Marjanca Gruhl schließt ihre Boutique 69Das Ende eines Kölner Gesamtkunstwerks

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Marjanca Gruhl hat viele Prominente eingekleidet, darunter auch Gäste der Sendung Bio’s Bahnhof.

Marjanca Gruhl hat viele Prominente eingekleidet, darunter auch Gäste der Sendung Bio’s Bahnhof.

Köln – Die Boutique 69 war das bunteste Fenster Kölns. Und das lag fast immer an Kenzo, dem legendären japanischen Designer aus Paris, den die 69 als erste und einzige in Köln führte und der die Farben aus Tibet und Indien mit den Mustern der Folklore aus Südamerika verband. Aber natürlich auch an Marjanca Gruhls Vorsatz, einen etwas anderen Laden zu haben. Die Architektin aus dem slowenischen Ljubljana hielt es mit dem Gründer des Bauhauses, Walter Gropius, der auf die Frage nach seiner Lieblingsfarbe mit „bunt“ geantwortet hatte. Bunt, ein bisschen frech und vor allem selbstbewusst. Das war für sie das Credo des modischen Aufbruchs der Zeit, des Aufbruchs der Frauen, die sie nicht mehr nur als Damen einkleiden wollte, sondern individuell, mit eigenem Stil.

Manchem war das vielleicht zu bunt, nicht nur, wenn er in die Auslage schaute. Die Boutique 69 jedoch war etwas Besonderes und in ihrer Art ein Pionier. Am 13. Mai wird sie ihre Tür nach 46 Jahren schließen. Und Marjanca Gruhl als – im ganzen bundesdeutschen Modebetrieb – letzte verbliebene Boutiquenbesitzerin aus den 60er Jahren einen Schlussstrich ziehen. Eine Nachfolgerin hat sie nicht gesucht. Sie weiß, dass viele sich die Arbeit nicht mehr machen wollen. „Heute ist alles ein Stil und ein Label.“ Das ist Marjanca Gruhl zu langweilig.

Erste Frau im Einzelhandelsausschuss der IHK Köln

Als sie den Laden aufmachte – eigentlich war die junge Architektin nur zu einem Praktikum nach Köln gekommen, aber dann lernte sie ihren späteren Mann, den Architekten Hartmut Gruhl kennen – gab es gerade mal drei Boutiquen in Köln: Siltex, Adam&Eva und Lady M. „Viele machten dann damals auf und zu“, sagt sie. Es war etwas Neues, schick und Ausdruck von Individualität, eine Boutique zu betreiben. „Aber manch eine hat die Tageseinnahmen mit dem Gewinn verwechselt“. Nüchternheit bei den Zahlen, viel Fleiß und Disziplin dagegen waren gefragt, so ihre Erfahrung. Wenige Jahre später war sie die erste Frau im Einzelhandelsausschuss der IHK Köln.

Auf den Pariser Modemessen ging sie selber auf die Suche nach neuen Marken. „Ich war die erste deutsche Kundin bei Thierry Mugler“. Auch Dorothee Bis und Mariella Burani fanden sich bald im Laden. Und Ossie Clark wegen der tollen Muster inspiriert vom englischen Maler David Hockney.

Von Kate Bush bis Katarina Witt

Dabei kamen ihr ihre Französisch-Kenntnisse zugute. Sie stöberte und schaute, verglich und vor allem probierte selber an. „Auf den Mädchen sind die Sachen oft ein Problem. Die sind ja viel zu dünn.“ Nicht selten, wenn sie etwas überzog, hatte sie dabei bestimmte Kundinnen im Kopf. So folgte bei der Rückkehr dann prompt der Anruf. Überhaupt die Kundinnen: Auch da kann die 69, wie sie schnell hieß, auf eine Reihe klangvoller Namen zurückblicken: Neben vielen Kölnerinnen, die sich ungern mit Namen gespiegelt sehen, waren da die Schauspielerin Sabine Postel und die Karikaturistin Franziska Becker, aber auch Kate Bush, Julia Migenes und Miriam Makeba, Shirley MacLaine, Hanna Schygulla und Katarina Witt. Um nur einige zu nennen und der Wahrheit entsprechend auch hinzuzufügen, dass viele der großen Stars für den Auftritt bei Bio’s Bahnhof in Köln „vom Sender eingekleidet wurden. Natürlich durften sie die Sachen behalten“, sagt Marjanca Gruhl und man wundert sich.

Die 69 war ein Gesamtkunstwerk. Wie die ganze Pfeilstraße und ihre Umgebung mit dem Lebenswerk des Architekten-Ehepaars Gruhl eng verbunden ist. Man kam zum Schwatz und kaufte nebenher, diskutierte den letzten Theaterabend oder den neuesten politischen Ärger, probierte dies und das, beriet sich gegenseitig und steckte auch schon mal den robusten Hinweis ein. „Ziehen Sie das schnell wieder aus. Das geht gar nicht“. Manch eine staunte, was sie stattdessen kaufte und war zu Hause glücklich darüber.

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