Die Kirche St. Johannes der Evangelist wurde 1970 eingeweiht und prägte den Stadtteil fünf Jahrzehnte lang. Nun wurde sie abgerissen.
Fehlerhafte KonstruktionSt. Johannes der Evangelist in Stammheim abgerissen

Abriss der bereits entweihten Kirche St. Johannes Evangelist in Köln-Stammheim für ein GAG-Neubauvorhaben.
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Inzwischen ist sie vollständig verschwunden: St. Johannes der Evangelist, eine der Kirchen der Pfarrgemeinde St. Hubertus und Mariä Geburt, ist über die vergangenen Sommermonate abgerissen worden. Über fünf Jahrzehnte lang hatte der markante Sakralbau an der Abzweigung von Moses-Hess-Straße und Ricarda-Huch-Straße den Eingangsbereich zum südlichen, neueren Teil Stammheims geprägt – nun sollen an seiner Stelle Wohnhäuser mit 54 Wohnungen entstehen, außerdem eine Kindertagesstätte mit vier Gruppen, sowie ein Neubau für die Offene Tür (OT) St. John.
Verantwortlich als Architekten für die charakteristische Silhouette der 1970 eingeweihten Kirche war das Vater-Sohn-Gespann Karl und Gero Band. Als Nurdachhaus konzipiert, reichten die aus grün patiniertem Kupfer gefertigten Dachschrägen mit den ausgeprägten Gauben bis an den Boden, sodass das Gebäude keine vertikalen Wände aufwies. Die dreieckige Gebäudefront gemahnte so an ein Zelt, ein Eindruck, der genauso beabsichtigt war.

Die Kirche St. Johannes Evangelist
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Ein Zelt für Stammheim
„Es war eine buchstäbliche und konsequente Umsetzung der Idee einer Kirche als ‚Zelt Gottes‘, das den Menschen Zuflucht bieten soll“, so Rolf Schneider, ehemaliger Pfarrer der Gemeinde, für den St. Johannes der Evangelist den überwiegenden Teil seiner Priesterschaft über der zentrale Arbeitsort war.
Die verglaste Gebäudefront ließ viel Licht in den Kirchenraum, an der Altarseite waren außerdem zwei Skulpturen angebracht, die von dem Stammheimer Bildhauer Herbert Labusga gefertigt worden waren, der ab den 1960er Jahren lange Zeit die Persiflage-Wagen im Kölner Rosenmontag gestaltet hatte. Die beiden Skulpturen haben nach der 2018 erfolgten Profanisierung der Kirche im Kirchgarten von St. Mariä Geburt an der Stammheimer Hauptstraße eine neue Heimstatt gefunden, dort können sie heute besichtigt werden.
Abriss bewegt das Veedel
So manchen im Veedel hat der Abriss wehmütig gestimmt. „Das ist wirklich sehr schade“, so etwa ein alteingesessener Stammheimer, „der Bau prägte das Entrée der Siedlung in ganz besonderer Weise. Viele hier aufgewachsene Kinder erzählen, dass sie beim Anblick der Kirche das Gefühl hatten, zu Hause angekommen zu sein“. Schneider, der vor kurzem 87 Jahre alt geworden ist, zeigt allerdings keinerlei Sentimentalität. „Die Idee war gut, aber im Nachhinein muss man leider sagen, dass das Dach eine Fehlkonstruktion war“, sagt er.
„Die Kupferbahnen, aus denen sich das Dach zusammensetzte, waren durch Falzen miteinander verbunden, in denen sich der Wind fing und durch die Regenwasser in den Innenraum eindrang. Wir hatten schon drei, vier Wochen nach der Eröffnung das erste Wasser in der Kirche“, erinnert er sich. Der Konstruktionsfehler sei auch der Grund gewesen, warum der Kirchenbau nicht unter Denkmalschutz gestellt worden war. „Das war auch gut so, wer weiß, wie sehr die Dachbalken durch die Feuchtigkeit angegriffen waren“, befindet er heute, „es war schon sinnvoll, die Kirche abzureißen“.
Ein weiterer Minuspunkt für seine Arbeit war aus seiner Sicht das Fehlen einer Lautsprecheranlage. „Dafür war kein Geld da“, sagt er. „Die hat mir vor allem bei den Weihnachtsgottesdiensten an Heiligabend gefehlt. Der begann bei uns sehr früh, deswegen kamen vor allem viele Familien. Da waren diese Massen von Menschen und ich musste ohne Lautsprecher predigen, da hörten mich nur die ersten drei Reihen. Katastrophe“, sagt er heute, lacht aber dabei. Denn er hat auch gute Erinnerungen an seinen alten Arbeitsplatz: „Bei einer Taufe etwa hatten die Gäste die Bänke spontan und eigenhändig so umgestellt, dass wir in einem Rondell zusammen saßen, das war eine sehr schöne Atmosphäre“.
In gewisser Weise wird die Kirche, zumindest Teile von ihr, ein „Leben nach dem Abriss“ führen können, denn die GAG, die für die Nachfolgebebauung verantwortlich zeichnet, kann einen großen Teil des Baumaterials recyclen: Zwischen 300 und 350 Tonnen der verwendeten Klinkersteine sollen nach ihren Angaben aufbereitet und wieder verwendet werden können. Bis zu 275 Kilo CO₂ sollen so pro Tonne eingespart werden.