Einer der letzten in diesem LandKölner Walter Gruhn ist Experte für Schreibmaschinen

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Wiedergutmacher

Walter Gruhn repariert – derzeit in seinem Homeoffice – eine Schreibmaschine 

Köln-Nippes – Was der US-Komiker Jerry Lewis vor nahezu 60 Jahren in dem Film „Der Ladenhüter“ an einer imaginären Schreibmaschine vorführt, wird der jüngeren Generation kaum mehr ein müdes Grinsen entlocken können.

Dass Vorzimmerdamen während der Wirtschaftswunderjahre wohl selbst im Schlaf den Zeilenschalthebel betätigten, kann man sich im Computer-Zeitalter ebenso wenig vorstellen wie die Tatsache, dass eine Sekretärin seinerzeit beim Bewerbungsgespräch über ihre Anschläge Auskunft geben musste. Sage und schreibe 16.000 in nur 30 Minuten schaffte damals die Stuttgarterin Lore Alt und gewann damit 1955 ihren ersten Weltmeistertitel im Schnellschreiben.

Das funktionierte natürlich nur, weil die Schwäbin im Gegensatz zu den meisten Homeoffice-Usern von heute mit allen zehn Fingern tippte. Für Walter Gruhn ist es besonders schwer nachvollziehbar, dass junge Leute in der Schule nicht mehr lernen, Schreibmaschine zu schreiben. Was früher ein Ausbildungsfach an den höheren Handelsschulen war, „müsste eigentlich eine Grundvoraussetzung sein“, meint der 68-Jährige.

Schreibmaschine

Eine etwa 60 Jahre alte Schreibmaschine der Firma Walter.

Gruhn ist Büromaschinenmechanikermeister und einer der letzten in diesem Land, die sich auf die Reparatur und Wartung alter Schreibmaschinen verstehen. Gerade betrachtet er das Innenleben einer Twen von Triumph Adler. „Gut 20 Jahre alt“, schätzt der Fachmann. Im Gegensatz zu vielen älteren Schätzchen, die ihm gebracht werden, ist dieses elektrische Modell noch relativ gut in Schuss. Er wird das Gerät reinigen, hier und da ölen, das Korrekturband richten und überprüfen, ob noch alle Tasten funktionieren. Ein bis zwei Stunden, kalkuliert er, werde er damit befasst sein. Sich länger damit zu beschäftigen, lohne den finanziellen Aufwand nicht.

Buchstaben mit Kruste

Immerhin sind bei der Twen sämtliche Buchstaben klar erkennbar, was in Gruhns Praxis keine Selbstverständlichkeit ist. Mitunter bekommt er Geräte auf den Tisch, die wirken, als seien sie bereits vom Neandertaler benutzt worden - mit schmutzigen Fingern, versteht sich. „Manchmal gibt es richtige Krusten auf den Tasten“, sagt der Experte mit einem vielsagenden Grinsen.

Schreibmaschine 2

Dank seiner großen Sammlung an Ersatzteilen sind die meisten Reparaturen kein Problem.

Dann deutet er auf ein an der Wand hängendes Foto in seinem Homeoffice, das ihm vor längerer Zeit von einem Künstler gebracht wurde. Es zeigt eine Maschine - beziehungsweise deren Konturen. „Die hat jahrzehntelang in der Elbe gelegen, wahrscheinlich eine alte Continental“, vermutet der Fachmann.

Dank seiner großen Sammlung von teilweise auch richtig alten Ersatzteilen, sind die meisten Reparaturen für ihn kein Problem. Da stellt sich natürlich die Frage: Wer benutzt überhaupt noch eine Schreibmaschine?

„Die sagen das zwar nicht, aber die tun es"

„Sie können davon ausgehen, dass Menschen von 65 aufwärts noch damit schreiben. Die sagen das zwar nicht, aber die tun es.“ Er habe etliche Kunden, ältere Leute, die sogar noch mehrere Maschinen bei sich rumstehen hätten und benutzten. Der Computer, mit dem Gruhn sich natürlich auch auskennt, sei da so eine Sache. „Ein extrem schnelllebiges Geschäft. Da gibt es viele, die nicht mehr umsteigen wollen oder schlichtweg den Zug verpasst haben.“ Interessanterweise hat der gebürtig aus Oberschlesien stammende Büromaschinenmechaniker ab und zu auch junge Kundschaft. Erst neulich habe ihm eine Studentin eine Maschine zur Wartung gebracht, die sie irgendwann auf einem Flohmarkt erstanden hatte.

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Er selber hat sich längst von seinen alten Maschinen getrennt. Bis auf die circa 60 Jahre alte Rechenmaschine der Firma Walter. Das deutsche Unternehmen, das eher als Produzent von Schusswaffen bekannt ist, hat etwa ein halbes Jahrhundert lang auch Rechenmaschinen hergestellt. „Die würde ich nie abgeben“, sagt Gruhn mit Blick auf sein altes Stück.

Reparatur im Homeoffice

Der Kölner ist zwar schon im Rentenalter, aber noch immer ein viel beschäftigter Mann. Nach seiner Ausbildung in Solingen hatte er Ende der 70er Jahre zunächst bei einer kleinen Firma neben dem Millowitsch-Theater angefangen und sich dann später mit einem älteren Kompagnon namens Kurt Peller in Ehrenfeld selbstständig gemacht. Während viele seiner Kollegen aufgeben mussten, weil die Verdrängung durch den Computer immer weiter voranschritt, konnte sich die Firma Peller halten. „Wir haben nicht solchen Wert auf große Kunden gelegt, sondern auch die ganz kleinen betreut.“

Vor gut zehn Jahren machte Gruhn das, was im Zuge der Corona-Pandemie landesweit Usus wurde: Er sattelte um auf Homeoffice und betreibt seine Firma mit Unterstützung seiner Frau Ingrid nun vom heimischen Reparaturtisch aus. Kunden mit defekten Büromaschinen können diese nach telefonischer Voranmeldung zu ihm nach Nippes bringen.

Bürotechnik Peller, Kempener Straße 13, Köln-Nippes. Telefon: 0221-5101150

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