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Schwächere Schüler nicht „abstempeln“Kölner Inklusionsmodell ist in Gefahr

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Die Gesamtschule in Holweide

Köln – Tausende Postkarten sind auf dem Weg zur NRW-Schulministerin Yvonne Gebauer. Schüler, Eltern und Lehrer der großen Kölner Gesamtschulen in Holweide und Höhenhaus fordern „Chancengleichheit in der Bildung“. „Finger weg vom Holweide-Erlass“, steht auf den Karten. Die Schulen befürchten, dass die Landesregierung ihre Freiheit beim Umgang mit lernschwächeren Schülern und Kindern mit sonderpädagogischem Förderbedarf einschränken wird.

Im Schulausschuss des Stadtrates gab es nun Rückendeckung – allerdings nur von den Mitgliedern der Parteien, die nicht die Landesregierung tragen. Die Mehrheit von SPD, Grünen und Linken appelliert an das Schulministerium, von den angekündigten Änderungen Abstand zu nehmen und „Spielräume für besondere pädagogische Konzeptionen der Schulen weiterhin zuzulassen“. Es gehe nicht nur um die Lage in Holweide und Höhenhaus, hieß es im Ausschuss. In vielen Schulen seien pädagogische Modelle prägend für das jeweilige Profil.

Bildungsweg ohne Angst vor Abstufungen gehen

Der so genannte Holweide-Erlass, der es in den 1980er Jahren bis in bundesweit gültige Regelungen geschafft hat und seit Jahrzehnten unbeanstandet in die Praxis umgesetzt wird, erlaubt den Gesamtschulen in Holweide und Höhenhaus, dass sie in den Fächern Deutsch, Physik und Chemie bis zur Klasse 10 und in Mathematik bis zur Klasse 9 auf eine Aufteilung der Schülerschaft in lernschwächere und stärkere Kinder zu verzichten.

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Es gehört zum pädagogischen Konzept der Schulen, dass auch die schwächeren Schüler – so lange wie möglich – nicht über die Zeugnisse als „schwächer“ abgestempelt werden. Man ermögliche den Schülern so, „ihren eigenen Bildungsweg ohne Angst vor Abstufungen zu verfolgen“, heißt es in einem Brief der Schulen an die Ministerin. Der Holweide-Erlass ermögliche „deutlich mehr Spielraum in der pädagogischen Gestaltung des längeren, gemeinsamen Lernens“. Schüler würden nach ihren jeweiligen Stärken und Schwächen gefördert, ohne sie zu früh in Schubladen einzusortieren.

Wende in der Landespolitik?

In den Schulen und im Rathaus spekuliert man über die Beweggründe im Ministerium. Der Holweider Elternvertreter Manfred Seiwert glaubt, dass sich hier eine „Wende in der Schulpolitik“ manifestiere. „Das Elitedenken hält Einzug.“ Andere hoffen, dass es „nur“ um juristische Gründe und Formalitäten geht, die man ausräumen könnte.

Diese Hoffnung dämpfte die FDP-Vertreterin im Schulausschuss, Stefanie Ruffen. Sie habe nach Rücksprache mit der Ministerin Yvonne Gebauer – ebenfalls Mitglied der Kölner FDP – den Eindruck, dass es „nicht nur um formale Gründe“ gehe. Es könne nicht jede Schule machen, was sie wolle, weil dann Abschlüsse nicht vergleichbar seien. Die FDP stimmte im Ausschuss gegen den Antrag, die CDU enthielt sich.

Für die nächste Woche hat das Schulministerium Vertreter der Gesamtschulen eingeladen. Die neue Leiterin in Holweide, der größten Schule in NRW, Christa Dohle, hofft, die Verantwortlichen überzeugen zu können. „Je länger Bildungsgänge offen bleiben, desto besser.“ Auch für den Erfolg der Inklusion sei es wichtig, dass Kinder nicht zu früh aussortiert würden und „Karrieren besiegelt werden“.

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