Veedelspaziergang mit Moritz A. Sachs„Klaus Beimer“ zeigt seine Lieblingsecken in Köln-Niehl

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Etwa in Höhe des Rheinstrom-Kilometers 695,8 überkommt Moritz A. Sachs zuweilen das Gefühl von Urlaub – mitten in seinem Stadtteil Niehl.

Etwa in Höhe des Rheinstrom-Kilometers 695,8 überkommt Moritz A. Sachs zuweilen das Gefühl von Urlaub – mitten in seinem Stadtteil Niehl.

Niehl – Wenn Moritz A. Sachs über die Fußgängerbrücke am Niehler Hafen fährt, ist erstmal nur der gelbe Wimpel zu sehen: „Meine Lebensversicherung“, wie er das Fähnchen nennt. Es weht an der Spitze einer etwa 1,20 Meter langen Stange, die befestigt ist am Liegefahrrad des Schauspielers.

Mit dem Rad ist er am liebsten unterwegs in seinem Veedel, in Niehl, das er vor vier Jahren für sich entdeckt hat. Aber weil Liegefahrräder nun einmal tiefer liegen als herkömmliche Räder, sehen Autofahrer sie schlechter, das Fähnchen soll sie warnen: Achtung, da kommt wer.

Auf der Brücke steigt Sachs ab, schiebt sich die Sonnenbrille auf die graue Basecap, lehnt sich auf die Brüstung und schaut über die 472.700 Quadratmeter Wasserfläche der vier Hafenbecken. „Ich finde immer, das hat was von Hamburg“, meint der 37-Jährige, der bekannt geworden ist als Klaus Beimer in der „Lindenstraße“.

Industrieller Charme

„Natürlich ist es hier viel kleiner, aber immerhin.“ Er blickt auf die Kräne, deren Greifarme über die Container am Kai surren. Heizöl, Getreide, Steinkohle, Papier und Briketts schlagen die Hafenarbeiter hier zum Beispiel um. „Dieses Industrielle macht für mich einen Teil des Charmes von Niehl aus“, sagt Sachs, „aber auch die Natur.“ Er deutet in Richtung Rheinufer. „Da bummeln meine Sabine und ich gern.“

Gemeint ist die Choreografin Sabine Lindlar, seit zwölf Jahren sind die beiden ein Paar. Sachs lässt sein Liegefahrrad die Brücke hinunterrollen, biegt zum Rheinufer ab, hält am Sandstrand an. Ein Tanker fährt flussabwärts vorüber, die „Veeningen“ hält Kurs auf Düsseldorf. Wasser klatscht an ihren Bug, gluckert in seichten Wellen ans Ufer. Er setzt sich auf einen Stein, blickt aufs Wasser, hängt seinen Gedanken nach.

Vom Volksgarten zum Kinderstar

Seit 30 Jahren spielt Moritz A. Sachs den Klaus Beimer in der „Lindenstraße“. Zwischendurch hatte er einige Semester Jura studiert. Sein Vater ist der Kölner Staats- und Verwaltungsrechts-Professor Michael Sachs. Der Sohn entschied sich aber doch lieber fürs Entertainment und belegte im Jahre 2011 sogar den zweiten Platz in der RTL-Tanzshow „Let’s Dance“.

Seit 30 Jahren arbeitet Sachs als Schauspieler, mit sieben Jahren hatte er angefangen. Ein Kinderstar, entdeckt im Volksgarten. „Ich war fünf, meine Schwester drei Jahre alt, sie sah bildhübsch aus, ein blonder Lockenkopf“, erinnert sich der große Bruder.

„Eine Casting-Agentin kam vorbei und fragte meine Mutter, ob sie Fotos von uns machen dürfe. Meine Mutter willigte ein.“ Zwei Jahre später kam Sachs zur ARD, zur „Lindenstraße“, seit Folge 1 ist er dabei, im Dezember feierte er den 30. Geburtstag der Fernsehserie.In seiner Rolle mauserte er sich von Klausi zu Klaus, brachte drei Hochzeiten und zwei Scheidungen hinter sich, ist Vater eines Kindes.

In der gleichen Zeit entwickelte sich Moritz Alexander Sachs zu Moritz A. Sachs, bekam im Alter von neun Jahren den Fernsehpreis „Bambi“ verliehen, schämte sich bisweilen aber auch für seine Arbeit; etwa, als er 15 war, unterwegs mit den coolen Jungs aus der Klasse, „und dann kommt eine Omi vorbei, drückt dich in ihre großen Brüste und freut sich, Klausi zu treffen“. Sachs schüttelt sich – und steigt wieder aufs Fahrrad.

