Stolpersteine am BauzaunGedenken an NS-Opfer an einem ungewöhnlichen Kölner Ort

Stolpersteine vor dem Hotel Mercure in der Severinstraße.
Copyright: Günther Otten
Köln – Seit einiger Zeit stehen vier Stolpersteine am Bauzaun des U-Bahn-Bauwerkes in der Severinstraße nahe des Eingangs zum Friedrich-Wilhelm-Gymansium. Ungewöhnlich ist, dass diese Erinnerung an die Opfer der Nazizeit in einem Holzkasten steht und nicht - wie sonst üblich - im Boden verlegt vor dem jeweils letzten Wohnort vor der Deportation.
Europaweit liegen inzwischen 90.000 Stolpersteine in 1.800 europäischen Kommunen im öffentlichen Raum, in Köln sind es rund 2.400 – ein grandioses Werk, das der Künstler Gunter Demnig vor 30 Jahren initiierte und bis heute fortsetzt.Vier Namen sind auf den Messingtafeln im Holzkasten an der Severinstraße zu lesen: Frieda Eichel, Johanette, Ruben und Karola Oppenheimer.
Nach Auskunft eines Bauarbeiters wurden sie kürzlich bei den Arbeiten an der U-Bahn aufgefunden. In einer einfühlsamen Initiative sicherten die Arbeiter den Fund, bauten die Holzvitrine auf einer Säule und präsentieren so die vier Messingtafeln am Bauzaun.
Auf den ersten Blick könnte man vermuten, diese Stolpersteine seien zusammen mit dem Stadtarchiv, das an dieser Stelle am 3. März 2009 einstürzte, im Erdboden verschwunden. Aber so ist es nicht, wie das NS-Dokumentationszentrum Köln weiß, das Informationen über alle in Köln verlegten Stolpersteine hat.
Geschichtsträchtiges Haus stand am heutigen Platz des Kölner Mercure Hotels
Die Familie Oppenheimer (Frieda Eichel war eine Schwester von Johanette Oppenheimer) wohnte bis zu ihrer Deportation 1941 im Haus Severinstraße 213-215, damals gut 200 Meter entfernt vom heutigen Bauzaun. Das Haus und die Hausnummer existieren nicht mehr. Sie sind verloren durch Kriegsschäden, Straßen- und Häuser-Neubauten.
Anhand alter Stadtpläne und Adressbücher lässt sich die Position aber ungefähr bestimmen, und zwar in Nachbarschaft der Einmündung Kleine Spitzengasse/Severinstraße, dort wo heute das Hotel Mercure steht. Und tatsächlich liegen auch dort vier Stolpersteine mit den gleichen Namen Eichel und Oppenheimer.
Diese Steine liegen aber erst seit 2015 dort, weil die ursprünglich verlegten plötzlich weg waren. Auch dieses Rätsel kann das NS-Dokumentationszentrum (NS-Dok) aufklären: Im Rahmen der Bauarbeiten an der neuen U-Bahn-Haltestelle „Severinstraße“ sind die ersten Steine verschwunden. „2015 habe ich die Projektleitung befragt, ob diese etwas über den Verbleib der Steine sagen kann. Darauf erhielt ich die Antwort, die Steine seien verloren gegangen,“ berichtet Ibrahim Basalamah vom NS-Dok.
NS Dokumentationszentrum Köln klärte einige Rätsel auf
Aber zugleich hätten die Baufirmen der „ARGE Nord-Süd Stadtbahn Köln Los Süd“ zugesichert, einen neuen Satz Stolpersteine zu finanzieren, was auch geschah, erinnert sich Basalamah.
Offensichtlich sind die nun auf der Baustelle im Holzkasten präsentierten Steine diejenigen, die 2015 vermisst wurden und als verloren galten.

Copyright: Günter Otten
Zur Biografie dieser Familie Oppenheim ist im Kölner NS-Dok wenig bekannt, wohl aber in Staudernheim, einer 1400-Einwohner-Gemeinde im pfälzischen Landkreis Bad Kreuznach. Von dort verzog die Familie Eichel/Oppenheimer erst 1939 nach Köln.
„Das ist eine weit verzweigte Familie gewesen, die wir hier bis ins 18. Jahrhunderts zurückverfolgen können“, weiß Andrea Lefèvre vom Museumsverein Synagoge Staudernheim. Der Verein hat die ehemalige Synagoge dort schrittweise restauriert und die Lebensgeschichte der Juden dokumentiert.
Die Oppenheimers führten lange ein Kolonialwarenhandlung in der Hauptstraße Staudernheims, litten aber als jüdische Bürger gegen Ende der 30er Jahre zunehmend unter antijüdischen Kampagnen und Ausschreitungen der Nationalsozialisten. Sie flüchteten deshalb nach Köln, wo sie Verwandte hatten. Auch in Staudernheim erinnern vier Stolpersteine an Frieda Eichel, Johanette, Ruben und Karola Oppenheimer.
Vom Bahnhof Messe Köln-Deutz deportierte die Nazis Menschen nach Lodz
In Köln wurde die Familie schon nach zwei Jahre vertrieben. Mit einem der ersten Deportationszüge deportierten die Nazis sie im Oktober 1941 vom Bahnhof Messe Köln-Deutz ins Ghetto nach Lodz (damals Litzmannstadt). Nahe Lodz entstand das Vernichtungslager Kulmhof/Chelmo.
Dort starben Frieda Eichel und Karola Oppenheimer. Ruben Oppenheimer wurde am 7.8.1942 ermordet, seine Frau Johanette Oppenheimer am 13.11.1942 – so ist es auf den Stolpersteinen zu lesen, die ihr Andenken bewahren.
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Inzwischen sind die vier Stolpersteine nicht mehr in der Vitrine zu sehen. Gunter Demnig soll sie an sich genommen und nach Alsfeld in seine Ausstellungsräume gebracht haben.