlich nachgeholt.

Es gehört nicht viel Fantasie dazu, sich auszumalen, dass diese Verlegung für das Festival existenzbedrohend sein könnte. Wie könnte man aus ihrer Sicht dem Festival helfen?

Meiner Meinung nach sollten das Land NRW und die Stadt Köln der lit.Cologne finanziell unter die Arme greifen – ein solch einzigartiges Literaturfestival darf nicht untergehen! Und vielleicht könnte der ein oder andere Kartenbesitzer sich dazu entschließen, sich das Geld für eine ausgefallene Veranstaltung nicht erstatten zu lassen. Ich selbst wäre auf jeden Fall dabei, wenn es eine Spendengala oder ähnliches geben würde. Und ich bin davon überzeugt, dass viele Künstler das genauso machen würden, wenn es um die Rettung der lit.Cologne ginge.

Hier lesen Sie mehr: Wegen Coronavirus – Kölner Literaturfestival lit.Cologne vollständig abgesagt

Haben Sie schon einen Vorrat an Nudeln angelegt?

Nein! Ich bin nicht so empfänglich für diese Ängste. Ich bin ein entspannter Mensch, eine absolute Fatalistin. Es ist ein virulentes Virus, ja, auch eine Pandemie sicherlich, aber da bin ich sehr kölsch: Et kütt, wie et kütt. Und Nudeln habe ich so oder so immer eine Packung im Haushalt. Kann ja einfach sein, dass man da mal Lust drauf hat.

Aber einige Regale der Supermärkte waren schon leer…

Ich habe davon gehört, kann das aber nicht bestätigen. Ich habe heute sogar noch Toilettenpapier bekommen, dreilagiges. (lacht)

Auch ihre „Horror“-Lesungen mit Walter Sittler sollen nachgeholt werden. Unter anderem lesen Sie da aus Seth Grahame Smiths „Stolz und Vorurteil und Zombies“. Darin geht es um den Kampf gegen Untote. Stehen Sie auf so was?

Nein, ich bin kein wirklicher Fan, aber ich habe auch kein Problem mit Horror. Als die Serie „Walking Dead“ anlief, fand ich die ganz lustig. Das Beste war das „Making of…“ Also wie die die Untoten schminken und die Gedärme herstellen (lacht). Ich fand das so interessant, weil die da teils im Sommer in Amerika bei großer Hitze in den Wäldern drehen, und dann dürfen die Därme nicht zu schnell ganz eklig werden. Die experimentieren dann mit allen möglichen Sorten Nylonstrümpfen und nicht eiweißhaltigen Stoffen, dass das auch ein paar Tage hält. Oder wenn dann Oberkörper-Teile der Zombies so um sich greifen, dann ist der Rest des jeweiligen Komparsen eingebuddelt. Einzelne Hände oder Beine werden zudem mit Motoren betrieben – ich liebe so einen Blödsinn. Das ist lustiger Trash.

Wenn man eine Horrorgeschichte besetzt, würde man ja erstmal nicht auf Millowitsch und Sittler kommen.

Ich bin auch nicht auf Horror gekommen, aber ich hatte damals zu Werner Köhler von der Lit gesagt: „Ihr glaubt ja wohl nicht, dass Ihr Zwanzig werden könnt – ohne uns.“ Und dann kam der Vorschlag mit dem Horror. Und ich hab mich mit Walter kurzgeschlossen und wir haben gesagt: „Warum denn nicht, ist doch lustig! Machen wir.“

Das könnte Sie auch interessieren:

Würden Sie denn so was auch mal in einem Film spielen wollen? Ich habe mir schon versucht vorzustellen, wie Sie wohl als Zombie aussehen würden.

Super Idee (lacht). Dann trink ich jeden Abend ganz viel Alkohol und gehe morgens nicht in die Maske. Nein, kleiner Scherz, aber bei gut gemachtem Blödsinn bin ich immer dabei.