Lesen Sie im nächsten Abschnitt: Moritz A- Sachs zeigt uns weitere Lieblingsstellen im Veedel

Er führt uns weiter durch sein Niehl, bleibt zunächst im maritimen Teil. Sachs fährt hinein in die Maienkammer. „Hier gefällt es mir gut“, betont er, „das ist das ursprüngliche Niehl, die alte Fischersiedlung.“ Bis zu Beginn des 20. Jahrhunderts war Niehl ein Fischerdorf, erst Ende der 1920er, Anfang der 1930er Jahre folgte die Ansiedlung von Großbetrieben wie den Ford-Werken.

„Ist das nicht bildschön hier?“, fragt Sachs und deutet auf die Reihe der Häuschen mit den kleinen Gärten.

Auf dem kleinen Platz, an dem Maienkammer und Merkenicher Straße aufeinandertreffen, hält Sachs an. Er deutet hinüber zur Baugrube an der Merkenicher Straße. „Da entstehen neue Wohnungen“, weiß er. „Das wird das Parkplatzproblem hier in der Ecke noch einmal verschärfen, ich wünschte, der Park-and-Ride-Platz an der Haltestelle Sebastianstraße würde endlich dreigeschossig ausgebaut, das würde Niehl wirklich helfen. Sonst haben wir hier bald Park-Verhältnisse wie im Agnesviertel.“

Und noch etwas findet er schade an seinem Veedel: „Ich wünschte, wir hätten noch so etwas wie einen Stadtkern. Die Geschäfte seien vorwiegend an der Friedrich-Karl-Straße. „Da kann man natürlich alles kaufen, nur hat man da kein Gefühl von Veedel, so wie es das etwa in Brück oder Dellbrück noch gibt.“

Von Brück auf die Ringe, ins Agnesviertel und nach Niehl

In Brück hat er lange mit den Eltern und seiner Schwester gelebt. Hatte in seiner Studentenzeit eine Wohngemeinschaft am Barbarossaplatz („da war es nie ruhig, außer, wir haben uns die Ruhe angetrunken“), später zog er ins Agnesviertel, bis er Niehl für sich entdeckte.

„Ich mag das Kölsche hier, ich höre viel Mundart, wenn ich unterwegs bin. Auch viel Türkisch, es ist recht multikulti in diesem Teil von Köln. Und ich treffe Menschen aus allen Schichten der Gesellschaft, das gefällt mir.“

Ab und zu braucht er jedoch die Einsamkeit. Die sucht er dann aber nicht im Kölner Norden, lieber fährt er im Urlaub schon mal allein mit dem Rad durch Schweden oder er überquert zu Fuß die Alpen.

Vorigen Sommer sollte es für ihn und Sabine Lindlar ein Camping-Abenteuer mit dem Wohnwagen in Norwegen werden. „Leider bin ich gleich zu Beginn liegen geblieben, Motorschaden. Wir waren gerade in Norwegen angekommen, da ging nichts mehr mit der Karre.“

Statt Urlaub zu machen, musste er also sehen, wie er den Wohnwagen mit einem Leihfahrzeug zurück nach Deutschland bekommt. So kam es, dass Sachs an einem Sonntag von seinem Abenteuer zurückkehrte nach Niehl. „Montags stand ich schon wieder für die „Lindenstraße“ vor der Kamera, dienstags habe ich eine Produktionsleitung in Kopenhagen übernommen, musste also nach Dänemark fliegen, zurück in den Norden.“ Von wo er zwei Tage zuvor erst hergekommen war nach seinem verpatzten Camping-Abenteuer. „Ziemlich verrückt, aber zuweilen ist das so“, weiß Sachs.

Eine sehr schöne Arbeit sei das gewesen, seine erste Produktionsleitung in Dänemark fürs Fernsehen. Bislang hatte Sachs das für Musicals übernommen, etwa für „Die Schwarzen Brüder“, die er vergangenes Jahr im niedersächsischen Bückeburg auf die Bühne brachte.

Nach Nippes zum Obst kaufen

Mit Maite Kelly in der Hauptrolle, die Entertainerin, die ihn in der RTL-Show „Let’s Dance“ auf Platz zwei verwiesen hatte. Wie viel Zeit er für die „Lindenstraße“, wie viel für andere Tätigkeiten aufwende? Etwa 30 Prozent fielen auf die ARD-Serie, schätzt Sachs.

Er ist auch gefragt als Regie-Assistent, hat zum Beispiel gearbeitet für die ZDF-Serien „Die Rettungsflieger“ und „Notruf Hafenkante“. Und in diesem Jahr spielt er Theater, er ist engagiert für eine Freilicht-Produktion in der Schweiz.

Aber jetzt muss er erstmal ins nahe Nippes hinüberwechseln, er soll Obst einkaufen. „Mein Türke ist in Nippes“, erzählt Moritz A. Sachs und meint den Aydin Supermarket am Niehler Kirchweg. Der Schauspieler greift zu den roten Red-Chief-Äpfeln in der Auslage vor dem Geschäft, den blauen Feigen, den weißen Sultana-Weintrauben. Zahlt, und verstaut alles in der Gepäcktasche seines Liegefahrrads.

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