Mordprozess in KölnMann sticht sechs Mal auf seinen Nachbarn ein

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Prozessauftakt in Bonn. (Symbolbild).

Prozessauftakt in Bonn. (Symbolbild).

Köln – Wie repariert man eine zerrissene Wäscheleine? Auf den ersten Blick irritiert diese scheinbar belanglose Frage in einem Mordprozess schon. Doch es gibt Gründe, warum die Vorsitzende Richterin sich die Waschküche, die Anzahl der Wäscheleinen und sämtliche Vorrichtungen in dem Kellerraum des Mehrparteienhauses an der Berliner Straße vom Angeklagten Johannes S. (49) sogar mit Papier und Bleistift aufzeichnen lässt.

S. hatte im Dezember vergangenen Jahres auf dem Weg von der Waschküche in seine Wohnung im zweiten Stock seinen Nachbarn Alexaner P. (55) erstochen. Das Messer lag ganz oben auf dem Wäschekorb. Er habe es zufälig dort hingelegt, weil er zuvor im Keller die Leine repariert habe, erklärt S. nun auf der Anklagebank, warum er das Messer bei sich trug.

Heimtücke als Mordmerkmal

Purer Zufall und kein hinterhältiger Plan, wie es das Gericht zum Prozessauftakt noch annahm, um S. nicht wegen Totschlags sondern wegen Mordes zu verurteilen. Entsprechend wurde die Anklage abgeändert, die noch davon ausging, dass S. offensichtlich im Affekt „einen Menschen tötete, ohne Mörder sein“. Doch das Gericht vermutete aufgrund „des Spurenbildes und nicht vorhandener Abwehrverletzungen“ Heimtücke als Mordmerkmal.

Bei seiner Festnahme hatte sich der Vater von zwei Töchtern (zur Tatzeit 8 und 3 Jahre alt) zum Motiv nicht geäußert, um so mehr erklärt er nun auf der Anklagebank, wie es zu dem tödlichen Geschehen kam. Immer wieder habe sich der Nachbar über den Lärm seiner Töchter beschwert: „Dafür hatte ich Verständnis, ich habe meinen Kindern deswegen auch Druck gemacht.“ Doch dann habe der Nachbar auch den Vermieter eingeschaltet, der pochte auf Einhaltung der Hausordnung, drohte mit Kündigung. Bei der vierköpfigen Familie lagen die Nerven blank.

Streit und Beleidigungen

Es kam der 1. Dezember, Johannes S. hatte am Abend die Wäsche hoch geholt, Nachbar Alexander P. kam vom Einkauf zurück und ein unschöner Dialog begann: „Hoffentlich hältst Du jetzt endlich Deine Viecher zurück,“ soll S. mit Blick auf ein entsprechend mahnendes Rundschreiben des Vermieters dem gebürtigen Äthiopier wutentbrannt entgegen geschleudert haben. „Das sind menschliche Wesen“, entgegnete S. empört und hatte daraufhin prompt die Faust des Nachbarn im Gesicht, begleitet von mehr als drastischen Beleidigungen („Pisserneger“).

Deshalb soll es pure Notwehr gewesen sein, dass S. zum Messer griff, um sich gegen die Gewaltattacke zu wehren. Warum er dabei insgesamt sechs Mal zustach, dabei das Gesicht, den Oberkörper und die Lunge des Nachbarn traf, darauf blieb er die Antwort schuldig. „Ich war völlig verwirrt und zerstört“, sagt er heute über die damalige Situation, als er zunächst weglief, dann aber Feuerwehr und Polizei am Handy alarmierte, denn: „Ich wollte helfen“. Doch das Opfer verblutete noch im Treppenhaus. „Es war eine fürchterliche Nachricht und es tut mir unendlich leid“, sagt S. dazu. Der Prozess wird fortgesetzt.

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