Was bedeuten Ihnen die lit.Cologne und das Vorlesen?

Die lit.Cologne bringt den Menschen die Bücher näher. Sie nimmt ihnen die Angst davor, ein Buch in die Hand zu nehmen, weil sie fürchten, es nicht zu verstehen. Und es ist auch die Nähe zu den Protagonisten, zu den Schauspielern und den Autoren. Ich habe letztes Jahr „Dieser weite Weg“ von Isabel Allende gelesen und saß mit ihr auf der Bühne des Tanzbrunnens. Es war einfach hochinteressant zu hören, was diese Frau zu erzählen hat.

Allerdings sind Sie an dem Abend kaum zu Wort gekommen.

Sie wollte nicht, dass ich zwei lange Blöcke lese, sondern lieber selbst erzählen. Sie ist schon eine Ich-bezogene Person, aber hoch-professionell. Toll. Da sitzt jeder Gag. Hut ab. Und die Menschen mögen es, so etwas hautnah zu erleben.

Wer hat Ihnen denn früher vorgelesen?

Keiner. Ich erinnere mich nur selber lesend auf dem Boden liegend mit Büchern. Sobald ich lesen konnte. Enid Blyton, Erich Kästner, alle Bände Mary Poppins, Indianerbücher – aber nicht Karl May, und Pferdebücher natürlich. Mädchen lieben Pferde, das war bei mir nicht anders.

Und Sie sind eine Leseratte geblieben?

Ja, bis heute. Und ich lese immer selbst, bei Hörbüchern schlafe ich leider immer ein.

Was lesen Sie gerade?

Einen afroamerikanischen Autor, Ta-Nehisi Coates, „Der Wassertänzer“, einen Roman über den Alltag der Sklaverei in Amerika. Ein tolles Buch. Das hat der Spiegel empfohlen. Ich höre aber auch viel Deutschlandfunk und dort die Buchtipps. Und wenn das Literarische Quartett läuft und ich Zeit habe, sitze ich davor und schreibe auf, was mich interessiert. Und die Tipps von meiner Freundin Elke Heidenreich, die sitzen immer. Wenn die sagt, lies das, dann lese ich das auch.

Sie lesen aber auch Heidenreich.

Ja, mit „Alte Liebe“, das sie mit ihrem Ex-Mann Bernd Schröder geschrieben hat, bin ich ja mit Walter Sittler auf Tour. Wunderbar geschrieben, mit herrlichem Witz, aber auch viel Traurigkeit. Ganz liebevoll. Das macht viel Spaß, es den Leuten näher zu bringen.

Zurück zum Horror. Sie leben ja zumindest zeitweise in Köln. Was ist hier die Hölle für Sie?

Leider vieles. Der Horror ist eine Oper, die nicht fertig wird. Dieses Archiv – ich bin gestern noch an dem Loch vorbei gelaufen, da stehe ich immer noch davor und schüttele den Kopf. Horror ist für mich der Schmutz. Man muss leider sagen: Köln ist eine schmutzige Stadt, obwohl die AWB sich wirklich Mühe gibt. Aber die können auch nicht mehr als arbeiten. Da müsste einfach mehr Geld investiert werden für mehr Arbeitsplätze. Auch Hundescheiße ist für mich Horror, das ist zwar etwas besser geworden, aber es gibt immer noch zu viele Leute, die einfach alles liegen lassen. Insgesamt kann man sagen, dass in dieser Stadt überhaupt zu viel liegen bleibt. Altes wird nicht instandgehalten. Die Stadt verfällt so, ist auf keinem guten Weg. Diese Stadt hat nicht die Verwaltung, die sie verdient. Und auch bei den Politikern hat man nicht den Eindruck, dass das große Ganze im Vordergrund steht. Es geht eher um Partei-Interessen. Das fühlt sich verfilzt an.

KStA abonnieren