Zuwanderung in MülheimLeben wie auf einer Müllhalde

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Galy N. und Rüdiger Benninghaus im verwahrlosten Haushof.

Galy N. und Rüdiger Benninghaus im verwahrlosten Haushof.

Mülheim – Ein Leben wie im Slum einer südlichen Metropole ist auch in Köln möglich. Seit 2012 wohnen Galy N. und ihre zwei Kinder – drei und sieben Jahre alt – im Haus Bergisch Gladbacher Straße 93. Die Umstände allerdings, unter denen sie hier leben, alarmierte den Arbeitskreis der Stadtteilkonferenz Mülheim-Nord, „Wohnen in Mülheim – für alle!“

Acht Personen leben in dem Haus, aufgeteilt in drei Parteien: Neben Galy und ihren Kindern, Galys Mutter und ihrem Bruder, noch eine weitere Frau mit zwei Kindern. Die Roma sind aus Bulgarien nach Köln gekommen. Diese acht „legalen“ sind nicht die einzigen Bewohner des Hauses. „Meist teilen sie sich die Räume mit anderen Roma, die sich ohne Mietvertrag für einige Tage oder Wochen hier aufhalten“, sagt Rüdiger Benninghaus vom Arbeitskreis Wohnen in Mülheim.

Kein Strom

„Im Februar 2013 hat unser Vermieter die Stromversorgung einstellen lassen, seit Mai 2013 wird kein Müll mehr abgefahren“, sagt Galy N. Um überhaupt Strom nutzen zu können, haben sich die Bewohner ein Aggregat angeschafft, das sie im Schuppen auf dem Hof untergebracht haben. Seit zwei Wochen können sie aber auch diese Quelle nicht mehr nutzen, Mitarbeiter der Verwaltung haben ihn mitgenommen – aus Brandschutzgründen. Die AWB wiederum musste im vergangenen Halbjahr zwei Mal kommen, um auf Kosten der Stadt riesige Müllberge vom Hof zu entfernen: „Vor wenigen Tagen haben die in einer Stunde zehn Tonnen Müll entsorgt, und ein Kammerjäger tötete sechs Ratten“, sagt Benninghaus. Damit nicht genug, es fehlt jede Möglichkeit, zu baden oder zu duschen. In dem dreigeschossigen Gebäude funktioniert nur noch ein Wasseranschluss im ersten Stock. Die Toilette dort gleicht einer Ruine.

Matthias Marienfeld ist der Leiter des Don Bosco Clubs und ebenfalls Mitglied im Arbeitskreis. Ihn empört noch etwas anderes: „Galy bewohnt mit ihren Kindern ein 15 Quadratmeter-Zimmer, sie musste dafür bisher trotzdem 480 Euro monatlich in Bar zahlen.“ Jetzt habe sie die Zahlungen eingestellt. Der Vermieter, ein Geschäftsmann aus Kalk, kümmere sich nicht um das Haus. Marienfeld beunruhigt auch, dass die Bauaufsicht schon mehrfach da war: „Droht Galy und ihren Mitbewohnern die Zwangsräumung?“ Die Stadt habe laut neuem Wohnungsaufsichtsgesetz die Möglichkeit, Gebäude wegen Unbewohnbarkeit zu sperren. Er hofft, dass die Stadt seine Schützlinge unterstützt. Schließlich besuche Galy einen Integrationskurs, ihr älteres Kind besucht die Langemaß-Schule. Marienfeld: „Man muss doch helfen, wenn die unverschuldet obdachlos werden.“

Bürgeramtsleiter Hans Oster ist auf dem Laufenden: „Der Eigentümer hat das Haus aufgegeben, es ist praktisch nicht mehr bewohnbar.“ Er habe auch beim Wohnungsamt nachgefragt, wie zu helfen sei. Doch da die Betroffenen keine Zuweisung hätten, sei das schwierig. Angela Thiemann, die Leiterin der Bauaufsicht, hat von einer baldigen Räumung keine Kenntnis: „Bisher haben wir das Dachgeschoss für das Wohnen gesperrt, weil es im Brandfall keinen zweiten Fluchtweg gibt.“ Weiter sei bislang nichts geplant.

Prüfungsergebnis bald erwartet

Das Amt für Wohnungswesen dagegen ist weiter. „Wir prüfen gerade das Wohnungsaufsichtsgesetz, ob wir das Haus für unbewohnbar erklären müssen“, sagt Josef Ludwig, der stellvertretender Leiter. Falls ja, stehe eine Zwangsräumung bevor. Doch zunächst sei der Eigentümer in der Pflicht, den Mietern Alternativen anzubieten. Ludwig rechnet bald mit einem Prüfungsergebnis. „Bis dahin wird der Eigentümer angehört, das schreibt das Verwaltungsverfahrensgesetz vor“, sagt Ludwig. Der müsse erklären, ob er die Situation verbessere oder seinen Mietern Ersatzwohnraum verschaffen kann. Ludwig: „Falls der Eigentümer weder das Haus saniert noch Ersatz stellen kann, sind wir in der Pflicht.“ Er hofft, dass es nicht so weit kommt: „Wegen der angespannten Lage auf dem Kölner Wohnungsmarkt steht derzeit kaum Ersatzraum zur Verfügung.“

Matthias Marienfeld ruft die Menschen in Mülheim auf, Galy und ihren Mitbewohnern zu helfen: „Wenn jemand eine Wohnung anbieten kann, wenigstens für die Frauen mit Kindern, der melde sich bitte bei mir.“

info@don-bosco-club.de

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