Köln-PorzUngeliebte, aber nicht mehr umkehrbare Eingemeindung

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Eine der Schokoladenseiten von Porz ist das Friedrich-Ebert-Ufer mit dem in den 50er und den 70er Jahren erweiterten Rathaus von 1910.

Eine der Schokoladenseiten von Porz ist das Friedrich-Ebert-Ufer mit dem in den 50er und den 70er Jahren erweiterten Rathaus von 1910.

Porz – „Was die meisten Bürger nicht gewollt, was viele auch für unmöglich gehalten haben, ist in diesem zu Ende gegangenen Jahr 1974 eingetreten: Porz hört auf, als selbstständige Stadt zu bestehen.“ So begann damals der Leitartikel in der Silvesterausgabe des „Kölner Stadt-Anzeiger“. Mehr als 70 Prozent der rund 80.000 Bürger der jungen Gemeinde Porz, die erst 1951 Stadtrechte erhalten hatte, hatten sich dagegen ausgesprochen, ein Vorort von Köln zu werden.

Auch die meisten Stadtväter waren dagegen und reichten beim Verfassungsgerichtshof Beschwerde gegen das Gesetz zur Neugliederung der Gemeinden und Kreise im Raum Köln ein. Genützt hat es nichts. Auch vor dem Oberverwaltungsgericht in Münster konnte sich Porz anders als Wesseling nicht durchsetzen. Die Eingemeindung wurde am 1. Januar 1975 vollzogen. Daran wird sich auch nichts mehr ändern, darin sind sich die Kommunalpolitiker heute einig – auch wenn immer mal wieder mit Wehmut an die Zeit als selbstständige Stadt erinnert wird.

Todesanzeige

„Ich war damals auch dagegen“, sagt Stefan Fey, der ehemalige Leiter der Grundschule in Finkenberg. Er erinnert sich noch daran, dass es sogar eine fingierte Todesanzeige gab. Darin stand, dass die Stadt Porz aufgehört habe zu leben, und Beileidsbekundungen bei den Vätern der Gebietsreform, Landesvater Heinz Kühn (SPD) und Innenminister Willi Weyer (FDP), abzugeben seien. „Unterschrieben war die Anzeige mit »80 000 traurige Bürger«“, erinnert sich Fey. Viel geändert habe sich nach der Eingemeindung aber erst einmal nicht – außer, dass alles teurer geworden sei (die städtischen Gebühren wurden auf das Niveau von Köln angehoben) und die Autos neue Nummernschilder erhielten.

„Ich war damals zutiefst enttäuscht“, sagt Theo Steinringer, der sich damals für die CDU in die neue Bezirksvertretung wählen ließ. Er sei zusammen mit dem stellvertretenden Bürgermeister Peter Weisen sogar noch nach Düsseldorf gefahren, um mit den Verantwortlichen zu sprechen. „Die wollten aber nicht mit sich reden lassen“, sagt Steinringer. Bis in die 90er Jahre hinein habe es immer wieder Versuche gegeben, die Eingemeindung zurückzunehmen. „Wir haben die Aktion selbstständiges Porz gegründet, um für unsere Eigenständigkeit zu kämpfen.“ Andererseits kann Steinringer gut verstehen, warum Köln Porz schlucken wollte. „Wir waren damals eine aufstrebende dynamische Stadt und damit ein Gewinn.“

„Porz war eine Praline mit hervorragender Füllung“, sagt auch Hans-Gerd Ervens, der von 1979 bis 1988 Fraktionsvorsitzender der SPD in der Bezirksvertretung war und von 1988 bis 1999 Bezirksvorsteher. „Porz hatte den Flughafen, eine ganz geringe Pro-Kopf-Verschuldung und viele Flächen, die als Gewerbegebiet ausgewiesen werden konnten“, sagt der ehemalige Kommunalpolitiker. Da sei den Kölnern wohl der Mund wässrig geworden. Zwar habe sich der SPD-Ortsverein vehement gegen die Eingemeindung gewehrt. „Aber die Genossen in Köln haben uns nach Strich und Faden belogen und uns das Blaue vom Himmel versprochen.“

