Neue Taschen aus alten Schläuchen

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Ehrenfeld/Bickendorf –  Wenn ein Feuerwehrschlauch ein Loch hat, wird er im Notfall unbrauchbar. Dass er deswegen nicht in den Müll gehört, beweist das Unternehmen Feuerwear in Köln-Ehrenfeld. Seit mehr als zehn Jahren fertigen die Brüder Martin und Robert Klüsener und ihre Mitarbeiter unter anderem Rucksäcke, Geldbörsen und Gürtel aus dem widerstandsfähigen Material der Schläuche. Upcycling nennt sich diese Methode, bei der aus scheinbar nutzlos gewordenem Material ein neues, hochwertiges Produkt entsteht. Der Vorteil: Bei der Herstellung werden Emissionen und Energie eingespart, weil kein neues Material benötigt wird. Die Idee der Klüseners geht auf, ihr Unternehmen wächst jährlich um zehn bis 20 Prozent. Jetzt bringen sie ihre erste Damenkollektion heraus.

In der Lagerhalle an der Wilhelm-Mauser-Straße stapeln sich Dutzende Metallkörbe übereinander. Sie sind bis oben voll mit ausrangierten Feuerwehrschläuchen, die hier zugeschnitten und gewaschen werden. Auch das Design entsteht hier, und die von Hand genähten Prototypen werden auf ihre Belastbarkeit getestet. „Der Schlauch hat eine begrenzte Breite, damit musst du arbeiten“, erklärt Philomena Rieger, Produktdesignerin bei Feuerwear. Sie hat die Damenkollektion in Zusammenarbeit mit Martin Klüsener entworfen. Jede Tasche, jeder Schlüsselanhänger ist ein Unikat, denn oft sind die Schläuche mit Produktnummern oder Buchstaben bedruckt. Und: „Das Material ist immer anders, weil die Schläuche unterschiedlich alt sind“, sagt Rieger. So wird aus einem dicken Schlauch ein Gürtel, der besonders widerstandsfähig sein muss, aus einem dünnen Schlauch hingegen eine Sporttasche, deren Eigengewicht gering sein sollte.

Wie kommt man darauf, aus Feuerwehrschläuchen Taschen zu machen? Martin Klüsener ist studierter Bekleidungstechniker und hat seine Diplomarbeit über das Thema Upcycling geschrieben – dabei kam ihm die Idee mit dem Schlauch. Das Unternehmen strebt eine 100-prozentige Upcycling-Quote und kurze Transportwege für seine Produkte an – nur ist die Industrie noch nicht so weit. Für das Innenmaterial der Damentaschen suchen Philomena Rieger und Martin Klüsener nach einer nachhaltigen Alternative. „Wir würden gern Material aus recycelten PET-Flaschen verwenden, das mit geringem Wasserverbrauch hergestellt wird“, sagt Rieger. Das Material werde in der EU produziert, aber es sei noch in der Entwicklung, bislang sei es nicht widerstandsfähig genug. Für andere Taschen wird neben dem Schlauchmaterial solches von Kofferraumabdeckungen wiederverwertet.

Das Unternehmen lässt seine Taschen in Polen und Serbien nähen. „Wir haben uns auch in Deutschland umgesehen“, sagt Robert Klüsener. Hier gebe es allerdings keine Näherei, in der handgeführt an Nähmaschinen gearbeitet wird. Das sei aber bei ihren Produkten wegen des Materials notwendig. Zwei bis drei Mal im Jahr reisen die Brüder Klüsener zu den Nähereien, um den Feinschliff vor Ort zu begleiten. Verschickt werden die Produkte von München aus. Das Unternehmen arbeitet mit Fachhändlern in 18 Ländern auf vier Kontinenten zusammen und führt einen Onlineshop. Den Versandriesen Amazon haben die Klüseners für sich ausgeschlossen. „Ein großer Massenanbieter wie Amazon passt nicht zu unserer Marke“, sagt Robert Klüsener. Sie haben sich inzwischen ein Netzwerk aus rund 100 Feuerwehren in ganz Deutschland aufgebaut.

Feuerwehrschläuche müssen laut Gesetz regelmäßig auf Schäden geprüft werden. Das Unternehmen holt die defekten Schläuche ab, die sonst im Müll landen würden. 40 Tonnen Schläuche hat Feuerwear im Jahr 2017 verarbeitet. Die meisten sind weiß und rot, aber auch neongelbe, blaue und grüne Schläuche sind dabei. „Die Farbe der Schläuche soll gut sichtbar sein, um die Feuerwehrleute im Einsatz vor Stolperfallen zu schützen“, erklärt Robert Klüsener.

Die neueren Schläuche sind neongelb, von ihnen sind noch nicht viele bei Feuerwear gelandet. Bislang brachte das Unternehmen davon Sondereditionen heraus, in Zukunft wird ein Großteil der Produkte neongelb sein. Vor ein paar Jahren gab es auch noch Schläuche aus DDR-Zeiten. Nur die grünen Schläuche geben den Unternehmern bislang ein Rätsel auf: Woher sie stammen, weiß keiner.

Zu kaufen sind die Taschen und Accessoires aus Feuerwehrschläuchen zum Beispiel bei NippS49, Wilhelmstraße 49, 50733 Köln oder in der Drahtflechterei, Körnerstraße 56, 50823 Köln, oder online im Webshop:

www.feuerwear.de

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