Peter-und-Paul-Angriff29. Juni 1943 – Die Nacht, in der 4500 Kölner starben

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KZ-Häftlinge aus dem Außenlager Buchenwald bergen im Juli 1943 Leichen aus den Trümmern. 

Köln – Vor 76 Jahren erlitt Köln den folgenreichsten aller Luftangriffe auf die Stadt. Mehr als 4500 Menschen starben nach den Attacken der britischen Bomber in der Nacht vom 28. auf den 29. Juni 1943 - den Tag des katholischen Hochfestes „Peter und Paul“ zu Ehren der beiden Apostel. 

Der Angriff, der die meisten Opfer in Köln forderte

Massenbeisetzung von Kriegsopfern in Köln

Der Südfriedhof 1943: Eines der Massenbegräbnisse der Bombenopfer, auch Ella D. wurde hier bestattet. 

Als „Peter und Paul-Angriff“ hat sich das furchtbare Fanal ins Stadtgedächtnis eingebrannt. „Mehr als 10.000 Menschen wurden verletzt, die schier unvorstellbare Zahl von etwa 230.000 obdachlos. Vieles von dem, was beim Angriff am 31. Mai des Vorjahres verschont geblieben oder zwischenzeitlich wieder instand gesetzt worden war, war endgültig vernichtet, die Kernstadt nahezu vollständig.“ erklärt Dr. Martin Rüther, Historiker im Kölner NS-Dokumentationszentrum. 

Tragödie im Brauhaus an der Herzogstraße in Köln

Von einer der schrecklichen Tragödien erzählt im EXPRESS der heute 87-Jährige Kölner Wilhelm D.. Wer von der Schildergasse am C & A in die Herzogstraße abbiegt, geht auf den Ort des Geschehens zu. Es ist das Eckhaus mit der Nummer 16-20. Hier befand sich 1943 das Brauhaus Dünnwald. Nichts erinnert mehr daran.

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Die Herzogstraße, hinten die Schildergasse: An der Stelle des Eckhauses links befand sich das „Brauhaus Dünnwald“, das Kellergewölbe wurde als Luftschutzkeller genutzt.

Als mitten in der Nacht die Sirenen heulen, läuft die 36-jährige Kellnerin Elli D. von ihrer Wohnung an der Sternengasse 26 rüber in den Luftschutzkeller im Haus der Brauerei. 160 Menschen sammeln sich im Gewölbe. Bombeneinschläge erschüttern das Gebäude. Doch noch etwas anderes wird den Menschen zum Verhängnis.

Ella D. mit Baby

Ella D., geboren 1907, mit ihrem 1931 geborenen Sohn Wilhelm. Das Bild entstand in einem Fotoatelier an der Hohe Straße.

Ellis Sohn ist zu der Zeit in Braunau, Hitlers Geburtsstadt

Von alldem bekommt Ellis Sohn Wilhelm nichts mit. Mit der Kinderlandverschickung zum Schutz der Kleinen ist der Junge Ende 1942 in ein Dorf bei Braunau übergesiedelt worden. Adolf Hitlers Geburtsstadt, ausgerechnet. Erst vor wenigen Wochen wurde 1943 im Ort mit viel Pomp der Geburtstag des Führers gefeiert. Millionen Menschen hat die Nazi-Diktatur da schon den Tod gebracht.

Hitler-Geburtstag Braunau

Während die deutschen Städte wie Köln unter den Luftangriffen leiden, wird am Geburtshaus von Adolf Hitler am 20. April 1943 der Geburtstag des Diktators gefeiert. Das Foto schoss der Kölner Schüler Wilhelm D., dessen Mutter zwei Monate später umkam.

Elli stirbt mit 36: Sie ist eines von 4.500 Todesopfern in Köln

Auch Elli D. stirbt in jener Peter und Paul-Nacht in Köln. Mindestens 30 weitere Menschen kommen im Luftschutzkeller an der Herzogstraße ums Leben. Später wird rekonstruiert: durch die Zerstörung durch Bombentreffer und die Feuersbrunst, ist das Ammoniak, das die Bierbrauer zur Eisherstellung und Kölschkühlung brauchen, aus den Behältern entwichen. Ein giftiges Gemisch macht sich breit.

Drei bis vier Atemzüge hätten gereicht, um seine Mutter zu töten, erzählt der Sohn. In den Unterlagen des NS-Dok ist das Schicksal der Mutter dokumentiert: „Tod durch Ersticken“.

Todesnachricht aus Köln: Die Tage der Tränen

Wilhelm D. erzählt vom Tag der Hiobsbotschaft und seinen Tränen: „Immer, wenn der Leiter des Jugendlagers in die Klasse kam und einen anguckte, wusste man, es war etwas passiert. So war es auch jetzt. Ich sollte zu ihm ins Zimmer kommen. Ich war schon der dritte meiner Klasse, der eine Todesnachricht bekam.“

Wilhelm als Schüler

Wilhelm als Schüler, er war untergebracht in Burgkirchen bei Braunau im „angeschlossenen“ Österreich.

Von seiner Großmutter erfuhr Wilhelm D. später, dass abkommandierte Häftlinge den Toten aus dem Brauereikeller unter Aufsicht von SS-Männern den Schmuck abnehmen mussten. Für die Ringe an den aufgequollenen Fingern wurde Werkzeug wie Zangen eingesetzt. Wilhelm bekam die Uhr, die Ohrringe und die Halskette seiner Mutter zugeschickt.

Das zerstörte Köln

Das zerstörte Köln

Sein weiteres Leben verbrachte der junge Wilhelm in der Obhut von Pflegeeltern, die in der Takustraße wohnten. Er wurde Dachdecker wie sein Pflegevater, der einen eigenen Betrieb hatte. Es gab unendlich viel zu tun.

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