Allerdings war bei genauerer Betrachtung 1974 die viel beschworene Dynamik der Stadt Porz bereits ins Stocken geraten. Hochfliegende Pläne wie das Konferenz-Zentrum mit Hotel am Rathausufer wurden nicht mehr verwirklicht. Zwar konnte Porz drei Hallenbäder, vier Gymnasium, diverse Sportstätten und die Freizeitinsel Groov vorweisen, aber die Entwicklung der Porzer City verlief nicht so wie gewünscht. Da seien die Versprechungen der großen Stadt Köln wohl vielen wohl sehr gelegen gekommen, ergänzt Ervens. „Allerdings wurde nicht viel davon eingehalten.“ Geschickt seien Zusagen unter dem Vorbehalt der finanziellen Möglichkeiten gemacht worden. „Die waren dann ganz schnell nicht mehr gegeben.“ In den Eingemeindungsvertrag aufgenommen worden sei zum Beispiel ein Jugendzentrum in Wahn, das nie gebaut wurde. „Auch die Eigenständigkeit unseres Stadtarchivs sollte erhalten bleiben“, sagt Ervens. Trotzdem sei es ins Kölner Archiv integriert worden. Im März 2009 seien die Dokumente dann mit in die U-Bahn-Baustelle an der Severinstraße gestürzt.

Eines hätten sich die Kölner nicht unter den Nagel reißen können, führt Volker Düppe aus: den Porzer Karneval. „Eine Eingemeindung nach Köln ist für uns nie in Frage gekommen“, sagt der letzte Karnevalsprinz aus der Ära der selbstständigen Stadt Porz. Er vermutet allerdings, dass der Widerwille auf Gegenseitigkeit beruht habe. Auch heute noch setzen sich die Jecken im Stadtbezirk 7 deutlich von den Kölnern ab. So propagiert der Festausschuss Porzer Karneval (FAS) den familiären Karneval für sich, der gemütlicher und überschaubarer sei als der in Köln. Zudem startet der Zoch einen Tag früher als in der Innenstadt und heißt Rosensonntagszug.

Lebenswertes Porz

Ganz untergegangen ist der Widerstandsgeist der Porzer ohnehin nicht. Gerade bei den großen Problemen der jüngsten Zeit wie der Sanierung des denkmalgeschützten Ensembles von Rathaustreppe und Ufermauer, die sich immer wieder in die Länge gezogen hat, oder dem leerstehenden ehemaligen Hertie-Haus in der Fußgängerzone, das zusehends verfällt, wurden Erinnerungen an die ehemalige Stadt Porz beschworen, in der „das nicht passiert“ wäre. „Die Kölner wollten uns, nicht umgekehrt“, sagt etwa Werner Marx, Fraktionsvorsitzender der CDU in der Bezirksvertretung und zur Zeit der Eingemeindung vier Jahre alt. „Dann müssen sie aber auch dafür sorgen, dass Porz lebenswert bleibt“, fordert er. Der Deutzer Rheinboulevard sei schließlich auch mit Porzer Steuergeld gebaut worden. Da könne es nicht sein, dass für den Wiederaufbau des Pavillons an der Rathaustreppe kein Geld mehr da sei und in Porz bei den Handwerksmeistern händeringend nach Sponsoren gesucht werden müsse.

Die Gebietsreform bescherte der Stadt Köln aber nicht nur neue Stadtteile. In den Randbereichen wurde einiges durcheinandergewürfelt. Heumar, seit vielen Jahren ein Teil von Porz, wurde dem Stadtbezirk Kalk zugeordnet. Und Poll, das bereits 1888 eingemeindet worden war, wurde dem Stadtbezirk sieben, also Porz, zugeschlagen, und bekam damit einen Porzer Bezirksbürgermeister. „Auch heute noch finden es viele Bürger aus Poll nicht lustig, dass sie 1975 Porzer wurden“, sagt Hans-Dieter Heinecke, der viele Jahre Vorsitzender des Bürgervereins Poll gewesen ist. Die Poller hätten sich seit ihrer Eingemeindung als Kölner gefühlt und niemals als Porzer. Dass seither auch nicht viel zusammengewachsen ist, zeigt sich in den ausgedehnten unbebauten Fluren, die sich zwischen beiden Ortsteile erstrecken. Zudem bildet die Autobahn eine Schneise zwischen beiden Stadtteilen.

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