Eine ganz besondere SportartZwei Kölner üben sich in historischer Kampfkunst

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Historische Schwertkunst vor dem Fort X

Nippes – Sieht man Holger Kreutzkamp und Marianne Albrecht beim Training, fühlt man sich für einen Moment in eine andere Zeit zurückversetzt. Mit Zweihandschwert, Dolch und Buckler – einem stählernen Schild für die Fäuste – bewaffnet demonstrieren die beiden vor dem Fort X in Nippes ihren Klingentanz. Jeder Schritt ist hundertfach einstudiert, die Bewegungen sind fließend; Angriff und Verteidigung gehen spielend ineinander über.

Kämpfen wie im Mittelalter

Mit plumper Gewalt hat der Sport trotz der eindrucksvollen Waffen nichts zu tun. „Am ehesten kann man das heutzutage mit dem olympischen Sportfechten vergleichen“, erklärt Kreutzkamp. „Nur dass der Kampf dort auf einer Bahn stattfindet. Bei Historical European Martial Arts, kurz HEMA, können wir uns auch umeinander herumbewegen und verschiedene defensive und offensive Waffenarten einsetzen.“ Die Wurzeln der historischen Kampfkunst liegen zwischen dem 13. und 17. Jahrhundert. „Texte aus dieser Zeit haben sich bis heute erhalten. Sie zeigen detailliert, wie diese Formen der Kampfkunst mit Schwert, Dolch und Schild abgelaufen sind und welche Techniken die alten Lehrmeister damals ausgearbeitet haben.“

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Holger Kreutzkamp und Marianne Albrecht in der Schutzausrüstung für ihren Sport

Diese Meister brachten den Schülern bestimmte Fecht- und Kampftechniken bei, um sie für Duelle, Fehden oder bevorstehende Kampfhandlungen fit zu machen. „Das waren Fechtschulen, in denen die Techniken an die Schüler weitergegeben wurden“, so Kreutzkamp. „Die haben auf dieser Basis ihre eigenen Ideen entwickelt und weitervermittelt. Dadurch gab es über mehrere Jahrhunderte hinweg eine lebendige Tradition des Kampfsports in Europa, die heute kaum noch bekannt ist.“ Das möchten Albrecht und Kreutzkamp gerne ändern und ihrem Hobby HEMA zu einer Renaissance verhelfen – mit dem im letzten Jahr gegründeten Verein „HEMA Köln“ samt eigenem Dojo (Trainingsraum) im Agnesviertel. „In unserem Verein üben wir nicht nur die Choreografien und Techniken der Kampfkunst ein, sondern gehen auch in historischen Texten auf Spurensuche“, so Kreutzkamp. „Die meisten davon finden sich online im sogenannten „Wiktenauer„ – einer Art Wikipedia für Historische Europäische Kampfkunst.“

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Zweihandschwerter, Buckler und Fechtmaske – die Ausrüstung für die Schwertkunst 

Holger Kreutzkamp (Jg. 1980) ist schon seit seiner Jugend begeisterter Kampfsportler. Den Anfang hat der gebürtige Kölner als Kind im Judo gemacht. Darauf folgten Kung Fu, Tai-Chi, Aikido und Ju-Jitsu. Seit einem guten Jahr ist eine neue Kampfsportart dazugekommen: die Historische Europäische Kampfkunst – kurz HEMA.

Seine Leidenschaft für Kampfsportarten verfolgt Kreutzkamp auch im Beruflichen. In einer Tai-Chi-Schule in Köln ist der 40-jährige Trainer hauptberuflich tätig. Zusätzlich hält er im Bereich der betrieblichen Gesundheitsförderung Angestellte von Unternehmen körperlich fit.

Facebook: HEMA Köln @HEMAcgn  

Ausrüstung wiegt fünf Kilogramm

Ein weiterer wichtiger Aspekt des Sports ist die körperliche Fitness. „Für die Kämpfe ist eine gewisse Grundfitness notwendig.“ Schließlich bringen die Fechtmaske, der Stichschutz am Hals und die Ganzkörperpanzerung insgesamt rund fünf Kilogramm auf die Waage. Die Schwerter, Dolche und Schilde fallen bei den schwunghaften Bewegungen zusätzlich stark ins Gewicht. „Die mehr als eineinhalb Meter langen Zweihandschwerter können ohne Weiteres bis zu zweieinhalb Kilo wiegen“, so Kreutzkamp. „Um damit gut umgehen zu können, braucht es ein wenig Fitness und Übung, die wir drei Mal wöchentlich in unseren Ausdauer- und Technikeinheiten trainieren. Damit jeder Hieb kontrolliert und präzise ist.“ Geeignet ist der Sport mit der richtigen Ausrüstung für jedermann. „In unserem Verein zieht sich die Altersspanne von Anfang 20 bis Mitte 50“, so Kreutzkamp. „Unser Kindertraining ab acht Jahren geht zudem ab dem Herbst an den Start. Der Sport lässt sich auch bis ins hohe Alter betreiben, solange man mobil genug ist.“

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Besondere Ausrüstung für einen besonderen Sport

Bislang liege die Frauenquote bei der Sportart bei etwa 30 Prozent, so Albrecht. „Aber auch daran möchten wir mit unserem Verein etwas ändern und mehr Frauen ermutigen, bei uns mitzumachen“, erklärt die 28-Jährige. Die Einstiegsbedingungen sind niedrig gehalten. „Im Verein bieten wir für den Start Polsterwaffen an, um herauszufinden, ob der Sport überhaupt etwas für einen ist.“ Auch die nötige Schutzausrüstung gibt der Verein an die Teilnehmer aus. „Und wenn die Begeisterung für den Sport entfacht ist, ist es wie bei jedem Hobby“, sagt Kreutzkamp. „Dann ist die Kostengrenze nach oben hin offen. Ein handgeschmiedetes Zweihandschwert kann ohne Weiteres schon mal um die 600 Euro kosten.“ Und der leidenschaftliche Sammler weiß, wovon er spricht: „Bei Marianne und mir in der Wohnung hängen an den Wänden bereits ein Schild, ein Dolch, ein Seitschwert und ein Zweihandschwert.“ Das Hobby sei schließlich auch ein Teil ihrer Persönlichkeit. „Wo andere vielleicht ein Surfbrett hinhängen, haben wir unsere Schauwaffen platziert.“ An ihrem gemeinsamen Hobby schätzen die beiden passionierten Kampfsportler die Mischung aus Tradition, Fitness und Offenheit. „Ich finde es spannend, dass wir Europäer eine historische Kampfkunst haben, die heute neu interpretiert werden kann“, so Kreutzkamp. „Obwohl es um eine Sportart mit Schwertern geht, rennen bei uns nicht nur Männer mit langen Haaren in Pluderhosen rum. Es ist eine moderne Kampfkunst, die Wert auf körperliche und geistige Gesundheit legt und wesentlich friedlicher ist als die meisten denken.“

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Außerdem spielten beim HEMA die soziale Komponente und Gleichberechtigung eine zentrale Rolle, sagt Albrecht. „Das Geschlecht ist dabei in unserem Sport irrelevant. Es ist eine sehr technikbasierte Sportart, bei der das präzise und akribische Training den Ausschlag gibt und nicht nur grobe Kraft.“ Die Teilnehmenden kämen sich bei den Trainings und Wettkämpfen stets auf Augenhöhe und mit Respekt entgegen. „Damit ist HEMA wie alle modernen Sportarten für uns vor allem eins: ein Sport der Begegnung.“

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