Pilotprojekt in Kölner FriseursalonStyling-Kurs für Krebspatientinnen nach Chemo

Lesezeit 3 Minuten
Friseurin Tatjana Richartz (h.) erklärt das Styling.

Friseurin Tatjana Richartz (h.) erklärt das Styling.

Köln – Noch etwas zögerlich streicht Vanessa Schovenberg ihre Haare strahlenförmig ins Gesicht. „Ich habe bisher immer versucht, sie hinter die Ohren zu legen, das ist jetzt ungewohnt. Aber man muss sich auch etwas trauen“, sagt die 31-Jährige, nachdem die Friseurin ihr behutsam, aber beherzt mit Wachs durchs Haar gewuschelt hat. Nach einer Chemotherapie stylt Schovenberg zum ersten Mal in ihrem Leben Haare mit einer Länge von sieben Zentimetern.

Sie ist nicht die einzige an diesem Nachmittag im Salon von Tatjana Richartz. Mit ihr sitzen vier weitere Frauen vor den großen Spiegeln. Sie alle haben den Krebs besiegt, aber die Haare wachsen erst seit kurzem wieder. „Während meiner Chemo habe ich gelernt, auch ohne Haare weiblich und schön auszusehen. Ich habe mich mit Glatze gezeigt, aber das trauen sich nur wenige.

Das Selbstwertgefühl leidet enorm. Nachdem die Haare wieder anfingen zu wachsen, stand ich vor einem neuen Problem“, sagt Anna Struzyna. Sie ist die Initiatorin des ersten Kölner Haarstyling-Kurses für Krebspatientinnen.

Anna Struzyna und Sina Arndt (vorne)

Anna Struzyna und Sina Arndt (vorne)

„Man ist so unglaublich stolz auf die ersten paar Härchen, die wiederkommen. Die Perücke, Mützen und Tücher sollen weg. Trotzdem muss man erst einmal wissen, was man jetzt mit den kurzen Haaren machen kann“, sagt die 31-Jährige.

Projekt soll ausgebaut werden

So kam die Idee, einen Kurs zu organisieren mit Unterstützung der Friseurmeisterin Richartz und der DKMS Life, bei der Struzyna ein Kosmetikseminar für Krebskranke besucht hat. „Wir haben uns gefreut, dass Anna mit der Idee zu uns gekommen ist und wir dieses Pilotprojekt mit unseren Partnern, die beispielsweise die Pflegeprodukte zur Verfügung stellen, unterstützen können“, sagt Svenja Paul von DKMS Life, einer Tochtergesellschaft der DKMS (Deutsche Knochenmarkspenderdatei).

Nach Möglichkeit wollen sie das Projekt mit Sponsoren und engagierten Friseuren ausbauen, da die Angebote für die Krebspatientinnen kostenfrei sind. Die Nachfrage sei sehr hoch. Über ihren Blog „Schmetterlings-Momente“ hat Struzyna Frauen gebeten, sich für das Seminar anzumelden und innerhalb weniger Tage Hunderte Bewerbungen für die fünf Plätze erhalten.

Vanessa Schovenbergs (vorne) Haar lässt sich schon gut frisieren.

Vanessa Schovenbergs (vorne) Haar lässt sich schon gut frisieren.

Sina Arndt ist glücklich, teilnehmen zu dürfen: „Ich finde das Angebot so klasse. Im Gesicht fehlt ohne Wimpern, Augenbrauen und Haare total die Orientierung. Beim Schminken habe ich mich gefühlt wie eine Transe. Zum Frisör habe ich mich, seit die Haare wieder wachsen, nicht getraut. Das Thema ist ganz empfindlich und ich will auch einfach nicht jedem davon erzählen“. Im Salon von Richartz, die auf Perücken bei krankheitsbedingtem Haarausfall spezialisiert ist, fühlen sich die Teilnehmerinnen sicher und tauschen ihre Erfahrungen aus.

Frisurentipps nach Gesichtsform

Frisurentipps nach Gesichtsform

„Genau darum geht es mir. Ich habe meinen Blog begonnen, um Frauen ein positives Beispiel zu sein und ihnen Mut zu machen. Es gibt viel zu viele Negativforen im Internet“, sagt Struzyna. Neben dem Styling-Kurs organisiert sie eine Gesprächsgruppe für Brustkrebspatientinnen. Niemand verstünde Betroffene besser als sie einander. Gerade deshalb sei es wichtig, offen über den Krebs zu sprechen. In einem Blogpost schreibt sie, wie befreiend es war, ihre langen Haare vor dem drohenden Ausfall abzuschneiden. „Mit meinem Freund habe ich jeweils zehn Zentimeter nach und nach abgeschnitten und viele Frisuren ausprobiert, bevor wir im Partnerlook raspelkurzes Haar hatten. Das hat mir das Gefühl der Machtlosigkeit genommen. Ich bestimme, wie ich aussehe“, sagt sie.

Ihr Kurzhaarschnitt setzt ihr strahlendes Gesicht in Szene. Sie will erreichen, dass die anderen Frauen genauso selbstbewusst in den Spiegel schauen, wie sie auch.

Hier geht's zum Blog "Schmetterlings-Momente" von Anna Struzyna.

KStA abonnieren