Gratis-Tattoo als ZeichenKölnerinnen tragen lebensrettendes Bekenntnis auf der Haut

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Zwei Kölner Studios bieten das Organspende-Tattoo „Opt.Ink“. Damit soll das Einverständnis zur Spende gegeben werden. Der Andrang ist groß.

Antonia Hartrampf hat sich entschieden. Und ihre Entscheidung will die Kölnerin auch unter der Haut tragen: Am linken Handgelenk lässt sie sich einen Kreis und zwei Halbkreise stechen – das Tattoo als Alternative zum Organspendeausweis.

Mehr als 8.500 Menschen warten auf ein Spenderorgan. Laut einer repräsentativen Befragung der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung haben sich 61 Prozent der Deutschen für eine Organspende entschieden. Diese Entscheidung dokumentiert hätten aber nur 43 Prozent. Die Folge: Im Zweifel entscheiden die Angehörigen und wissen sie nichts von dem Willen, können sie gegen eine Organspende stimmen.

Zwei Kölner Studios bieten „Opt.Ink“ an

Die gemeinnützige Organisation „Junge Helden“ will mehr Menschen von der Organspende überzeugen – und von der Dokumentation etwa in Form eines Organspendeausweises. Um Menschen zu erreichen, die bisher keinen Ausweis haben, wollen sie auch „unkonventionellere“ Methoden nutzen, erklärt Anna Barbara Sum, Mitgründerin von „Junge Helden“. Eine dieser Methoden ist „Opt.Ink“, das Organspende-Tattoo. Im Januar hat der Verein das Tattoo erstmals auf einer Tattoo-Messe vorgestellt, im März ging es an die breite Öffentlichkeit. Seitdem melden sich immer mehr Tattoostudios an, um das Tattoo zu stechen. Auf eigene Kosten. Die Reaktion sei „überwältigend“, meint auch Sum.

Das Tattoo ist kein offizielles Dokument. Gibt es also keinen Organspendeausweis, müssen trotzdem die Angehörigen entscheiden, ob Organe gespendet werden dürfen oder nicht. Aber für die soll das Tattoo als Zeichen gelten, dass die verstorbene Person für eine Organspende gewesen wäre. In der Uniklinik Köln sei das neue Mal noch nicht breit bekannt, heißt es auf Anfrage von einem Sprecher. Jedoch begrüße man jede Aktion, die eine Auseinandersetzung mit dem Thema fördert und zu einer Dokumentation des Willens führt.

Inna Fisher sticht das Organspende-Tattoo auf Antonia Hartrampfs Handgelenk.

Inna Fisher sticht das Organspende-Tattoo auf Antonia Hartrampfs Handgelenk.

In Köln bieten bisher zwei Studios das Organspende-Tattoo an. Eines davon ist der „Westside Store“ in Ehrenfeld. Inna Fisher fand die Idee toll, die 32-jährige Ukrainerin selbst habe keinen Organspendeausweis, weil sie erst seit zwei Jahren in Deutschland lebt und nichts darüber wusste. Jetzt will die Tätowiererin das Thema ihren Kunden näherbringen – und auch selbst bald unter die Nadel. Die Nachfrage sei jetzt schon sehr hoch, schon kurz nach der Anmeldung für das Programm hätten sich die ersten Leute gemeldet.

Eine davon ist Antonia Hartrampf. Die Kölnerin hat das Tattoo auf Instagram gesehen und direkt auf der Webseite von „Junge Helden“ geschaut, wer es in Köln anbietet. Am Dienstagmittag kommt die 21-Jährige mit ihrer Mutter Heidi ins Ehrenfelder Studio. Schnell ist klar: Das Tattoo soll das linke Handgelenk zieren. Fisher trägt die Vorlage auf und schon kann es losgehen. Während Antonia Hartrampf auf der Liege sitzt, Fisher tief über ihr Handgelenk gebeugt, fasst Mutter Heidi einen Entschluss: Auch sie will das Tattoo direkt haben.

Fisher hat noch genug Zeit und so sitzt kurz nach der Tochter auch die 43-Jährige auf der Liege. Da die Handgelenke schon tätowiert sind, soll das neue Zeichen über das linke Schlüsselbein. Die Tätowiermaschine surrt, Heidi Hartrampf verzieht keine Miene. Nur beim anschließenden Spray, dass Fisher auf das frisch gestochene Tattoo sprüht, kneift sie leicht die Augen zusammen: „Es brennt an ein paar Stellen“, meint Heidi. Aber das vergeht schnell. Zufrieden betrachtet sie ihr Tattoo im Spiegel, auch Antonia ist begeistert. Beim Rausgehen versichert Heidi Hartrampf Fisher: „Mein Sohn kommt auch noch vorbei!“

Den Ansturm auf das Organspende-Tattoo kann auch Stefanie Schützdeller bestätigen. Sie tätowiert als Selbstständige im Atelier Juven Ink im Belgischen Viertel. Am Osterwochenende hätte sie sich für das Programm angemeldet und „es ist eingeschlagen wie eine Bombe“. Sie hätte jetzt schon tägliche Termine bis Ende Mai vereinbart. Mehr als ein Organspende-Tattoo pro Tag wolle sie aber nicht machen – und auch immer in Kombination mit einem anderen Tattoo. Anders ginge es nicht, weil die Materialkosten für das – wenn auch kleine – Tattoo sonst in Summe zu hoch wären. Trotzdem freue sie sich über den Ansturm: „Ich finde die Sache richtig schön.“ Selbst will sie sich das Tattoo auch noch stechen lassen.

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