Mehr als blaue FleckenKinderschutzbund Köln nimmt psychische Gewalt ins Visier

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Gemeinsam gegen Gewalt an Kindern: Das Team des Kinderschutzbundes Köln.

Köln – Corona-Pandemie, Krieg in der Ukraine und die Folgen des Klimawandels: Globale Krisen rücken immer näher an unsere Lebenswirklichkeit. Sie bringen Familien an die Belastungsgrenze, Kinder in Nöte – und hinterlassen Spuren in deren Seelen. Der Kölner Kinderschutzbund hat in einer Jahrespressekonferenz Bilanz gezogen und die künftigen Herausforderungen ins Visier genommen.

Mit der bundesweiten Kampagne „Gewalt ist mehr als Du denkst“ möchte der Verband vermehrt für ein Thema sensibilisieren, das bislang ein Schattendasein führte: „Psychische Gewalt gegen Kinder ist latent vorhanden, aber nicht immer sichtbar, wird damit oft nicht wahrgenommen, heruntergespielt oder gar negiert“, sagte Geschäftsführer Lars Hüttler. Das Motto spielt darauf an, dass Gewalt an Kindern vor allem mit blauen Flecken, also körperlichem Missbrauch assoziiert wird.

Psychische Gewalt ist kein Luxusproblem

„Dabei bestätigen Studien, was wir auch in der Praxis vor Ort tagtäglich erleben, dass die Folgen psychischer Gewalt genauso ernst zu nehmen sind, wie die Folgen körperlicher Misshandlung“, sagt Stefan Hausschild, Leiter der Familienberatungsstelle des Verbands. Hinzukommt: Die Zahl der von psychischer Gewalt betroffenen Kindern und Jugendlichen nahm in den vergangenen zehn Jahren um mehr als 50 Prozent zu. Wurden den deutschen Jugendämtern im Jahr 2012 noch 9800 Fälle gemeldet, waren es in den vergangenen zwei Jahren schon jeweils weit mehr als 20.000.

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Im Elterncafé Bayenthal des Kinderschutzbund Köln e.V.

Bedrohen, beleidigen, Bedürfnisse ignorieren – es gibt viele Facetten psychischer Gewalt, sie reicht von entmutigenden Sprüchen über fehlende Zuwendung bis hin zu chronischer Vernachlässigung. Sie führt dazu, dass junge Menschen sich überfordert, ungeliebt und wertlos fühlen. Und sie begegnet ihnen in allen Lebensbereichen: Zuhause, in der Schule, im Sportverein – gewollt oder unbewusst.  

Machtmissbrauch und Überforderung

„Die Gründe, warum es zu psychischer Gewalt kommt, sind so vielfältig, wie ihre Ausprägungen“, sagt Maria Schweizer-May, Leiterin der Stadtteilarbeit in Kalk, und nennt nur einige Beispiele: Krisen, wie finanzielle Sorgen, beruflicher Stress oder die Folgen der Pandemie setzen Eltern unter Druck, den sie dann, meist unbewusst, an ihre Kinder weitergeben. Auch wenn Eltern in ihrer Kindheit selbst psychische Gewalt erfahren haben, kann es vorkommen, dass sie diese Muster bei ihren Kindern wiederholen. Schließlich können Gewalt zwischen den Eltern und konflikthafte Trennungen bei den Kindern den gleichen Schmerz erzeugen, als ob sie selbst geschlagen oder verlassen werden würden.

Maria Schweizer-Lay: „Ob Machtmissbrauch, Gleichgültigkeit, Unwissenheit oder Überforderung ursächlich für psychische Gewalt sind, einer unserer Grundsätze lautet, die Verursacher, seien es Eltern, Lehrer oder andere, nicht zu verurteilen, ihnen die Hand zu reichen statt den Zeigefinger entgegenzustrecken. Denn erst wer versteht, was psychische Gewalt bedeutet, wo die Grenzen eines Kindes, was seine Bedürfnisse sind, kann ihm auch wirklich helfen.“ Deshalb wird der Verband im kommenden Jahr vermehrt Kurse anbieten, die Eltern aufklären und stärken und damit Kinder schützen.

Handpuppen sensibilisieren für das Thema Gewalt

Ein in Fachkreisen längst bekanntes Phänomen ist, dass Kinder psychische Gewalt von Erwachsenen nicht als solche wahrnehmen und glauben, dass man sie erdulden muss. Vor diesem Hintergrund hat der Verband das – auch von „wir helfen“, der Aktion des „Kölner Stadt-Anzeiger“ für Kinder in Not, geförderte - neue Präventionsprojekt „Bärt und Bärta“ gestartet und seitdem Grundschulkinder aus 20 Klassen von neun Kölner Schulen spielerisch für das Thema sensibilisiert. Im Mittelpunkt stehen zwei Bären-Handpuppen, die im Rollenspiel als Projektionsfiguren für die Offenlegung von Gefühlen und Problemen der Schulkinder dienen und anregen sollen, Hilfe anzunehmen.  

Zur Bilanz der Arbeit des Kinderschutzbundes Köln vom vergangenen Jahr gehört auch die Feststellung, dass der Verband nicht ausreichend über öffentliche Mittel finanziert ist. Im Jahr 2021 hat der Kölner Kinderschutzbund 2,2 Millionen Euro ausgegeben. Nur 60 Prozent davon kommen von Staat und Stadt.

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