Millionenschaden in KölnMit diesem geheimen Leitfaden arbeiten die Telefonbetrüger

Lesezeit 3 Minuten
Gesprächsleitfaden Telefonbetrüger

Auszug aus dem internen Gesprächsleitfaden für betrügerische Callcenter-Agenten

Köln – Nichts soll im Gespräch mit den Opfern dem Zufall überlassen werden, selbst einen kleinen Witz bekommen die Gewinnspiel-Betrüger vorab in einer Art Gebrauchsanweisung an die Hand: Äußert der Kunde am anderen Ende der Leitung etwa, dass er die Million ja sowieso nicht gewinnen werde, solle man antworten: „Die Million kann und darf ich Ihnen nicht versprechen, aber ich glaube, mit einem kleinen Gewinn von 500 bis 10.000 € lässt es sich auch gut leben, oder? Ab 10.000 Euro kochen Sie den Kaffee, ich bringe den Kuchen mit, so können wir es doch einrichten!“

Nachzulesen ist das in einem geheimen „Gesprächsleitfaden eines unseriösen Callcenters“. Eine ehemalige Callcenter-Agentin hat das Dokument dem Verein Antispam e.V. zugespielt, einer gemeinnützigen Organisation, die sich dem Verbraucherschutz verschrieben hat. Auf fünf Seiten bekommen die betrügerischen Telefonagenten Tipps, wie sie ihren Opfern mit falschen Gewinnversprechen Geld aus der Tasche ziehen können. Die Unterlagen beweisen, wie systematisch die Täter versuchen, ihre Opfer einzulullen, sie einzuschüchtern und zu bedrohen.

Die drei goldenen Regeln der Telefonbetrüger

Die drei goldenen Regeln lauten demnach: klar und verständlich sprechen, nicht ohne Punkt und Komma reden, Kunden aussprechen lassen. Bei „Nörglern“, so wird den Agenten geraten, sollten sie „immer ruhig bleiben“, denn dieser „Typ Kunde“ werde immer „alles Positive ins Negative ziehen“ wollen. Man solle daher Verständnis zeigen und ruhig dessen Probleme wiederholen nach dem Motto: „Das kann ich gut verstehen." Ein weiterer Rat an die Telefonisten: „Nicht runter ziehen lassen! Mut und Hoffnung geben, zum Beispiel: Gerade weil Sie in dieser Situation sind, sollten Sie mir jetzt gut zuhören.“

Ziel der betrügerischen Anrufe ist es stets, die Kontodaten der zumeist älteren Menschen zu erhalten oder die Angerufenen selbst dazu zu bewegen, „Gebühren“ zu überweisen, um an Gewinnspielen teilnehmen zu dürfen. Als Preise locken angeblich Bargeld, Urlaubsreisen oder Traumhäuser. Die Telefonnummern haben die Trickbetrüger zumeist aus Kundendatenbanken seriöser oder auch unseriöser Unternehmen, die auf dem Schwarzmarkt für viel Geld gehandelt werden – oder schlicht aus dem Telefonbuch. Polizei und Verbraucherschützer warnen vor der Masche. Bundesweit fallen jährlich Hunderttausende auf die Täter herein, allein in Köln liegt der Gesamtschaden beim Trickbetrug am Telefon jedes Jahr im Millionenbereich.

Meistens wird den Angerufenen vorgegaukelt, sie hätten ihrer Gewinnspielteilnahme in einem früheren Telefonat bereits zugestimmt und müssten nun dafür bezahlen – oder „zum Abgleich“ ihre Kontodaten herausrücken, wenn sie das Spiel wieder beenden wollten. Tatsächlich werden mit den Daten aber dann in vielen Fällen laut Antispam e.V. per Lastschrift die Konten geplündert.

„Ausdauer zeigen, wenn der Kunde Widerstand leistet“

„Ausdauer zeigen, nicht gleich aufgeben, wenn der Kunde Widerstand leistet“, ermutigt der Leitfaden auf Seite 3. Beim Umgang mit „aggressiven Menschen“ empfiehlt die Gebrauchsanweisung: „Nicht provozieren lassen. Ruhe bewahren. Lasst euren Gesprächspartner sich abreagieren, auch wenn es schwer fällt“. Auf zwölf offensichtlich häufig geäußerte Einwände von Opfern liefert der Leitfaden gleich die passenden Erwiderungen mit. Frage: „Wozu brauchen Sie meine Bankverbindung?“ Antwort: „Zur Bestätigung. Wenn Sie bei Ihrer Hausbank einen Dauerauftrag stoppen möchten, rennen Sie ja auch nicht einfach da rein und sagen: Stopp mal!“ Aussage: „Ich habe kein Interesse an einem Gewinnspiel.“ Antwort: „Es handelt sich um ein bestehendes Spiel, keine Neuaufnahme.“ Frage: „Wo ist der Haken?“ Antwort: „Es gibt keinen Haken, im Gegenteil: Sie bekommen von mir den Schlüssel für finanzielle Unabhängigkeit.“

Auf bestimmte Nachfragen reagieren die Trickbetrüger allerdings selbst irritiert, sagt ein Sprecher von Antispam e.V. – nämlich dann, wenn die Opfer ihrerseits neugierig werden und zum Beispiel wissen wollen: „Wie lautet denn eigentlich meine Kundennummer? Wie ist Ihr Name? Aus welchem Callcenter rufen Sie an? Wie ist die Adresse?“ Wer sich darauf gar nicht erst einlassen möchte, dem geben Polizei und Verbraucherschützer einen ganz simplen Ratschlag: einfach schnell auflegen.

KStA abonnieren